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[infowar.de] In Russland gedeiht die Sorge vor subliminaler Werbung
Infowar.de, http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
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Aehnliche Sorgen treiben den russischen Sicherheitsapparat schon laenger
im Kontext der Infowar-Debatte um. Andererseits arbeiten sie z.T. selber
an solchen Systemen.
RB
http://www.telepolis.de/deutsch/special/auf/12809/1.html
In Russland gedeiht die Sorge vor subliminaler Werbung
Florian Rötzer 28.06.2002
Die Angst vor der Manipulation durch Medien über das Bewusstsein
unterlaufende Botschaften stammt aus den Zeiten des Kalten Kriegs und
könnte sich einer neuen Konjunktur erfreuen
Die Faszination an und die Angst vor subluminalen, also nicht bewusst
wahrnehmbaren Botschaften, die in Medieninhalten versteckt werden, um
Menschen heimlich zu beeinflussen, stammt aus der Zeit des Kalten
Kriegs, als auch die Macht der Geheimdienste groß war. Während in den
USA, wo der CIA wirkt, der Verdacht auf versteckte Botschaften nach dem
11.9. in etwas veränderter Form wieder aufkam ( [1]Benutzen Terroristen
versteckte Botschaften?), scheinen russische Politiker, geprägt vom
Wirken des KGB, geradezu einen Totalverdacht vornehmlich gegen das
Fernsehen zu entwickeln.
Auch wenn es Vermutungen über die Wirkung von nicht bewusst
wahrgenommenen Eindrücken schon länger gibt und diese im Rahmen der
Reaktionen auf Reize auch tatsächlich eine Rolle spielen, brach die
Manipulationsdebatte über subliminale Botschaften zur gezielten
Beeinflussung von Menschen erst in den 60er Jahren wirklich durch. 1957
hatte James Vicary, ein Marktforscher behauptet, dass viel mehr
Coca-Cola und Popcorn bei einem Experiment in einem Kino verkauft
worden seien, nachdem dort in einem Film wiederholt für den Bruchteil
einer Sekunde die Sätze "Drink Coca-Cola" und "Eat Popcorn" für die
Zuschauer unbemerkbar aufblitzten.
Die Reaktionen lösten eine richtiggehende Hysterie aus. Die Angst vor
den Machenschaften aus dem damaligen Reich des Bösen und den eigenen
Geheimdiensten, die alles Mögliche anstellten und wie der CIA natürlich
auch Forschung über subluminale Botschaften betrieben, kam hier mit dem
unbedingten Fortschrittsglauben in Wissenschaft und Technik und den
Ängsten zusammen, die von den Massenmedien ausgingen, in deren Welt man
gerade erst wirklich eintauchte. Die Debatte über die Manipulierbarkeit
der Menschen ging bis zum Parlament. Abgeordnete ließen sich den Film
von Vicary vorführen, allerdings kam es damals nicht zu einem direkten
Verbot. Erst seit 1974 kann die FCC einschreiten, da sublimale Werbung
unabhängig von der tatsächlichen Wirksamkeit als Täuschungsversuch
gilt.
"Subliminal Programming. We sometimes receive complaints regarding
the alleged use of subliminal techniques in radio and TV programming.
Subliminal programming is designed to be perceived on a subconscious
level only. Regardless of whether it is effective, the use of
subliminal perception is inconsistent with a station's obligation to
serve the public interest because the broadcast is intended to be
deceptive."
Ein Werbespot der Republikaner im US-Präsidentschaftswahlkampf
Pikanterweise räumte Vicary einige Jahre später ein, dass sein
Experiment nicht mehr als ein Gag war. Das allerdings kam schon zu
spät, um die Faszination an und die Ängste vor den subliminalen
Botschaften wieder aus der Welt zu schaffen. Obgleich es bislang keine
empirischen Nachweise für deren Wirkung gibt, glauben noch immer viele
Menschen daran und versuchen andere, den Glauben an die
Manipulierbarkeit zu Geld zu machen, indem sie Produkte mit "guten"
subliminalen Botschaften anbieten, um das Selbstbewusstsein zu
steigern, Ängste zu vertreiben oder eine Sucht aufzulösen.
