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[infowar.de] Reality-Show - Killen am Keyboard
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Reality-Show ? Killen am Keyboard
In den USA stehen Militärs und Geheimdienste bei Software-Erfinder
Schlange
Von René Heilig
Morden wird immer mehr anonym. In Vietnam flogen die B52 so hoch, dass
die Piloten ihre Ziele nicht sehen mussten. In Jugoslawien übernahmen
Laser und TV-Kameras die Zielortung. In Afghanistan feuern unbemannte
Drohnen Raketen ab. Militärs befehlen, Roboter und Computer übernehmen
die Details.
Ohne Zweifel gehört Gilman Louie zu den erfolgreichsten Erfindern von
Computerspielen. »Tetris« ist weltweit ein Renner, und dass der
US-Kampfjet F16 heute theoretisch von jedermann beherrscht werden kann,
ist seinem »Falcon«-Flugsimulationsprogramm zu danken. Aus dem
fanatischen Software-Tüftler Louie ist inzwischen ein Direktor geworden.
In-Q-Tel heißt die Firma, und sie ist eine Art Tochterunternehmen der
CIA. Für die arbeitet Louie inzwischen, denn auf dem Sicherheitssektor
lässt sich allerlei verdienen. Gerade nach dem 11. September vergangenen
Jahres. Auch das US-Militär kann gar nicht genug bekommen von den
Segnungen der Elektronik. Auf der im Frühjahr in Las Vegas
organisierten, weltgrößten Elektronikmesse hatte der In-Q-Tel-Chef
Einkäufer der Dienste und der Streitkräfte zum lockeren Gespräch
eingeladen. Es habe nur Salzstangen und Limonade gegeben, doch die Kerle
wollten und wollten nicht wieder gehen, berichtete Louie hinterher. Und
die Software-Branche ist überglücklich, nach den Einbrüchen auf dem
Internetsektor wieder neue Geschäfte zu machen. Zudem solche, die
langfristig abgesichert und nicht selten auch staatlich vorfinanziert
sind. Die VDI-Nachrichten meinen, dass der IT-Sektor in den USA in den
kommenden drei Jahren mit rund 62 Milliarden Dollar von den Diensten und
den Militärs rechnen kann. Bushs diesjähriger gigantischer
Rüstungshaushalt von 379 Milliarden US-Dollar macht so einiges möglich
auf dem Markt der Informationstechnik.
Dabei zeigt sich, dass der Innovationsschub nun aus einer anderen
Richtung kommt. War es zu Zeiten des Kalten Krieges noch so, dass zivile
Anwender von den technischen Lösungen der Militärs profitierten, so
kehrte sich dieses Verhältnis inzwischen um.
Man spricht von den großen 4 »C« ? Command, Controll, Communication,
Computer. Ein Beispiel sind die so genannten Drohnen. Während des
Golfkrieges flogen sie vereinzelt GPS-gesteuert Aufklärung, über
Jugoslawien zählte man bereits über 50 Predator-Einsätze, in Afghanistan
feuerten diese unbemannten Kleinflugzeuge bereits Hellfire-Raketen durch
Fenster. Auf der ILA in Berlin war jüngst das deutsch-US-amerikanische
»Global Hawk«-System ausgestellt, das eine interkontinentale Reichweite
sowie eine Flugdauer von 42 Stunden haben soll.
In Zukunft wird man Hightech-Kriege über tausende Kilometer Entfernung
an einer Konsole führen können. Keine Frage, dass dabei die
Angriffsschwelle weitaus niedriger ist als in konventionellen
Schlachten, in denen auch das Blut der Eigenen fließt. Die Bürger
bekommen von all dem Morden noch weniger mit ? sie sehen nur das, was
sie sehen sollen. Dabei muss man künftig nicht mehr so rüde mit allzu
neugierigen Journalisten umgehen. Und auch solche vorsintflutlichen
Journalisten-Trainings-Camps, wie sie Scharping betreibt, werden
überflüssig. Denn die Presse wird selbstverständlich ebenfalls über
tausende Kilometer hinweg in Echtzeit informiert. Auf Wunsch vielleicht
sogar in ihren heimischen TV-Studios und Redaktionen. Schon entwickeln
Mitarbeiter des MIT-Media-Lab eine Art Presse-Roboter, der gleich einem
ferngesteuerten Mars-Mobil Daten sammelt und überträgt. Die Erfinder
preisen ihren »Afghan Explorer« als friedensstiftend. Kritiker jedoch
fragen: Bilder, Töne und andere Informationen vom Kriegsschauplatz »so
weit weg wie der Mars« ? was könnte emotionsloser betrachtet und
kommentiert werden?!
Doch ganz ohne Killer vor Ort wird es auch künftig nicht gehen. Uncle
Sam braucht Rekruten, clevere Rekruten. Und die formt man nicht erst
hinterm Kasernentor. Daher hat man »American?s Army«, ein
»First-Person-Shooter-Game« erfinden lassen. Es soll vor allem 17- bis
24-Jährige auf den »Geschmack« bringen.
Was da auf dem Bildschirm simuliert wird, würde hier zu Lande
Proteststürme erzeugen. Vor allem nach den Ereignissen am Erfurter
Gutenberg-Gymnasium. In den USA jedoch stuften Jugendschützer das Spiel
als geeignet ein. Denn im Gegensatz zu sonstigen Horror- oder
Monsterspielen hat man auf spritzendes Blut verzichtet. »American?s
Army« ist ein Rollenspiel. Natürlich kann man als guter
US-amerikanischer Boy (oder patriotisches Girl) nur auf Seiten der
»Guten« kämpfen. Nachdem man sich in einer PC-Trainingsphase ? gleich
der Rekrutenausbildung ? qualifiziert hat, wird man in ein Team von
US-Elitekämpfern aufgenommen, die gegen das »Böse«, also Terroristen,
antreten. Alles ist wie im richtigen (US-amerikanischen) Leben. Die
»Guten« haben M16 Sturmgewehre, die »Bösen« ballern mit »Kalaschnikows«,
die »Guten« sind fair, die »Bösen« hinterlistig. Trotzdem: Keiner, der
das Spiel startet, zweifelt daran: Das »Gute« siegt. Gemeuchelt werden
nur Anstand und Gewissen ? staatlich gewollt.
(ND 11.07.02)
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