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[infowar.de] Re: und noch mehr OSI-Kritik
Infowar.de, http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
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Liebe Leute,
haben wir das nicht schon lange erwartet. Der Spaß ist vorbei, es wird
wieder ernst.
Beste Grüße Rudolf
http://www.welt.de/daten/2002/02/27/0227fo317010.htx
Die Bush-Doktrin kommt
Debatte - Washington formuliert eine neue Außenpolitik: "Amerika zuerst" ist
nun die Leitschnur
Von Herbert Kremp
Die Meinung zu vertreten, dass die USA den Irak nicht angreifen, weil die
internationalen Risiken zu groß sind, wird immer riskanter. Washington ist
entschlossen, der Abwendung aller Gefahren von den Vereinigten Staaten
fundamentale Priorität zuzumessen. Dies ergibt sich aus dem Rohentwurf einer
neuen außenpolitischen Konzeption, die am Potomac zirkuliert und wohl in
absehbarer Zeit das Licht der Öffentlichkeit erblicken wird.
Die Bush-Doktrin bildet einen historischen Einschnitt. Sie verändert die
Rangfolgen in der Außenpolitik. Sie schließt sogar den Einsatz von
Atomwaffen nicht aus, sollten andere Mittel, die terroristische Gefahr in
Quelle und Kern zu treffen, sich als stumpf erweisen.
Die Bush-Doktrin ist noch nicht implementiert, aber sie ist formuliert. Sie
ist eine globale Doktrin der offensiven Verteidigung. Sie beurteilt alle
Staaten, selbst verbündete, unter dem einzigen Kriterium, ob sie bereit und
fähig sind, den Terrorismus mit allen Mitteln zu bekämpfen, "Seeräuberhäfen"
zu zerstören, die Proliferation von Massenvernichtungswaffen aktiv zu
unterbinden, der Al Qaida, deren Filitationen und anderen Terror-Gruppen
jede Tolerierung, Unterstützung und Logistik zu entziehen, eigene
Massenvernichtungsmittel unter strengster Kontrolle zu halten (Fall
Pakistan) und die Produktion derartiger Waffen einzustellen (Irak, Iran,
Nordkorea).
Sollten sich Staaten dieser Doktrin verweigern, müssen sie mit militärischen
Interventionen rechnen. Sollten sie nicht in der Lage sein, sie zu befolgen,
stehen sie fortan unter einer Art "Drogen"-Kontrolle. Sollten sie
Widerspruch einlegen, gelten sie als unzuverlässig, im Falle hartnäckigen
Widerspruchs als potentieller Feind.
Im Rohentwurf atmet die Bush-Doktrin äußerste Konsequenz. In dieser Form
implementiert, definiert sie den Begriff des Verbündeten neu. Bestehende
Allianz-Beziehungen werden ihrem Maßstab unterworfen. Weltpolitik wird neu
justiert.
Der Vorgang erinnert an 1947 und die folgenden Jahre des Kalten Krieges mit
der Sowjetunion. Mit drei Unterschieden: Die einzige Supermacht USA befindet
sich im heißen Krieg. Sie ist entschlossen, den Angriff auf ihr Territorium
und dessen weitere Bedrohung mit allen Mitteln zu beantworten. Neutralität
erkennt sie in diesem Konflikt nicht an. Es gibt nur zwei Positionen: Für
oder gegen die Vereinigten Staaten.
Eine Doktrin gleicht einem Arsenal von Waffen. Ihre Anwendung ist eine Frage
des strategischen "Augenblicks". Ist er gegeben, werden nicht gleich alle
Waffen zum Einsatz gebracht - es gibt grundsätzlich keine Zwangsläufigkeit.
Oft genügt auch das Vorzeigen der Folterwerkzeuge, um das politische Ziel
der Doktrin zu erreichen. Wird sie politisch gehandhabt, kann es Gründe
geben, die ihre militärische Anwendung blockieren, behindern oder nicht
ratsam erscheinen lassen. Ein Angriff auf den Irak mit dem diesmal
unbedingten Ziel der Beseitigung Saddam Husseins erscheint nach der Doktrin
sehr plausibel, angesichts unberechenbarer Folgen jedoch immer noch als
"last resort". Amerika ist Weltmacht, nicht Allmacht.
Zwischen 1947 und 1991 verfolgten die USA in der Entwicklung der
Truman-Doktrin drei Ziele: 1. Die Ausschaltung der Sowjetunion als
Weltmacht; 2. Gesamtdeutschlands konsolidierte Begrenzung; 3. Die Erhaltung
des US-Status einer "europäischen Macht" (Jim Baker in der Rede über den
"Neuen Atlantizismus" in Berlin 1989). Alle Ziele wurden erreicht, das
letzte mit der Nato-Ausweitung, die Clinton seit 1994 einleitete.
Die Bush-Doktrin wird sich in ihrer Entwicklung nicht auf die Beseitigung
der terroristischen Untergrundmächte und ihrer Helfer beschränken. Ihre
konsequente Verfolgung impliziert die Ausweitung in drei Richtungen:
- Kontrolle der vorder- und zentralasiatischen Transferstaaten vom Kaukasus
bis zum Hindukusch;
- Verhinderung der islamistischen Machtergreifung in Saudi-Arabien;
- Konzentration des Interesses auf den Iran, Indien und China, wo neue
Macht-Agglomerationen entstehen.
Zehn Jahre nach dem Kalten Krieg, ausgelöst durch die Aktionen des
organisierten Terrorismus gegen die USA, schlägt die Differenz zwischen den
politischen Kulturen Amerikas und Europas durch. Bush folgt mit seiner
offensiven Defensiv-Strategie, mit Drohungen und Kampfbegriffen ("Achse des
Bösen") Weltmachtregeln, die im Kern altbewährt sind, im intellektuellen
Diskurs indes als archaisch gelten. Europa, zögerlich in der Einsicht
terroristischer Global-Gefahr, hängt emotional an der "Irreversibilität" der
Friedens-Entwicklung (Genscher-Linie) wie an einem geistigen Tropf. Damit
gerät es in die Gefahr, vom amerikanischen Radarschirm zu verschwinden.
Das Verteidigungsbündnis gegen die Sowjetunion als aktiver Exponent des
Weltkommunismus beruhte auf Konsens und schuf die scharfe politische
Definition des "Westens". Die Selbstverteidigung der USA gegen den
Terrorismus sucht Solidarität über den Westen hinaus, unterwirft die gesamte
Staatenwelt ihrem politisch-militärischen Diktum und operiert mit
Koalitionen im jeweiligen Konfliktgebiet. Der Westen und seine Allianz
ordnet sich ein oder zerfällt.
Als globale Strategie antwortet die Bush-Doktrin auf eine reale Weltgefahr.
Sie enthält zwangsläufig provokative Elemente. Sie diktiert einen
Verhaltenskodex am Rande der Unterwerfung. Sie steht unter
Hegemonie-Verdacht.
Dass der Terrorismus eine Welt-Gefahr darstellt, wird "grundsätzlich" nicht
bestritten. Gegen die Konsequenz jedoch, die Freund-Feind-Teilung der Welt,
wird sich Widerstand erheben. Zentren werden Russland und China sein. Europa
nimmt die unsichere Mitte ein.
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