Beim letzten US-Präsidentschaftswahlkampf wurde allerdings das Thema
kurzzeitig wieder hochgespült, nachdem Mitarbeiter von Al Gore in einem
Werbespot der Republikaner gegen den Präsidentschaftskandidaten der
Demokraten im Sommer 2000 entdeckt hatten, dass dort kurz "RATS"
(Ratten) aufblitzte ( [2]Unterschwellige Werbung im amerikanischen
Präsidentschaftswahlkampf?). Die Federal Communications Commission (
[3]FCC) hatte im März des letzten Jahrs allerdings endgültig
[4]abgelehnt, den Vorfall näher zu untersuchen. Die meisten der Sender,
die den Spot ausgestrahlt hatten, gaben an, nichts von der Botschaft
gewusst zu haben, ein paar, denen es aufgefallen war, sagten, sie
hätten das Wort lesen können, weswegen sie annahmen, es habe sich eben
nicht um eine subliminale Botschaft gehandelt. Etwas seltsam freilich
ist die Begründung für die Einstellung der Überprüfung, weil 90 Prozent
der befragten Fernsehsender "nicht einmal das Wort RATS bemerkt hatten,
bevor sie den Spot gebracht hatten".
Bleibe sitzen und schaue nur ATN
In Russland geht man freilich härter zur Sache. Dort wird nicht nur
Alkoholsucht mit dem "Codieren" des Gehirns durch Botschaften bekämpft,
sondern veröffentlichte beispielsweise auch die neue Prawda letztes
Jahr einen langen [5]Artikel eines gewissen John Fleming über all die
außerordentlichen Dinge, die man mit Überwachungssatelliten machen
könne. Nichts könne den Augen aus dem All mehr entgehen, mit denen man
auch Gespräche abhören, elektronische Instrumente wie Lampen aus der
Ferne manipulieren, Menscher mit der Hilfe eines Laserstrahls töten
oder den Geist eines Menschen "lesen" könne. Auch aus dem All bedrohen
uns nach diesem wilden Schreiber bereits subliminale auditive
Botschaften, mit denen Menschen dazu gebracht werden können, egal ob
sie schlafen oder wach sind, etwas zu machen. Auf jeden Fall wurde in
Russland im Sommer 2000 der im sibirischen Yekaterinburg ansässige
Sender Avtorskiye Televisionniye Novosti, kurz: ATN, dicht gemacht,
weil er immer wieder schnell die Botschaft hatte aufblitzen lassen:
"Bleib sitzen und schaue nur ATN an." Ob sich daraufhin die Zahl der
Zuschauer auffällig vermehrt hatte oder diese süchtig vor dem Fernseher
klebten, interessierte in dem Fall nicht. Der für die Medien zuständige
Minister Michail Seslavinsky schloss kurzerhand Sender ( [6]Subliminale
Werbung - die geheime Verführung?).
"Gefährliche Programme" in vielen russischen TV-Sendungen
Vielleicht sind die Politiker dadurch erst wirklich auf den Geschmack
gekommen - oder man glaubt in Russland eifrig an die Wirksamkeit
solcher subliminaler Botschaften, die bislang offensichtlich vor allem
bei den Fernsehsendern vermutet werden. Wie Moscow Times [7]berichtete,
hat Valery Sirazhenko, die für die Presse zuständige Staatssekretärin,
nach einem Treffen von Mitarbeitern des Presseministeriums mit dem
Kartellamt "einige Fernsehsender" gewarnt, von denen man wisse, das sie
"subliminale Werbung" senden: "Es ist ein nachgewiesener Sachverhalt,
dass einige Fernsehsender subliminale Aufnahmen verwenden."
Das sei zwar schwierig zu entdecken, soll Sirazhenko gesagt haben.
Deswegen habe man dies bislang auch nur dem oben erwähnten
Fernsehsender nachweisen können. Damals habe man das Gesamtrussische
Wissenschaftliche Institut für Fersnehen und Radio ( [8]VNIITR)
eingeschaltet, das zu dem Schluss gekommen sei, ATN beeinflusse die
Zuschauer psychologisch negativ. Seitdem aber sei man technisch weiter
gekommen und könne bald solche verbotenen Sendungen erkennen.
