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[infowar.de] SPIEGEL-Artikel von Ralf Beste



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http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,175606,00.html



07. Januar 2002

TERRORISMUS

Neuralgische Punkte

Einem organisierten Cyber-Angriff auf deutsche Computer wäre die
Republik hilflos ausgeliefert. In einer vertraulichen Regierungsstudie
schlagen Experten Alarm.


Für nordkoreanische Verhältnisse waren die 35 Angreifer luxuriös
ausgerüstet: mit robusten Kaufhaus-Computern und erprobter
Gratis-Software aus dem Internet. Mehr brauchten die Cyber-Soldaten des
nordkoreanischen Diktators Kim Jong Il nicht, um die Supermacht USA
erfolgreich zu attackieren. Nach zwei Wochen bereits kontrollierten sie
mit ihren Discount-Rechnern die Stromnetze und Feuerwehr-Notrufanlagen
in neun amerikanischen Städten.

Unbemerkt drangen die Dunkelmänner aus dem fernen Osten in 34
Computernetzwerke des Pentagon ein und sorgten mit falschen Befehlen für
Chaos: Ein Tankwagen mit Flugbenzin wurde zum nächsten Marine-Stützpunkt
dirigiert. Vergebens wartete eine F-16-Kampfflugzeugstaffel auf neue
Raketen; geliefert wurde stattdessen eine Ladung Lkw-Lampen.

Die Amerikaner kamen noch einmal davon: Die Attacke vor viereinhalb
Jahren war eine Übung, als nordkoreanische Agenten traten Mitarbeiter
der National Security Agency auf. Drastisch zeigte das Manöver, wie
hilflos selbst die Weltmacht USA einem Angriff aus internationalen
Datennetzen ausgeliefert war. Washington zog die Konsequenzen:
Mittlerweile sind etwa 2000 Spezialisten damit beschäftigt, eine
Cyber-Attacke zu verhindern.

Nach den Terroranschlägen des 11. September ist jetzt auch die
Bundesregierung aufgewacht. In einer internen 16-seitigen Studie
analysieren die Planungsstäbe von Joschka Fischers Auswärtigem Amt und
Rudolf Scharpings Verteidigungsministerium die Gefahren durch Angriffe
aus dem Netz.

Das Ergebnis ist alarmierend: "Mit gezielten Eingriffen an besonders
neuralgischen Punkten" wie Telekommunikation, Strom-, Gas- und
Ölversorgung ließen sich auch in Deutschland "gegenseitig aufschaukelnde
Ausfallerscheinungen hervorrufen, die das gesellschaftliche Leben
buchstäblich lahm legen". Dieses "Gefahrenpotenzial" zu missachten
"könnte sich in zukünftigen Konflikten bitter rächen".

Die "Bedrohung für Staat und Wirtschaft" aus dem Computer, warnen die
Ministerialen, sei spätestens seit dem 11. September real: "Für
Terroristen bietet das Internet geradezu perfekte Arbeitsbedingungen."

Dass die komplexen Kommunikationssysteme moderner
Industriegesellschaften extrem anfällig für Angriffe sind, konnten die
Deutschen schon früher merken. So legte im Frühjahr 2000 der "I love
you"-Virus massenweise deutsche Bürocomputer lahm, doch das waren nur
Spielereien einzelner Hacker. Seit dem 11. September dagegen, so
fürchten die deutschen Sicherheitsexperten, sind auch politisch
motivierte Angriffe nicht mehr auszuschließen.

Die Abwehr ist teuer. Deutschland müsse mehr Geld für Schutztechnologie
ausgeben, fordert die Studie, die von beiden Ministerien unter
Verschluss gehalten wird. So müssten "unabhängige nationale Software-
und Kryptoprogramme" entwickelt werden - mit hohem Aufwand.

Der politisch heikle Grund: Vor allem amerikanische Anbieter werden
verdächtigt, "Trojanische Pferde" in ihren Systemen zu installieren, die
US-Geheimdienste im Krisenfall zur Spionage auf den Festplatten nutzen
könnten. Technische Lösungen anderer Nationen, heißt es diplomatisch,
seien "stets auch unter dem Aspekt daraus resultierender Risiken zu
bewerten".

Die Beamten raten, wenig überraschend, der Gefahr durch eine neue
Behörde zu begegnen, um Vorwarnsysteme zu installieren und nationale
Notfallpläne bei einem Hackerangriff in Kraft zu setzen. Die bestehenden
Einrichtungen in Deutschland, wie die Anfang 2000 von
Bundesinnenminister Otto Schily gegründete Task Force "Sicheres
Internet", genügten diesen Ansprüchen "nur ansatzweise".

Denn schon die Aufgabe, einen möglichen Angreifer überhaupt sicher zu
identifizieren, erweist sich als ziemlich kompliziert. So hatte das
Pentagon eine Attacke auf einige seiner Computersysteme entdeckt und die
Quelle in Abu Dhabi am Persischen Golf geortet. Der Auftraggeber schien
klar: Saddam Husseins Irak.

Doch das Greifkommando, das in der arabischen Hafenstadt zuschlug, fand
nur einige Server: eine Sackgasse. Die wahren Täter waren zwei Teenager
aus Kalifornien, die eine falsche Fährte durchs Netz gelegt hatten. "Die
Unterscheidung in Kombattanten und Nicht-Kombattanten", so das Fazit der
Berliner Cyber-Abwehr, "ist beim Krieg im Datennetz nicht mehr möglich."

Nicht nur einzelne Hacker gefährden die nationale Sicherheit. Richtig
bedrohlich wird es, wenn fremde Regierungen die schlecht geschützten
Datennetze Deutschlands angreifen. Auch kleine Staaten könnten im Zuge
der "asymmetrischen Konfliktaustragung" militärisch überlegenen Gegnern
empfindlichen Schaden zufügen, fürchten die Berliner Experten.

Großmächte wie Russland und China investieren bereits viel Geld in ihre
defensive Computerrüstung. Sie wissen, was jetzt auch die Deutschen
herausgefunden haben: Die gefährlichsten Cyber-Angriffe drohen nicht aus
"Schurkenstaaten" wie Nordkorea oder dem Irak - sondern, technisch
gesehen, aus den USA. Die Supermacht "dürfte heute ein Monopol in der
Fähigkeit besitzen", heißt es in dem Berliner Papier, "kritische
Infrastrukturen wirkungsvoll anzugreifen".

RALF BESTE


© DER SPIEGEL 2/2002
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