Suche innerhalb des Archivs / Search the Archive All words Any words

[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

[infowar.de] Bericht von der Diskussion mit dem Chefredakteur von Al-Jazeera



Infowar.de, http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
-------------------------------------------------------------

Nicht ganz so off topic, wie es vielleicht auf den ersten Blick scheint:
Die Frage, wer die globale Informations/Mediensphäre noch kontrollieren
kann, ist ja recht entscheidend für die Info-Ops-Pläne u.a. der USA.
Dazu mal wieder der hier schon mehrfach abgegebene Lesetipp: 
John Arquilla and David Ronfeldt: The Emergence of Noopolitik. Toward an
American Information Strategy, RAND MR-1033-OSD, 1999
http://www.rand.org/publications/MR/MR1033.
Ausserdem ein Zitat, das mich als Listowner natürlich freut:  
"Für Andreas Broeckman, der dieses Jahr zusammen mit Susanne Jaschko 
die Transmediale leitet, sind Mailinglisten eine der wichtigsten
Informationsquellen überhaupt." :-)
RB

http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/konf/11808/1.html 

 Global Public?
 
 Julia Schneider   10.02.2002 
 
 Auf der diesjährigen Transmediale wurde die Schaffung von neuen 
globalen Informationsräumen durch den Einfluss der digitalen Medien 
diskutiert 
 
  Wie werden Informationen in einer globalen Mediengesellschaft 
verbreitet? Wie sehen die ökonomischen und politischen 
Rahmenbedingungen von Informationen aus? Was sind die verschiedenen 
Auffassungen von globaler Öffentlichkeit? Die Konferenz "Global Public: 
The New World Order of Broadcasting" der transmediale.02 fragte danach, 
welchen Einfluss Journalismus hat, wenn durch das Nebeneinander von 
Satelliten-, Internet- und terrestrischen Übertragungskanälen die 
Grenzen zwischen weltumspannenden Konzernen wie CNN, regionalen Sendern 
wie dem arabischen Sender [1]al-Dschasira oder dem medienaktivistischen 
Netzwerk [2]Indymedia zu verschwinden scheinen.  
 
 Die Rahmenbedingungen der globalen Medienberichterstattung haben sich 
in den letzten Jahren tiefgreifend geändert. Wer sagt, was stimmt? Und 
kann es überhaupt so etwas wie objektive Informationen geben? Für den 
Berliner Medienwissenschaftler [3]Volker Grassmuck ist das eine der 
wesentlichen Fragen, die der Computer und die Netzwerke bloßgelegt 
haben. 
 
    "Spätestens wenn ich weiß, wie man mit Photoshop umgeht, traue ich 
doch den Bildern in den Medien nicht mehr."       
 
 Der Computer und das Internet machen misstrauisch gegenüber dem, was 
allgemeingültige Information sein soll. Man hat heute die Möglichkeit 
zur weltweiten Manipulation von Quellen und Informationen. Die neuen 
technischen Möglichkeiten laden aber auch dazu ein, Informationen 
außerhalb des vorgeschriebenen Standards zu produzieren. 
 
 "In arabischen Ländern war unabhängige Berichterstattung lange Zeit 
nicht möglich, die staatliche Kontrolle der Medien war sehr stark. Die 
Menschen hatten extrem wenig Vertrauen in die lokalen Sender, die alle 
von den Regierungen überwacht wurden", schildert M. Jasin Al-Ali, der 
Direktor von al-Dschasira die Situation vor der Gründung des Senders. 
"Durch die Entwicklung des Internet wurde es aber immer schwieriger, 
Kontrollen und Zensur auszuüben. 1996 konnten wir dann mit der Gründung 
des arabischen Senders al-Schasira endlich einen größeren Freiraum 
schaffen." Dieser unabhängige Fernsehsender genießt mittlerweile großes 
Vertrauen und hat weltweit 40 Millionen Zuschauer. Al-Dschasira ist vor 
allem auf politische Berichterstattung im Interviewformat 
spezialisiert. 
 
 Zuerst erreichten al-Dschasiras Satelliten nur die arabische Welt, 
mittlerweile ist der Sender aber auch in Europa und den USA zu 
empfangen. Neben dem arabischen wird an einem englischen Programm 
gearbeitet, das verstärkt Einzug in die westliche Berichterstattung 
über den Nahen Osten nehmen möchte. Globalisierung der Medien heißt 
hier also, das Lokale raus in die Welt zu tragen und die 
Berichterstattung nicht allein globalen Nachrichtenkonzernen wie CNN zu 
überlassen. Anfangs war al-Dschasira zwar vor allem für die arabische 
Welt gedacht, aber nach M. Jasin Al-Ali ging es auf gar keinen Fall 
darum Abschottungspolitik zu betreiben: 
 
    "Während des Afghanistan-Krieges waren wir der einzige Sender, dem 
man Glaubwürdigkeit schenkte, und wir waren auch der einzige Sender, 
der vor Ort in Kabul vertreten war. Es ist unsere Anliegen, dorthin zu 
gehen, wo es wenig Berichterstattung gibt, zumindest in der arabischen 
Welt."       
 
 Die arabische Perspektive als ein Gegengewicht zur amerikanischen? 
Al-Dschasira wird stark von Europa und vor allem auch von Deutschland 
unterstützt, man arbeitet aber auch mit CNN zusammen. Seit den 
[4]Meinungsverschiedenheiten über den Umgang mit den 
Usama-bin-Ladin-Video ist die Beziehung allerdings fast eingefroren. 
 
