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[infowar.de] TELEPOLIS: On Air: US-Propaganda fuer Afghanistan
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On Air: US-Propaganda für Afghanistan
Brigitte Zarzer 19.10.2001
Flugblätter und Radioprogramme
Nicht nur Bomben und Lebensmittel werfen die amerikanischen
Luftstreitkräfte in Afghanistan ab. Auch Radios und Flugblätter mit
Frequenzen sollen die Bevölkerung zum Lauschen westlicher
Aufklärungssendungen animieren. Überdies gibt es Flugblätter, die den
Taliban-Anhängern zeigen, wie sich ergeben müssen: "You have only one
choice ... Surrender now." Dafür heißt es dann auch, dass "The
Partnership of Nations is here to help". Ein Sender des US-Militärs
berichtet aus Flugzeugen in den afghanischen Landessprachen.
Vergangenen Sonntag wurden BBC-Reporter [0] auf einen neuen
Radiosender aufmerksam, der sein Programm in den gebräuchlichsten
Landessprachen Afghanistans, Dari und Pashto, ausstrahlt. Am Montag gab
dann das Verteidigungsministerium den Einsatz dieses Senders zusammen
mit den Flugblättern bekannt, die seit Sonntag im Rahmen der
psychologischen Kriegsführung (PsyOps - Psychological Operations) über
Afghanistan abgeworfen werden.
Die USA hatten bereits kurz nach den Terrorangriffen in New York und
Washington DC angekündigt, parallel zu möglichen Militärschlägen auch
die Auslandspropaganda verstärken zu wollen. Das altgediente
Westpropaganda-Radio aus Zeiten des Kalten Krieges, Voice of America
[1], erlebte unvermittelt eine Renaissance. Am 25. September erklärte
der Sender eine Ausweitung der Nachrichtensendungen im Mittleren Osten,
Süd- sowie Zentralasien - Afghanistan miteingeschlossen. Ausführliche
News-Leisten [2] gibt es seitdem in Arabisch, Dari, Farsi, Pashto und
Urdu (Pakistan).
Zudem wurden acht Millionen Dollar für die Gründung eines
Aufklärungssenders für Afghanistan (Projekt "Radio Free Afghanistan")
nach dem Muster der Stationen "Radio Free Europe" und "Radio Liberty",
die während des Kalten Krieges in Europa zum Einsatz kamen, im
US-Kongress beantragt. Legitimiert werden derartige Vorhaben unter
anderem mit Erfolgsberichten von ähnlichen Psychological
Operations-Projekten im Golfkrieg.
Hochzeitsmusik und US-Propaganda
Was den neuen US-Militärsender betrifft, so haben BBC-Journalisten die
Programmgestaltung genau unter die Lupe genommen. Die Radiostation geht
täglich morgens und abends für insgesamt etwa fünf Stunden on air.
Berichtet wird über aktuelle Militäraktionen und den Abwurf von
Nahrungsmittelpaketen unter Hinweis auf eine Koalition von
"friedliebenden Ländern", denen es um die Bekämpfung des Terrors gehen
würde. Die Nachrichtensprecher verweisen außerdem immer wieder darauf,
dass sich die Angriffe nicht gegen die unschuldige Zivilbevölkerung
richten würde. Neben Nachrichten strahlt der Sender auch typisch
afghanische Volksmusik aus. Allerdings würde solche Musik landesüblich
anlässlich von Hochzeiten und anderen Feiern gespielt, kritisieren die
BBC-Reporter. Ebenso hätten sich die Programmgestalter etwas im Ton
vergreifen. Die Nachrichten wären zu propagandistisch, von oben herab
vorgebracht, resümiert BBC. Um die Propaganda der Taliban
auszuschalten, wurde deren Sender schon am zweiten Tag der Luftangriffe
bombardiert.
