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[infowar.de] Spiegel Online zur geplanten Netzüberwachung in den USA (FIDNet 2.0)



Infowar.de, http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
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SPIEGEL ONLINE - 20. Dezember 2002, 15:57

http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,228168,00.html 

Web-Überwachung 

Spinne im Netz

Was die Bush-Regierung in dieser Woche als Teil ihres
Internet-Sicherheitskonzeptes vorlegte, klingt zunächst gut: Sie fordert
die Schaffung eines "Monitoring-Centers", in dem die Daten aller
Serviceprovider zusammenlaufen. Die aber befürchten Ungemach: Die Grenze
zur totalen Überwachung scheint fließend. 

Überwachung des E-Mail-Verkehrs, Liberalisierung der Abhörpraxis, Pläne
für ein nationales Spitzelprogramm - wann immer sich die Experten im neu
geschaffenen Department of Homeland Security um die nationale Sicherheit
Gedanken machen, laufen zunächst einmal Schockwellen durch die USA. 

Manches, wie das als Ehrenamt angedachte "Stasi"-Äquivalent, scheiterte.
Anderes, was vor zwei Jahren noch undenkbar gewesen wäre, kommt durch,
denn stets schlagen, ach!, zwei Herzen noch in der Brust des
vehementesten Bürgerrechtlers: Dass viele von der Bush-Regierung im
letzten Jahr auf den Weg gebrachte Gesetze Bürgerrechte empfindlich
einschränken, steht außer Frage. Dass dies im Interesse des
Staatsschutzes nötig sei, bezweifeln die meisten Amerikaner aber auch
nicht. 

Auch IT-Sicherheit ist dabei ein Stichwort, das seit dem 11. September
2001 noch an Wichtigkeit gewonnen hat: Seitdem konkretisiert sich auch
die Bedrohung durch einen so genannten Cyberwar. Der existiert bisher
zwar nur in den Köpfen von Fachleuten und Politikern, doch seine
Konsequenzen kann man sich nun weit konkreter vorstellen. Als mit dem
WTC auch die Netzwerke der Börse untergingen, verbrannten Milliarden. 

Das Schreckensszenario treibt viele Politiker in aller Welt um: Eine
gezielte Cyberattacke auf Finanzzentren könnte zur wirtschaftlichen
Katastrophe werden, eine auf militärische Nervenzentren eine ganze
Nation wehrlos machen. Nichts ist unmöglich, und die Denial of
Service-Attacken auf das Rootserver-System im letzten Monat machten
deutlich, wie wichtig eine Überwachung des Datenverkehres im Internet
geworden ist. "Wir haben niemanden, der den völligen Überblick hätte",
sagt dazu Tiffany Olsen, und die ist immerhin stellvertretende Leiterin
des präsidialen Beraterstabes in Sachen IT-Sicherheit. "Wenn etwas
passiert, bemerken wir das nicht, bis es zu spät ist". 

Das ist wahr 

Während die Symptome von Hackangriffen kaum zu übersehen sind, hat sich
noch niemand darauf spezialisiert, nach den Anzeichen für einen
drohenden Angriff Ausschau zu halten. Möglich ist das: Es verlangt nur
Veränderungen der bestehenden Netzstruktur. 

Die Bush-Administration hat im Rahmen ihrer Internet-Strategie für das
neue "Department of Homeland Security" einen Plan vorgelegt, der
klarmacht, wie sie sich das vorstellt: Alle Internet-Serviceprovider
hätten künftig den Datenverkehr zu beobachten und ihre Daten an eine
zentrale Meldestelle, das "National Network Operating Center", zu
melden. 

Da grüßt der Big Brother, und entsprechend verhalten fallen die
Reaktionen aus: Amerikas Provider befürchten, das bei einem solchen
Monitoring die Grenze zur Vollüberwachung fließend sei. Da fürchten die
Provider nicht nur um die Privatsphäre ihrer Kunden, sondern auch um
Haftungsfragen. Konsequenterweise lassen sich einige Großprovider
präventiv schon durch einen prominenten Anwalt gegenüber der Regierung
vertreten. Der argumentiert, dass zumindest alle Fragen in Richtung
Verletzung der Privatsphäre und Haftung dafür geklärt sein müssten,
bevor die Provider irgendetwas unternehmen. 

Tiffany Olson will das nicht gelten lassen. Die Art der Daten, die die
Regierung über die Provider sammeln wolle, müsste eine Überwachung "auf
der individuellen Ebene nicht notwendigerweise" ermöglichen. 

Das ist diffus, und das wohl auch absichtlich 

Denn natürlich weiß Olson, das die Provider längst dazu verpflichtet
sind, Ermittlungsbehörden Zugang zum Datenverkehr auch individueller
Kunden zu ermöglichen, mehr noch: diesen Datenverkehr präventiv und
prinzipiell für eine bestimmte Zeit zu dokumentieren und archivieren -
ganz so wie in der EU und seit langem in Deutschland. 

Diese Form der Kommunikationsüberwachung aber ist zumindest an einen
konkreten Tatverdacht gebunden: Erst muss - je nach Land - ein Richter
oder zumindest Staatsanwalt die Genehmigung zur Überwachung geben. Das
würde sich beim allgemeinen Monitoring ändern. 

Denn anonymisiert oder nicht: Datenverkehr würde erfasst. Ergäbe sich
aus dieser grundsätzlichen Überwachung ein Verdachtsmoment, stünden den
Ermittlungsbehörden alle Möglichkeiten offen, die allgemeine in eine
spezifische Überwachung übergehen zu lassen. 

Genau das wird von Industrievertretern kritisiert, und selbst innerhalb
der Administration kaum anders gesehen: In der "New York Times" verglich
ein Angestellter eines großen Providers, der namentlich nicht genannt
werden wollte, das vorgeschlagene System mit dem skandalumwitterten
FBI-Abhörsystem Carnivore: "Es ist nur zehnmal schlimmer". 

Als der offiziell als "Vorschlag" eingebrachte Plan erstmals im
September öffentlich wurde, klang alles halb so schlimm: Da gingen auch
Industrievertreter noch davon aus, dass das Monitoring-Center in
Selbstverwaltung von der Industrie betrieben werden sollte. Inzwischen
wurde eine staatliche Behörde daraus - so will das der Plan. Der jedoch
ist längst nicht in trockenen Tüchern. Was er nicht enthält, sind
Vorschläge, wie das angedachte Monitoring-Center überwacht und
gesetzlich eingeschränkt werden müsste. Die Diskussion darum hat nun
begonnen.

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