[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]
[infowar.de] Handelsblatt zur Bundeswehr-IT (Outsourcing, Herkules,..)
Infowar.de, http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
-------------------------------------------------------------
http://www.handelsblatt.com/hbiwwwangebot/fn/relhbi/sfn/buildhbnw/bmc/cn_hnavi_nw/bmc/cn_artikel_nw/bmc/cn_weitere_nwzeitung_nw/docid/503433/strucid/PAGE_201599/pageid/PAGE_201599/SH/0/depot/0/index.html
HANDELSBLATT, Montag, 18. Februar 2002
Herkules soll?s richten
Burkhard Ewert
Die Bundeswehr ruft beim Umbau ihrer IT göttlichen Beistand an ? rund
6,5
Mrd. ? fließen in eine neue Gesellschaft.
Bekannt für seine Kraft und List ist der antike Halbgott Herkules.
Jetzt soll ein Teil
seines Ruhmes offenbar auch auf die Bundeswehr abfärben. Denn auf der
Hardthöhe basteln Beamte und Soldaten unter dem Titel ?Operation
Herkules? an
der Gründung einer IT-Gesellschaft. Das milliardenschwere Projekt soll
die
Beschaffung von Informationstechnik und die gesamte IT-Struktur des
Militärs völlig
neu gestalten ? mit enormen Auswirkungen auf die Bundeswehr, aber auch
auf die
E-Business- Branche in Deutschland.
Rund 6,5 Mrd. ? werden den offiziellen Plänen zufolge in den kommenden
zehn
Jahren in die neue, privatrechtliche IT-Gesellschaft fließen. Zwar
dürfte etwa die
Hälfte auf Personalkosten entfallen, doch der Rest ist lupenreiner
Umsatz in Form
von Sachinvestitionen und Dienstleistungen.
Der Bund wird Minderheitsgesellschafter der GmbH sein, während einem
privaten
Konsortium die Mehrheit zugedacht ist. In diesen Wochen fällt in den
spartanischen Häusern auf dem Hügel bei Bonn das Gottesurteil in Sachen
Herkules. Die Ministerialen befinden darüber, mit welchen Unternehmen
sie über
den oliven Deal konkret verhandeln wollen.
Zum Auftrag gehört der Betrieb eines eigenen Netzes: "Wenn alles
ausfällt,
muss die Truppe erreichbar sein."
Zwei von ursprünglich sieben angetretenen Konsortien können sich nach
Informationen von Handelsblatt Netzwert Hoffnung auf den Zuschlag
machen.
Erstens eine Gruppe um die Beratung CSC Ploenzke, die
Telefongesellschaft
Mobilcom und den Rüstungskonzern EADS. Zweitens ein Konsortium um die
Telekomtochter T-Systems, in dem auch Siemens und IBM vertreten sind.
Eine Tendenz gibt es nach internen Angaben noch nicht. Aber: Der nahe
liegende
Favoritenstatus der Telekom (Beteiligung des Bundes, Kapazität,
Erfahrung, Sitz
in der Nachbarschaft des Ministeriums) habe sich nicht bestätigt, heißt
es.
Denkbar ist indes, dass Scharpings Mannen in jedem Fall mit beiden
Konsortien
verhandeln. Die Position wäre durchaus kommod, zumal gemunkelt wird,
dass
Mitglieder beider Konsortien im Zweifel auch untereinander kooperieren
wollen.
Die neue Gesellschaft soll ? ein positiver Parlamentsbeschluss
vorausgesetzt ? im
Juli mit Sitz in Bonn gegründet werden. Geplanter Name: Bw -!
- Systems -
Das
Ministerium kalkuliert mit 6 000 Mitarbeitern, von denen ein großer
Teil bereits bei
der Bundeswehr ist.
Zu den Aufgaben gehört unter anderem, die Unternehmenssoftware SAP R3
bundeswehrweit einzuführen ? ein Mammutprojekt. Zudem soll Bw -!
- Systems
ein
exklusives und eigenes Netz betreiben. ?Wenn die normale Kommunikation
zusammenbricht, muss die Truppe trotzdem erreichbar sein?, sagt Klaus
Hahnenfeld, Chef des IT-Stabes im Bundesverteidigungsministerium. Zum
Teil wird
dazu die bestehende Infrastruktur modernisiert. Neue Technik ist aber
ebenfalls
nötig, etwa durch die Nutzung abgeschotteter Bereiche der bestehenden
Telekom-Netze. Dies sieht zumindest der Plan des Konsortiums um
T-Systems
vor.
Grundsätzliche Vorgabe ist es, das Kommunikationssystem und die
Software-Landschaft mit ihren mehreren hundert Insel- und Extralösungen
der
verschiedenen Standorte, Kommandos und Dienststellen drastisch zu
vereinfachen. Eine Frage ist dabei die des Betriebssystems: Linux oder
Windows?