"Attention Taliban! You are condemned. Did you know that? The
instant the terrorists you support took over our planes, you sentenced
yourselves to death. The Armed Forces of the United States are here to
seek justice for our dead. Highly trained soldiers are coming to shut
down once and for all Osama bin Laden's ring of terrorism, and the
Taliban that supports them and their actions."
Auszug aus einem US-Flugblatt [3] aus der Serie The Partnership of
Nations is here to help
Dass der britische Sender derart kritisch über diese Radiostation
berichtet, hat möglicherweise aber auch etwas mit dem neuerdings
ausgebrochenen Kampf um Frequenzen in diesen Landstrichen zu tun. So
besetzte der BBC World Service erst jüngst zu seiner angestammten
Frequenz in Südasien eine neue Mittelwellenfrequenz, die sowohl
Afghanistan als auch die gesamte zentralasiatische Region abdecken
soll. In verschiedenen BBC-Artikel wird immer wieder auf die hohe
Verbreitung der eigenen Programme in dem Gebiet hingewiesen. Nach
Unternehmensangaben [4] hören 60 Prozent der Afghanen die BBC
Sendungen in Pashto und Persisch. Neben den Briten dehnte "Radio France
International" sein Programm aus und produziert seit kurzem zusätzliche
30 Minuten Nachrichten in persischer Sprache.
"Our forces are armed with state of the art military equipment.
What are you using, obsolete and ineffective weaponry? Our helicopters
will rain fire down upon your camps before you detect them on your
radar. Our bombs are so accurate we can drop them right through your
windows. Our infantry is trained for any climate and terrain on earth.
United States soldiers fire with superior marksmanship and are armed
with superior weapons."
Auszug aus einem US-Flugblatt aus der Serie The Partnership of Nations
is here to help
Taliban Radio off air
Der westlichen Propagandaschlacht steht die restriktive Medienpolitik
der Taliban gegenüber. Seit der Machtergreifung 1996 wurden Fernseher
verboten. Im Juli untersagten die Taliban dann auch noch die
Internetnutzung ( Taliban bauen weiter an der Abschließung des Landes
[5]). Dabei richtete die Fundamentalistenregierung selbst eine
Propagandasite ein, die eine internationale Öffentlichkeit über das
"wirkliche" Afghanistan unter den Taliban aufklären wollte. Die
Website [6] ist allerdings nicht mehr aufrufbar.
Dass von ausländischen Reportern nur mehr der Korrespondent des
arabischen Senders Al Jazeera geduldet wird, ist hinlänglich bekannt
seit CNN laufend Berichte der TV-Anstalt übernimmt. Für die breite
Bevölkerung in Afghanistan allerdings überlebte nur das Radio, zumal
selbst die reaktionären Taliban erkannten, dass sich das "Teufelszeug"
vorzüglich zur Verbreitung von Koransprüchen eignet. Radio Afghanistan
mutierte zu Radio Sharia. Diese Station sendete bis vor kurzem. Reden
von Taliban-Führern und andere einschlägige Sendungen. Nick Grace von
Clandestine Radio Watch ( CRW [7]) konzentrierte sich insbesondere auf
die 15 Minuten englischsprachiger Nachrichten, die Radio Sharia täglich
ausstrahlte. CRW archivierte diese Berichte, bis der Sender von
US-Bomben zerstört [8] wurde und machte sie für die internationale
Öffentlichkeit auf der CRW-Homepage zugänglich. Clandestine Radio Watch
ist insgesamt eine empfehlenswerte Webpage für all diejenigen ist, die
sich ausführlicher mit den im Geheimen operierenden Radiostationen -
vor allem in Ländern, in denen es mit der Pressefreiheit nicht soweit
her ist - vertraut machen wollen.
