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[infowar.de] Russland schliesst Abhörstation "Lourdes" auf Kuba



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http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/co/13330/1.html 

Relikt aus alten Zeiten
 
 Harald Neuber   03.10.2002 
 
Nach einem halben Jahr ist der Abbau der größten russischen 
Abhörstation "Lourdes" auf Kuba abgeschlossen, im Karibikstaat spricht 
man von einer weiten Oktoberkrise 
 
Stillschweigend und ohne einen offiziellen Abschiedsakt haben 
russische Techniker und Militärs auf Kuba den Abbau des "Zentrums für 
elektronische Operationen" auf Kuba abgeschlossen. Besser bekannt unter 
dem Namen "Lourdes" hatte dieser größte militärische Stützpunkt 
außerhalb des nationalen Territoriums zunächst die Sowjetunion und dann 
Russland mit mehr drei Viertel der geheimdienstlichen Daten über die 
USA versorgt. 
 
Die [1]Entscheidung über die Schließung der Abhöranlage war eine 
außergewöhnliche Konzession Moskaus an den ehemaligen Kontrahenten im 
Kalten Krieg. Nur wenige Stunden vor dem Treffen mit US-Präsident 
George W. Bush hatte sein russischer Amtskollege Wladimir Putin den 
Schritt im Oktober 2001 publik gemacht, um mit einem Vorteil in die 
Verhandlungen zu gehen. Eher unfreiwillig kam so die Parallele zur 
Oktoberkrise zustande, bei der Moskau im gleichen Monat 1962 die 
Entscheidung über einen strategischen Rückzug von der Karibikinsel 
traf, ohne Havanna zu informieren. Die Auswirkungen auf Kuba aber sind 
in beiden Fällen offensichtlich. 
 
Der Bau der Basis in Lourdes markierte 1964 den Wendepunkt in den 
abgekühlten Beziehungen zwischen Moskau und Havanna. Die sozialistische 
Regierung drängte nach der Oktoberkrise zwei Jahre zuvor auf die 
militärische und geheimdienstliche Hilfestellung des "großen Bruders" 
weil in diesen ersten Jahren nach der Revolution die Gefahr einer 
Invasion der USA nicht von der Hand zu weisen war. Bis Anfang der 
siebziger Jahre waren die militärischen Einrichtungen fast vollständig 
ausgebaut, die insgesamt zweitausend sowjetische Militärs samt ihrer 
Familien beherbergten. Auch wenn das Personal nach dem Zerfall der 
Sowjetunion merklich reduziert wurde, blieb die Basis als Zeugnis von 
drei Jahrzehnten aktiver militärischer Kooperation zwischen Moskau und 
Havanna weiter bestehen. 
 
Noch bei dem [2]Staatsbesuch von Wladimir Putin auf Kuba im Dezember 
2000 wurde ein Ausbau der Anlage vereinbart, nachdem sie schon im Laufe 
der neunziger Jahre mehrmals modernisiert worden war. Offenbar hatte 
die russische Regierung entschieden, die Einrichtung ob der 
strategische günstigen Lage wenige Seemeilen vor der US-amerikanischen 
Ostküste auch weiterhin zu unterhalten. Nichts deutete zu diesem 
Zeitpunkt auf eine Schließung des Stützpunktes hin. Während die 
Entscheidung knapp ein Jahr später von politischen Gegnern Putins in 
Moskau als Anbiederung an Washington scharf kritisiert wurde, 
rechtfertigten Analysten aus dem Regierungslager den Schritt als 
Ausdruck einer pragmatischen Politik des Präsidenten. 
 
