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[infowar.de] Stimme Palästinas sendet nach israelischer Militäraktion von Privatstation aus weiter



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Frankfurter Rundschau 21.01.2002 

Zerstört, aber nicht verstummt 

Die "Stimme Palästinas" sendet nach israelischer Militäraktion von
Privatstation aus weiter 

Von Inge Günther (Ramallah) 

Bizarre Trümmerteile hängen von den Decken. Herausgerissene Kabel,
verbogene Mischpulte und verkohltes Archivmaterial liegen in den
Redaktionsräumen verstreut. Die Spezialeinheit der israelischen Armee,
die am Samstag den Hauptsitz des nationalen palästinensischen Radios und
Fernsehens in Ramallah zerstörte, hat ganze Arbeit geleistet. Ob der
Sender "Voice of Palestine" von diesem Ort jemals wieder ausstrahlen
wird, ist völlig ungewiss. 

Verstummt allerdings ist die "Stimme Palästinas" nicht. Bereits eine
Stunde nach dem Angriff ging zumindest die Funkstation wieder auf
Sendung. Der private Kanal "Waves" (Wellen) überließ die eigenen Anlagen
und Frequenzen den Kollegen von der "Palestinian Broadcasting
Corporation" (PBC). Schon auf dem Weg zu dem ausgebrannten Funkhaus
dreht der Taxifahrer die "Stimme Palästinas" auf. Sie zu hören, gilt
jetzt als Akt des Widerstands gegen die israelische Besatzung. Und
unermüdlich suchen Dutzende freiwillige Helfer inmitten der Verwüstung
nach noch Verwertbaren. 

Auch eine japanische Diplomatendelegation inspiziert den Schaden. Viele
ausländische Geber waren am Aufbau des Senders beteiligt; darunter die
Deutschen, die nicht wenigen PBC-Journalisten das Rundfunkmachen
beibrachten. "Tut mir auch für euch leid", sagt Programmdirektor Yussef
Ghasses der deutschen Korrespondentin und weist in sein Büro, das bis
vor kurzem sein zweites Zuhause war. Für ihn ist es nicht das erste Mal,
dass sein Lebenswerk einem Trümmerhaufen gleicht. "Die gleiche Person
wie jetzt hat bereits 1982 die palästinensische Radiostation in Libanon
zerstört." Gemeint ist Ariel Scharon, damals israelischer
Verteidigungsminister und heute Premier. 

Seine Truppen umzingelten am Samstag noch vor Morgengrauen die
palästinensische Funk- und Fernsehanstalt. Per Lautsprecher wurden die
Angestellten zum Verlassen des Gebäudes aufgefordert. Dann legte ein
Spezialkommando die Sprengsätze und löste sie per Fernbedienung aus.
Eine Sache von Minuten. In den Flammen ging jahrelange Arbeit auf. 

"Die Israelis", meint Ghasses mit Blick auf die vernichteten Dokumente,
"wollen das Gedächtnis unserer Zivilgesellschaft auslöschen". Israels
Regierung sieht das anders. Sprecher Raanan Gissin gibt den Angriff als
Teil der Vergeltungsmaßnahmen für den Anschlag in Hadera aus. Die Aktion
habe ein Symbol palästinensischer Autonomie treffen sollen, das ohnehin
nur "Hetze und Aufstachelung" verbreite. 

Der Programmdirektor weist das als Propaganda zurück. Der junge
PBC-Ansager Awad Duaibes meint: "Wer seinen Arbeitsplatz völlig zerstört
vorfindet, hat zwei Möglichkeiten: Entweder er sprengt sich in Tel Aviv
in die Luft oder er versucht weiter zu machen. Ich mache weiter. Aber
einen Panzer in Ramallah werde ich niemals einen Panzer der israelischen
Verteidigungsarmee nennen sondern einen Panzer der Besatzungsarmee."
Ramallah ist inzwischen zur Hälfte besetzt. Und wenn PLO-Chef Yassir
Arafat aus dem Fenster seines Hauptquartiers schaut, sind die nur 150
Meter weiter postierten israelischen Stellungen nicht zu übersehen. Das
Motto der Radiomacher jedoch lautet: "Jetzt erst recht." In spätestens
zwei Tagen soll "Voice of Palestine" wieder einen eigenen festen
Austrahlungsort beziehen.

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