 Der Glaube an die Information 
 
 Für M. Jasin Al-Ali ist Journalismus nichts Unproblematisches, dennoch 
hält er daran fest, dass das Anliegen von al-Dschasira die 
Wahrheitssuche sei. "Wir wollen glaubwürdig sein. Wir müssen als 
Journalisten alle Meinungen präsentieren, auch wenn wir sie nicht 
teilen." Und um diesem Ansatz gerecht zu werden, dürfen Journalisten 
seiner Meinung nach nicht vom Staat kontrolliert werden. 
 
 "Das Herz darf am Mikrofon nicht klopfen", meint auch Günter Knabe, 
Leiter des Asienprogramms beim Radio der Deutschen Welle. "Wir 
betreiben ernsten, idealistischen Journalismus, es geht uns darum, 
Informationen so korrekt wie möglich zu vermitteln. Wir sind uns heute 
darüber im klaren, dass keiner objektiv ist, trotzdem ist es das Ziel 
der Deutschen Welle, objektive Fakten zu liefern." Die [5]Deutsche 
Welle sorgt seit ihrer Gründung 1953 für den Austausch von 
Informationen zwischen Deutschland und der Welt. Sie liefert ein 
regierungsunabhängiges internationales Rundfunk-, Fernseh- und 
Internetangebot. Den Schwerpunkt bilden mittlerweile Rundfunk und 
Internet, wo neben Deutsch 30 andere Sprachen vertreten sind. 
 
    "Wenn man etwas darstellt, wählt man immer aus. Jeder ist 
subjektiv, eben genau dadurch, dass er, sie etwas beschreibt." Für Han 
Soete von [6]Indymedia kann Information niemals nur Information sein.   
    
 
 Indymedia wurde vor zwei Jahren von Medienaktivisten während des 
WTO-Treffens in Seattle gegründet. Dabei ging es darum, mit der an sich 
neutralen Technik des Internet eine andere Öffentlichkeit zu schaffen. 
Han Soete findet es nämlich absurd, dass die Welt nur durch VIPs 
repräsentiert sein soll. "Dass eine kleine Gruppe von Menschen dazu 
befugt ist, allen anderen zu sagen, wie sie die Welt zu sehen haben, 
finde ich vollkommen falsch." Indymedia will den Menschen auf der 
Straße eine Stimme geben, so dass hier prinzipiell jeder etwas 
veröffentlichen kann. Auf dieser Basis hat sich Indymedia zu einem 
unabhängigen globalen Medienservice entwickelt. 
 
    "Bei unserem Ansatz stellt sich natürlich die Frage nach der 
Kontrolle, denn wenn alle mitmachen dürfen, was kommt dann dabei raus? 
Wenn Beiträge zum Beispiel rassistisch oder homophob sind, löschen wir 
sie nach dem Erscheinen wieder."       
 
 Andererseits ist Indymedia auch nur ein System im System. "Wir sind 
mittlerweile vielleicht auch eine Marke, an die ganz bestimmte 
Erwartungen gestellt werden. Aber zumindest versuchen wir Journalismus 
als ein Werkzeug, das die Welt in Frage stellt, einzusetzen." Für Han 
Soete tun die Medien das normalerweise nicht, sondern sie lassen sich 
von wirtschaftlichen Interessen manipulieren. 
 
 Information als Geschäft? 
 
 Im Rahmen der Globalisierung machen sich immer massiver 
wirtschaftliche Interessen bemerkbar. Sieht man sich Bertelsmann und 
Kirch an, ist das Ausmaß erschreckend. Mit den gelieferten 
Informationen werden dann globale wirtschaftliche Interessen verkauft, 
meint Han Soete von Indymedia. 
 
 "Informationen sollten nicht zu kaufen, sondern umsonst sein". Soete 
verurteilt Unternehmen wie Bertelsman und Kirch dafür, dass sie die 
Informationen, die sie produzieren, vor allem als eine Wahre für den 
Verkauf ansehen. "Es ist einfach ein anderer Ansatz wenn nicht die 
Information, sondern der ökonomische Nutzen an erster Stellen steht. 
Der Profit wichtiger als die Information ist." 
 
 Wer außer den Ländern der Infoelite, hat zu solchen Informationen 
überhaupt Zugang? Nicht jeder hat das Geld um für Informationen zu 
bezahlen. Wenn man also von einer globalen Öffentlichkeit spricht, darf 
man nicht vergessen, dass z.B. noch längst nicht jeder einen 
Internetzugang hat. 
 
 Halböffentliche globale Informationsräume 
 
 Für Andreas Broeckman, der dieses Jahr zusammen mit Susanne Jaschko 
die Transmediale leitet, sind Mailinglisten eine der wichtigsten 
Informationsquellen überhaupt. Für ihn macht es nur wenig Sinn, der 
Presse, die noch nie etwas so dargestellt hat, wie er es erlebt hat, 
Glauben zu schenken. "In Mailinglisten erhalten die Informationen einen 
sehr viel persönlicheren Wert, denn da steht nicht eine Agentur 
dahinter, sondern eine Person mit Name, der man auch zurückschreiben 
kann." Für Andreas Broeckman ist die Diskussion über Informationen und 
die Darstellung möglichst vieler Perspektiven sehr wichtig. 
 
 Wie Indymedia gezeigt hat, kann eine halb private Öffentlichkeit eine 
Gegenöffentlichkeit zur allgemeinen Berichterstattung sein, die dann 
über die modernen Kommunikationsmedien auch eine globale Verbreitung 
erzielen kann. 
 
 Links 
 
 [1] http://www.aljazeera.net
 [2] http://ww.indymedia.org/
 [3] http://waste.informatik.hu-berlin.de/Grassmuck/bio.html
 [4] http://www.cursor.org/aljazeera.htm
 [5] http://www.dw-world.de
 [6] http://www.indymedia.org/

---------------------------------------------------------------
Liste verlassen: 
Mail an infowar -
 de-request -!
- infopeace -
 de mit "unsubscribe" im Text.