So hat Svetlana Nemtsova Moscow Times gesagt, dass man bald ein
Computersystem entwickelt habe, um gleichzeitig alle Fernsehsender zu
überwachen. "Verdächtige Bilder" würden automatisch in einer Datei
gespeichert, um sie später genauer überprüfen zu können. Auch sie
scheint der Meinung zu sein, dass viele Agenturen subliminale
Botschaften in den Bildern verstecken: "Viele Sender strahlen sehr
gefährliche Programme aus." Rechtlich aber könne man noch nicht
wirklich dagegen vorgehe, da Artikel 4 des Gesetzes für Massenmedien
nur die Verwendung von Bildern verbiete, die "gesundheitsschädlich"
sind, ohne dies näher zu definieren.
Kartellminister Ilya Yuzhanov erklärte, dass mit der Zunahme der
Werbung in den Massenmedien auch die Verstöße mehr werden, weswegen ein
neues Gesetz für die Werbung notwendig sei. Meist handelt es sich bei
den Verstößen um die Verwendung von Bildern von Kindern, die für Banken
oder Bier werben sollen oder in gefährlichen Situationen, aber auch mit
mangelndem Respekt gegenüber den Eltern gezeigt würden. Er erwähnte
auch, dass Fernsehstationen manche Werbespots lauter ausstrahlen
würden, was man aber nicht verhindern könne.
Kontrolle der Medien
Ob das Vorgehen gegen subliminale Botschaften in der Fernsehwerbung
eine genuine Sorge ist oder möglicherweise allgemein ein Misstrauen
gegenüber den medialen Manipulationsmöglichkeiten zum Ausdruck bringt,
muss offen gelassen werden. Politisch wird jedenfalls von der
russischen Regierung versucht, die Medien zu kontrollieren und
unabhängige Sender wie NTV oder TV-6 auszuschalten, was wiederum die
Angst vor Manipulation in der Bevölkerung schüren könnte ( [9]Keine
Revolte). Gerade erst wurde ein Geheimdienstoffizier des
KGB-Nachfolgers FSB zum Direktor des Gesamtrussischen Fernseh- und
Radiounternehmens (VGTRK) ernannt, das für "Informationssicherheit"
zuständig ist. General Kobaladze vom Auslandsgeheimdienst wurde bereits
zuvor zum stellvertretenden Direktor der offiziellen Nachrichtenagentur
ITAR-TASS ernannt, General Vladimir Kozlov vom FSB zum
stellvertretenden Medienminister. Auf dem Tisch liegt auch ein neues
Gesetz, mit dem der Extremismus bekämpft werden soll. Es hat bereits
die erste und die zweite Lesung in der Duma mit großer Mehrheit
passiert. Man [10]erwartet, dass es auf Druck des russischen
Präsidenten schon im Sommer verabschiedet werden kann. Dann könnten
Behörden nicht nur Parteien oder Organisationen verbieten, die des
Extremismus verdächtigt werden, sondern auch Zeitungen, Fernsehsender
oder Websites schließen, die extremistische Ideen verbreiten. Überdies
soll eine Behörde eingerichtet werden, dei Informationen über
verdächtige Extremisten sammelt.
Auch wenn es heißt, dass davon das "Vertreten legitimer Rechte und
Freiheiten" nicht behindert werden darf, ist für Kritiker die
Definition des Extremismus viel zu ungenau, unter die fast jede
politische oder religiöse Aktivität fallen könne. Als Extremismus gilt
jede Tätigkeit, die darauf abzielt, die bestehende Ordnung zu stürzen,
die den Rassenhass fördert oder "die legitime Arbeit der Behörden
behindert".
Links
[1] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/info/11005/1.html
[2] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/auf/8712/1.html
[3] http://www.fcc.gov/
[4] http://ftp.fcc.gov/Speeches/Tristani/Statements/2001/stgt123.html
[5] http://english.pravda.ru/main/2001/07/14/10131.html
[6] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/auf/8575/1.html
[7] http://www.moscowtimes.ru/stories/2002/06/26/002.html
[8] http://www.vniitr.com/
[9] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/on/12557/1.html
[10] http://www.csmonitor.com/2002/0621/p09s01-woeu.html
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