Der Richtungswechsel in Moskau ist umso erstaunlicher, als Putin bei 
seinem Besuch in Havanna während einer Pressekonferenz die 
vorhergehenden postsowjetischen Regierungen wegen ihrer 
Politikkorrektur gegenüber dem sozialistischen Inselstaat kritisiert 
hatte. "Ich bin bereit, diesen Fehler zu korrigieren", so Putin damals 
im Internationalen Pressezentrum Havannas. Kuba sei für sein Land als 
strategischer Partner in der zukünftigen Zusammenarbeit Lateinamerikas 
bedeutsam und werde "in den Planungen Moskaus daher berücksichtigt". 
Ein hochrangiger Regierungsberater aus der Delegation Putins erklärte 
zudem: "Wenn sie (die USA) sich weiterhin im Kaukasus, der Ukraine und 
Zentralasien einmischen, wird die Bedeutung von Kuba als unserem 
strategischen Partner wieder zunehmen." In einem Kommentar über die 
Annäherung zwischen Moskau und Havanna resümierte die russische 
Tageszeitung [3]Nezavisimaya Gazeta: "Die Tatsache, dass die USA als 
einzige Supermacht fortbesteht, bedeutet keineswegs, dass wir unsere 
Außenpolitik nach ihrem Gusto organisieren müssen." 
 
Offiziell wurde die Basis in Lourdes "aus ökonomischen Gründen" 
aufgelöst. Ein Vorwand, denn zu offensichtlich ist der Strategiewechsel 
in Moskau nach den Ereignissen vom 11. September 2001, der weit über 
eigene Interessen an einem weltweiten "Kampf gegen den Terrorismus" 
hinausgeht. Die Entscheidung über den Stützpunkt auf Kuba ist ein 
weiteres Indiz für den Machtgewinn einer Gruppe im Kreml, die schon 
seit längerem für eine Annäherung an Washington plädiert. Der Fall Kuba 
war dabei eines der größten Hindernisse, das nach der internen 
Niederlage Putins nun ausgeräumt scheint. 
 
Aber auch Kuba ist an der Entwicklung keineswegs unbeteiligt gewesen. 
Die Beziehungen zu Moskau waren hier spätestens seit der unnachgiebigen 
Haltung der russischen Regierung nach der Auflösung des "Rates für 
gegenseitige Wirtschaftshilfe" (RGW) Anfang der neunziger Jahre von 
Misstrauen geprägt. Damals verlor Kuba auf einen Schlag gut achtzig 
Prozent seines Außenhandels, schmerzlich waren vor allem die fehlenden 
Öllieferungen aus Russland. Darin schließlich liegt eine Hauptursache 
für die Emanzipierung vom ehemaligen Verbündeten. Putin war noch 2000 
mit der Hoffnung nach Havanna gereist, den Auftrag für den Auf- und 
Ausbau des brachliegenden Kernreaktors in Jaraguá zu erhalten. Dass der 
ausblieb, ist vor allem der fortgeschrittenen Zusammenarbeit des 
kubanischen Energiesektors mit Kanada und Frankreich geschuldet, der 
auf die Ausbeutung eigener Öl- und Gasressourcen im Golf von Mexiko 
abzielt. 
 
Schlechte Erfahrungen hatte Kuba mit den ehemaligen Verbündeten auch 
auf anderem Gebiet gemacht, als sich zu Beginn der neunziger Jahre die 
osteuropäischen Staaten und Russland von einem Tag auf den anderen aus 
dem Nickelbergbau im Osten der Insel zurückzogen. In einem langwierigen 
Prozess wurde dieser zentrale Wirtschaftszweig wieder aufgebaut. 
Staatliche Hilfe aus Russland blieb auch hierbei aus, auch wenn der 
Großteil der neuen Geschäftpartner russischer Herkunft sind. In beiden 
Fällen waren die Auswirkungen für die kubanische Wirtschaft 
katastrophal und haben bis heute ein tiefes Misstrauen gegenüber Moskau 
hinterlassen. 
 
Während russische Techniker in den vergangenen Monaten tonnenweise 
Gerät demontierten, machte sich die kubanische Seite daran, die 
Einrichtungen zu renovieren. Auf dem siebzig Quadratkilometer großen 
Territorium soll künftig ein großer Campus eingerichtet werden. 
Ausgebildet werden hier Informatiker. 
 
Harald Neuber, Havanna 
 
 Links 
 
 [1] http://www.fas.org/irp/imint/c80_04.htm
 [2] http://www.rrz.uni-hamburg.de/IIK/brennpkt/bpkextraVII.pdf
 [3] http://www.glas.apc.org/ng

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