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[infowar.de] Deutschland beschafft Spionagesatelliten SAR-Lupe
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Frankfurter Rundschau 9.4.2002
Deutsche Spione am Himmel
Berlin lässt fünf militärische Radar-Satelliten bauen / Verdächtige
Objekte werden mit einer "Lupe" vergrößert
Von Anatol Johansen
Anfang der sechziger Jahre bekam der damalige Kreml-Chef Nikita
Chruschtschow einen Tobsuchtsanfall. Er werde sich nicht gefallen
lassen, brüllte er, dass ihm die Amerikaner "ins Schlafzimmer schauen".
Anlass seiner Schimpfkanonade waren seinerzeit die ersten
Aufklärungssatelliten, die alles aufnahmen, was das
US-Verteidigungsministerium interessierte - von Startrampen für
Interkontinentalraketen bis hin zum Stapellauf sowjetischer
Atom-U-Boote. Die lautstark vorgetragenen Beschwerden verstummten erst
später, als Russland selbst in der Lage war, derartige Himmelsspione
aufsteigen zu lassen.
Die europäischen Militärs waren damals im Weltraum noch blind. Später
starteten die Franzosen ihren Aufklärungssatelliten Helios, der
allerdings nur im sichtbaren Bereich arbeitete und daher immer auf
Tageslicht angewiesen war. Die Amerikaner und Russen aber hatten
inzwischen bereits Radar-Satelliten in Betrieb, die auch bei dichter
Wolkendecke oder nachts ihre Bilder machen konnten.
Paris hatte gehofft, dass die deutsche Seite die europäische
Aufklärungskapazität mit einem Radar-Satelliten komplettieren würde.
Doch nachdem sich herausgestellt hatte, dass ein solches Gerät rund zwei
Milliarden Euro verschlingen würde, wurde Bonn die Sache zu teuer. 1997
wurde der Traum des europäischen Weltraumaufklärungssystems begraben -
sehr zum Leidwesen der Franzosen.
Paris gibt inzwischen seine Aufklärungsfotos in Konfliktfällen wie am
Golf, in Jugoslawien oder auch in Afghanistan - genau wie Washington -
durchaus nicht sofort oder unzensiert an Deutschland weiter. Kein
Wunder, da Frankreich schon das Helios-Programm weit mehr als eine halbe
Milliarde Euro gekostet hat. Bei schlechtem Wetter oder nachts gibt es
allerdings auch für Frankreich - sowie die anderen Staaten Europas -
immer noch keine eigene Aufklärungskapazität. Das soll sich bald ändern.
Denn zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik hat man ein
deutsches militärisches Satellitenprogramm auf Kiel gelegt.
Schon 1998, nach dem Scheitern des teuren
Horus-Radarsatelliten-Programms, waren dazu zwei Studien unter dem
Projektnamen SAR-Lupe (Synthetic Aperture Radar-Lupe) vom
Verteidigungsministerium an die Dornier Satellitensysteme in
Friedrichshafen (heute aufgegangen im europäischen Astrium-Konsortium)
und OHB-System (Bremen) vergeben worden. Sie sollten Aufschluss darüber
bringen, ob es nicht möglich sei, die Schlechtwetter- und
Nachtaufklärung statt mit tonnenschweren Satelliten wie dem geplanten
deutschen Horus auch mit kostengünstigen Radarsatelliten zu unternehmen.
Die Antwort ist positiv ausgefallen. Das Bundesamt für Wehrtechnik und
Beschaffung (BWB) gab allerdings nicht Astrium den Zuschlag, sondern dem
Bremer Raumfahrtunternehmen OHB. Der Posten SAR-Lupe wurde in den
Bundeshaushalt für 2002 eingerückt, der Haushalts- und
Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages stimmte zu. Bei OHB
spricht man von insgesamt fünf Satelliten. Sie werden nicht rund fünf
Tonnen wiegen wie der einstmals geplante Horus, sondern nur je etwa 700
Kilogramm. Sie sind technologisch allerdings auch nicht ganz so
anspruchsvoll. So werden die SAR-Lupe-Satelliten unter anderem nicht
über "aktive" Radar-Antennen verfügen, die sich selbstständig auf ihre
Ziele hin ausrichten könnten. Stattdessen wird bei ihnen im Bedarfsfall
der gesamte Satellit geschwenkt.
Ihre große Besonderheit liegt in der zweiten Hälfte ihres Namens. Denn
diese Satelliten werden in der Lage sein, ein relativ großes Gebiet mit
ihrem Radar abzutasten und dann - wenn sie dabei ein verdächtiges Objekt
ausmachen - auf diesen Gegenstand wie mit einer Lupe zu zoomen und ihn
damit quasi heranzuziehen. Dabei liegt die Auflösung unter einem Meter.
Das heißt, nur ein Meter große Objekte können vom Radar noch abgebildet
werden. Das ist eine erstaunliche Leistungsfähigkeit, die bis vor
einiger Zeit nur im sichtbaren Bereich mit regulären Fotos zu erzielen
war, keineswegs aber mit Radar-Abbildungen.
Obendrein sind die kleinen Himmelsspione auch noch preiswert. Hätte es
der große Radarsatellit Horus auf bis zu fünf Milliarden Mark gebracht,
sollen die fünf kleinen SAR-Lupen insgesamt nur etwa 300 Millionen Euro
kosten.
Dabei ist das Radar-Zoomen, so heißt es bei OHB System, eine deutsche
Entwicklung. Selbst die Amerikaner hätten bis heute keine
Aufklärungssatelliten mit einem Radar-Zoom. Allerdings wird es auch hier
zu Lande noch einige Zeit dauern, bis die neuartigen Satelliten zur
Verfügung stehen. Ab 2005 könnte nach den derzeitigen Planungen alle
sechs Monate ein SAR-Lupe-Satellit gestartet werden.
Astrium hatte heftig gegen die Entscheidung des BWB in Sachen SAR-Lupe
protestiert. OHB habe von nah und fern die billigsten Unterauftragnehmer
herangeholt, so dass die zu bauenden Satelliten zu weniger als 50
Prozent aus deutscher Produktion stammten.
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