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[infowar.de] Netzkunst: "3D Kriegsberichterstattung"



Infowar.de, http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
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Im Rahmen des Netzkunst Projekts "shrink to fit" (zugänglich über http://www.hub3.org)  steht seit ein paar Tagen "The Great Game" von John Klima online.  

http://www.cityarts.com/shrink

"Spiel"beschrieb/-anleitung:

The Great Game ist ein Java applet, das auf einer 3D-Landkarte von Afghanistan für jeden Tag des Konflikts in Realtime Darstellungen von Munition, Flugzeugen, Zielen und Truppenbewegungen anzeigt. Der Künstler bezieht die entsprechenden Daten täglich aus der Presseinformation des amerikanischen 'Department of Defense'. Die verfügbaren Informationen zu Art, Menge und Lokalisierung von Waffen und Angriffen werden durch Spiefiguren repräsentiert, welche militärischen Diagrammen nachgebildet sind. Das Spielfeld ist aus einfachen ASCII-Erhebungsdaten entwickelt, die ebenfalls vom Militär zur Verfügung gestellt werden. Alle 60 Sekunden wird ein neuer Tag hochgeladen und in der Karte dargestellt.

Das Spielfeld dreht sich, wenn Sie die Maus mit gedrückter Taste links und rechts über das Feld ziehen.Ziehen Sie die Maus oben und unten über das Feld, wird es heran- oder weggezoomt. Ein Mausklick ins Feld zentriert den entprechenden Ort auf dem Bildschirm. 

Projektbeschrieb:

Mit diesem Motiv (dem Afghanistan-Krieg) wendet sich Klima einer Form der
Bildarbeit zu, die erst allmählich die überfällige Aufmerksamkeit erhält:
Computergames. Für sie hat er sich schon lange stark gemacht, und seine
Meisterschaft in dieser Form hat er bereits in früheren Arbeiten demonstriert.
Menschen sterben, Millionen (wenn nicht Milliarden) von Dollars werden für
diesen Krieg ausgegeben, und doch, wenn diese Daten dem User/Betrachter
durch seinen Computer präsentiert werden - was sind sie? Zu was werden sie?
Die Signifikanten, welche darauf hinweisen, dass es sich hier um etwas anderes
als um ein Spiel handelt, also nicht um ein Amusement oder einen Zeitvertreib,
müssen wir selbst ergänzen. Das partielle News-Blackout in der aktuellen
Kriegskampagne enttäuscht das Publikum der Massenmedien. An den Golfkrieg
erinnert es sich als eine entfernte Feuerwerk-Show, nun erhält es kaum noch
Informationen, die über die immateriellen Chiffren von Klimas Ikons, die den
Kriegsverlauf symbolisieren, hinausgehen. So ist es dem User/Betrachter
überlassen, die Ikons, deren Lage in der Landkarte täglich nach den neusten
Kriegsinformationen aktualisiert wird, einer entscheidenden und kritischen
Betrachtung zu unterziehen, welche "Zeichen" von "Symbolen" unterscheidet.

Wie schon in der älteren Arbeit "Serbian Skylight", welche sich auf den Krieg in
Jugoslawien bezog, und wie schon in "Fish" zwingt uns Klima Gewissheiten zu
hinterfragen. Was ist real, was Simulation und was der Phantasie des
Spieldesigners zuzuschreiben?. Wir werden aufgefordert - vielleicht nicht für alle
Zeiten aber doch für diesen bestimmten Moment - herauszufinden, wie klar wir
den Unterschied begreifen zwischen der medialen Sicht der aktuellen Ereignisse,
mit der wir täglich konfrontiert werden, und unseren selbstkonditionierten
Reaktionen auf die Medien bzw. auf all die Spiele und Amusements, die mit den
Medien immer mehr parallele oder gemeinsame Vektoren aufweisen. Dass
Diplomaten, Soldaten, Politiker und Historiker von einem Krieg auf Leben und
Tod als von einem "Game" sprechen können, ohne einen öffentlichen Skandal
fürchten zu müssen, und dass heute die Militärs aller Nationen Kriegsspiele und
Simulatoren benutzen, um massstabgetreu die Effektivität ihrer Kräfte zu testen,
ist sicher keine Neuigkeit mehr. Doch in Klimas Arbeit dreht sich der
Informationsvektor nach beiden Seiten: Schauen wir auf ein Spiel, das einen
Krieg repräsentiert, oder auf einen Krieg, der ein Spiel repräsentiert? Der Status
von Subjekt und Objekt hat seine frühere Klarheit verloren und bewegt sich jetzt
in einem Loop, der Kreislauf ist geschlossen.

Jeder, der auf einem Computer schon Strategiespiele gespielt hat, hat gelernt,
wie diese Programme Ikons einsetzen und wie diese als Zeichensprache im Spiel
funktionieren.Aber Ikons werden auch in militärischen Briefings benutzt, nur
sind sie dort nicht Zeichen, sondern potente und vielleicht verletzliche Symbole
- von menschlichem Leben, von riesigen Geldwerten, vielleicht sogar von
politischem Willen. Dieser Krieg wird nicht vom Fernsehen übertragen, wie das
bei allen Kriegen seit Vietnam der Fall war. Obwohl heute die Technologie für
"live streaming battle-cams" existiert, welche für jedermann mit Computer
zugänglich wäre, wird sie aus "Sicherheitsgründen" nicht eingesetzt. So bleibt
uns die Möglichkeit, Klimas "The Great Game" zu erproben, zu sehen, dass die
Afghanistan-Karte als "game board" bezeichnet wird und die Ikons als
Spielfiguren. Wie bei allen Werken von Klima geht es darum, über die Art dieser
Mediatisierung nachzudenken, was wir durch sie gewinnen und was sie uns
kostet, auch darüber, wie "real" die Realität gerade durch die verschiedenen
Wirkungen ihrer Repräsentation geworden ist. 

Blackhawk 
New York City, 
October, 2001. 

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