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[infowar.de] FR 14.12.02: Die Schlacht um die richtigen Bilder



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Frankfurter Rundschau, 14.12.2002

Die Schlacht um die richtigen Bilder

Falls die USA einen Krieg gegen Irak beginnen, sollen Reporter von der 
Front berichten

Von Gerti Schön (New York)

Jahrzehntelang herrschte Kalter Krieg zwischen amerikanischen Reportern
und 
dem US-Militär. Nun will die Bush-Regierung offenbar mehr als eine 
friedliche Ko-Existenz schaffen: Das Pentagon kündigt an, es werde 
Hunderten von Journalisten und Fotografen in einem möglichen Krieg gegen 
Irak regelmäßig erlauben, die Truppen mit an die Front zu begleiten. Das 
berichtet die Los Angeles Times.

Offenbar möchte die Administration alles tun, um glaubwürdig zu wirken
und 
der zu erwartenden Propaganda von irakischer Seite etwas
entgegenzusetzen. 
"Wir sind überzeugt, je mehr Nachrichten und Informationen aus Irak
kommen, 
desto besser - sofern es zu einer Auseinandersetzung kommt", sagt 
Pentagon-Sprecherin Victoria Clarke. Die PR-Leute der US-Regierung
könnten 
im Ernstfall hundertmal beteuern, es gebe keine Opfer unter Zivilisten. 
"Aber es ist viel besser und glaubwürdiger, wenn die Medien das auf
Grund 
ihrer eigenen Erfahrung sagen."
Ein alter Konflikt

In der Vergangenheit war genau das der Streitpunkt zwischen Militärs und 
Presse: Journalisten beharrten darauf, mit zur Truppe vorzurücken; und
das 
Pentagon lehnte das regelmäßig ab, um die Soldaten nicht mit
öffentlichen 
Bildern und Beschreibungen zu gefährden. Viele Betroffene bewerten daher 
nun die Änderung der restriktiven Politik als Durchbruch. "Das ist eine 
enormer Umschwung", gibt Clark Hoyt, Reporter der Knight-Ridder-Blätter
in 
Washington, zu Protokoll. Sogar P. J. Crowley, ein früherer 
Pentagon-Sprecher der Clinton-Administration und gelegentlicher Kritiker 
der Regierung Bush, ließ sich zu einem Lob herab: "Es ist wichtig, dass
das 
Pentagon gleich zu Beginn eines Konflikts mit Irak ein positives Signal 
sendet", kommentiert er. "Aber jetzt kommt der schwierige Teil: das im 
Ernstfall auch umzusetzen."

Auch Rachel Cohen, Analystin der medienkritischen Organisation "Fair" in 
New York, nennt die Strategie eine "bemerkenswerte Umkehr" von der 
bisherigen Politik. Sie mahnt aber auch wie andere Beobachter zur
Vorsicht. 
Es kann ihrer Ansicht nach durchaus noch immer passieren, dass Reporter 
ihre Texte zunächst von Militärleuten genehmigen lassen müssen, bevor
sie 
veröffentlicht werden - ganz so, wie es im ersten Golf-Krieg gehandhabt 
wurde. Ob es jemals Live-Bilder von den Schlachtfeldern geben werde, sei 
zweifelhaft. Und ob das sinnvoll ist, das ist eine andere, ethische
Frage. 
"Ich wäre schockiert, wenn das passieren würde", sagt Cohen.

Es wäre nicht das erste Mal, dass Regierungsvertreter genau das
Gegenteil 
von dem tun, was sie in öffentlichen Stellungnahmen ankündigen. Als im 
vergangenen Jahr Pläne für ein "Office of Strategic Influence" bekannt 
wurden, das die ausländische Presse mit Falschinformationen verwirren 
sollte, folgte ein Sturm der Entrüstung. Angeblich stampfte die 
Administration die Pläne ein. Doch jüngst ließ Verteidigungsminister
Donald 
Rumsfeld nach "Fair"-Angaben öffentlich und ohne großes Echo verlauten, 
lediglich der Name der Behörde sei aufgegeben worden. "Also habe ich 
gesagt, na gut, wenn ihr es ruinieren wollt, fein, ich gebe euch die 
Leiche. Hier habt ihr den Namen. Ihr könnt den Namen haben, aber ich
werde 
jedes einzelne Ding, das getan werden muss, tun."

Rumsfelds trotzige Reaktion steht beispielhaft für die wechselhafte 
Geschichte zwischen Presse und Militär. Im Zweiten Weltkrieg konnten die 
Reporter ihre Arbeit noch problemlos erledigen. Nach Vietnam wurde ihnen 
dann der Zugang zu den Einsatzkräften erschwert. Die Journalisten
bekamen 
zu hören, sie hätten mit ihren negativen Berichten dazu beigetragen,
dass 
die amerikanische Öffentlichkeit sich gegen den Krieg wandte.
Die Lehren aus Vietnam

Der Tiefpunkt kam im Jahr 1983 mit der Invasion von Grenada unter Ronald 
Reagan. "Das Militär war auf der einen Insel - und die Presse auf einer 
anderen", erinnert P. J. Crowley. Er war lange Jahre in der Luftwaffe
tätig 
und auch bei der "Operation Wüstensturm" 1991 dabei. Mit Grenada wurde
das 
Konzept eines Medienpools eingeführt: Einige Reporter bekommen immerhin 
beschränkten Zugang zu den Militärs und müssen dafür ihre Information
mit 
anderen Journalisten teilen - eine Praxis, die auch 1991 konsequent und
zum 
Missmut der Presse durchgezogen wurde. Der erste Golf-Krieg war zudem
ein 
Höhepunkt der Zensur. Eine der Folgen: Erst nach den
Auseinandersetzungen 
wurde die Zahl der zivilen Opfer bekannt. Ähnlich restriktiv war die 
Politik im Afghanistan-Konflikt.

Vor diesem Hintergrund begrüßen zunächst alle Seiten die beabsichtigte 
Öffnung im Umgang mit der Presse. Kritiker wie Fair-Analystin Rachel
Cohen 
indes warnen: "Vielleicht ist einer der Gedanken der
Bush-Administration, 
dass ähnlich pathetische Heldenporträts über die Opferbereitschaft der 
Soldaten geschrieben werden wie im Zweiten Weltkrieg." Damals trugen die 
Reporter sogar die Uniform der US-Armee, was patriotische 
Zugehörigkeitsgefühle gefördert haben dürfte.

Egal, was das Pentagon beschließt: "Es hängt von den Medien selbst ab,
wie 
verantwortungsvoll sie berichten", fügt Cohen hinzu.

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