Wie aus den Unternehmen zu hören war, soll es an den Arbeitsplätzen bei
Microsofts Produkten bleiben. Bei Sonderanwendungen sind
Gates-Programme
indessen nicht gern gesehen, hier wäre beispielsweise Lotus Notes eine
Alternative. Für Server und Rechenzentren dürfte größtenteils das freie
System
Linux den Zuschlag erhalten.
Redet man mit Mitarbeitern der Konsortial-Unternehmen über den
möglichen
Auftrag, halten sie zunächst den Atem an. Kein Wunder, denn das Projekt
beschert ihnen ungeheure Perspektiven: eine Umsatzgarantie, die die
Bilanzen
aufpoliert, außerdem einen Ritterschlag in Sachen E-Sicherheit.
Bei den bisherigen IT-Dienstleistern führt die neue Struktur indes zu
empfindlichen
Einbußen. ?Etwa 50 mittelständische Unternehmen haben über die Jahre
gut an
unserer DV-Situation verdient?, meint Hahnenfeld. Für einige ist damit
Schluss:
Nur ?innovative mittelständische Unternehmen werden von der neuen
Gesellschaft
auch künftig Aufträge erhalten?, sagt der Ministerialdirigent, der auch
als Chef des
neuen Dienstleisters gehandelt wird.
Noch bedeutsamer für den Markt könnte sein, dass die neue Gesellschaft
ihre
Dienste auch Dritten anzubieten plant. Der Bundesgrenzschutz ist nach
internen
Planungen als Kunde gesetzt. Weitere attraktive Auftraggeber wären
Firmen,
denen an Sicherheit besonders gelegen ist. Konkrete Gespräche werden
geführt.
Hahnenfeld: ?Banken und Versicherungen lecken sich alle zehn Finger
nach
sicheren Netzen. Das wenigste, was dort schon an Manipulationen
passiert ist, ist
ans Licht der Öffentlichkeit geraten.?
Gar nicht so gerne in der Diskussion sah bisher auch das Ministerium
seine
eigenen Pläne ? denn mit der privaten Gesellschaft wird das
Vergaberecht ein
Stück weit umgangen. Außerdem ist die bis dato praktizierte Trennung
derer, die
militärische Güter verwenden (Bedarfsträger) und derer, die sie
beschaffen
(Bedarfsdecker) im Grundgesetz festgezurrt ? in der IT-Gesellschaft
wäre sie
weitestgehend ausgehebelt.
Ferner droht der ?Operation Groundbreaker?, dem Vorbildprojekt des US-
Geheimdienstes NSA, Ungemach: Erst kürzlich musste die Behörde melden,
dass zu wenige ihrer Mitarbeiter in die private Gesellschaft wechseln
wollen.
Hahnenfeld sieht sich vor dererlei Problemen durch die deutschen
Sozialregeln
gefeit. Sie würden den Wechsel für Mitarbeiter von Ministerium und
Bundeswehr
risikoloser gestalten. Sicherheitshalber weilte Hahnenfeld indes
neulich in den
USA, um sich über die Lage der Kollegen zu informieren.
Unruhe grassiert in Deutschland vor allem bei zivilen Mitarbeitern.
Drei der bisher
sechs Rechenzentren sollen geschlossen werden ? niemand weiß, welche
und
wann. Auch der Termin für die Gründung eines IT-Amtes, das die
Gesellschaft
kontrollieren soll, ist bereits geplatzt. Der Januar war anvisiert,
inzwischen ist von
April die Rede.
Auch die politische Opposition hat Bedenken. Die Idee sei gut, aber es
hapere an
der Umsetzung, nörgeln CDU- Vertreter. Günter Nolting,
sicherheitspolitischer
Sprecher der FDP-Fraktion, moniert, dass der Bundestag schlecht und
spät
informiert würde: ?Wir müssen es im Verteidigungsausschuss prüfen,
dafür darf die
Zeit nicht fehlen.?
Da es Wahljahr ist, dürften im Frühsommer scharfe Diskussionen über die
Reform
bevorstehen. Zudem hat die antike Herkules-Geschichte ja auch noch ein
Ende:
So war der Held nicht immer Herr seiner Kräfte, und sein irdisches
Leben endete
vorzeitig. Auf den Sohn des Zeus? wartete der Olymp ? die IT- Vertreter
der
Bundeswehr hätten es bei einem Flop weit weniger bequem.
Internet-Adressen
www.handelsblatt-netzwert.com/cyberwar Überblick über das Thema
Cyberterror und Militär.
www.handelsblatt-netzwert.com/cytex Detaillierte Infos über das
Cyberwar-Planspiel ?Cytex? und dessen offizielle Auswertung.
www.dgap.org/bfz/veranstaltung/Praes_Hahnenfeld.pdf Hahnenfeld-Vortrag
zu ?Herkules?.
---------------------------------------------------------------
Liste verlassen:
Mail an infowar -
de-request -!
- infopeace -
de mit "unsubscribe" im Text.