Für viele afghanische Bürger sind Ätherwellen die letzte Verbindung
zum Rest der Welt. Kein Wunder, dass die amerikanischen Streitkräfte
dieses Medium strategisch nutzen wollen. Propagiert [9] wird vom
Pentagon auf den abgeworfenen Flugblätter das "Information Radio", also
jener Sender, den BBC beschrieb. Die Flugblätter veröffentlichte das
Verteidigungsministerium am 15. Oktober selbst. Der Sender befindet
sich in den "fliegenden" Radiostationen, die sechs speziell
ausgerüstete EC-130 Maschinen bilden. Sie waren bereits in Panama,
Bosnien und Haiti als fliegende Sender zum Einsatz gekommen. BBC
berichtet, dass zudem Hunderte Wind-up-Radios abgeworfen wurden. Diese
sind auf eine fixe Frequenz [10] eingestellt, die automatisch auf
US-Militärnachrichten einschwenken. Diese Erfindung eines Briten wird
als Schlüsselwaffe im News-War gewertet.
Medien des Widerstands
Doch nicht nur der Westen versucht mittels Medien im Kampf gegen
Terror und Taliban zu operieren. Die afghanische Opposition, die
Nordallianz, betreibt eigene Radiostationen. Über Lautsprecher wird die
Bevölkerung in Städten wie Charikar und Colbahor mit Nachrichten
versorgt. Im Internet ist die Nordallianz dreimal täglich mit dem
Online-Radio "Voice of Mojahed" on air. Selbst eine Fernsehstation wird
von der Opposition betrieben. Wie CRW [11] berichtet allerdings mit
unregelmäßiger Präsenz und wahrscheinlich geringer Verbreitung. Das
tägliche Newsprogramm bringt auch BBC-TV-Berichte oder wie
Fernsehbeiträge vom Iranian TV.
"Do you enjoy being ruled by the Taliban? Are you proud to live a
life of fear? Are you happy to see the place your family has owned for
generations a terrorist training site? Do you want a regime that is
turning Afghanistan into the Stone Age and giving Islam a bad name? Are
you proud to live under a government that harbors terrorists? Are you
proud to live in a nation ruled by extreme fundamentalists?"
Auszug aus einem US-Flugblatt für die Afghanen aus der Serie Taliban
actions are Non-Islamic
Seit langem medial und technisch hochprofessionell agiert die 1997
gegründete afghanische Frauenorganisation RAWA [12], die vom Exil in
Pakistan aus operiert und primär die internationale Öffentlichkeit im
Kampf gegen die Taliban mittels Internetberichterstattung mobilisieren
wollte. Unter Einsatz ihres Lebens filmten RAWA-Frauen mit Minikameras,
die sie versteckt unter der bodenlangen Verschleierung trugen, die
Greuel der Taliban. Auf ihrer Webpage, mit Nachrichten in vier Sprachen
inklusive Deutsch, veröffentlichten die RAWA-Aktivistinnen Bilder von
Exekutionen, Misshandlungen von Frauen und Kindern. Eine breitere
Öffentlichkeit registrierte die RAWA erst jüngst, als westliche
Fernsehstationen über die Taliban und deren Widersacher vermehrt
berichteten.
Links
[0]
http://news.bbc.co.uk/hi/english/world/monitoring/media_reports/newsid_1
602000/1602654.stm
[1] http://www.voa.gov/
[2] http://www.ibb.gov/pubaff/expandedbroadcasts.html
[3] http://www.cnn.com/2001/US/10/18/ret.flyers/
[4]
http://news.bbc.co.uk/hi/english/world/south_asia/newsid_1555000/1555030
.stm
[5] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/9082/1.html
[6] http://www.afghan-ie.com/
[7] http://www.clandestineradio.com/watch/index.html
[8] http://www.clandestineradio.com/dossier/afghanistan/dod_oct11.htm
[9] http://www.defenselink.mil/news/Oct2001/011015-D-6570C-009.jpg
[10] http://news.bbc.co.uk/hi/english/uk/newsid_1589000/1589318.stm
[11] http://www.clandestineradio.com/dossier/afghanistan/bbcm_01_09.htm
[12] http://rawasongs.fancymarketing.net/index.html
Artikel-URL: http://www.telepolis.de/deutsch/special/auf/9858/1.html
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