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[infowar.de] LIFE @ War - "...wie die Kriegsberichtserstattung sich geändert hat"



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http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/buch/13804/1.html 

LIFE @ War

Christian Gapp   26.12.2002 

Eine jüngst veröffentlichte "illustrierte Geschichte des US-Militärs" 
lässt erkennen, wie die Kriegsberichtserstattung sich geändert hat 

Anlässlich des 200jährigen Bestehens der US-amerikanischen 
Militärakademie West Point hat die zu AOL Time Warner gehörende 
Time-Life Inc. unter ihrem berühmten Label "LIFE" eine "illustrierte 
Geschichte des US-Militärs" heraus gebracht: The Power and the 
Glory [1]. Ein Vergleich mit dem vor 25 Jahren erschienenen Buch "LIFE 
im Krieg" macht deutlich, wie sich die Zeiten geändert haben. 

Die Zeitschrift LIFE lebt nicht mehr. Sie hat allerdings schon das 
Kunststück vollbracht, zweimal zu sterben. Gestartet war sie 1936, 
wuchs schnell heran zu einer der größten Illustrierten überhaupt, 
erlebte ihr letztes Hoch während des Vietnamkrieges, um dann der 
Konkurrenz des Fernsehens zu unterliegen. "Während wir unsere Filme 
noch entwickeln, hat das Fernsehen schon gesendet", so lautet die oft 
kolportierte Frustformel damaliger Bildberichterstatter. 

Ende Dezember 1972 verschwand LIFE vom Markt, fast zeitgleich mit dem 
endgültigen Abzug der amerikanischen Bodentruppen aus Vietnam. LIFE war 
in der Time-Life Inc. aufgegangen und so erschienen auch nach dem Ende 
weiterhin Bücher mit dem alten Label. In den achtziger Jahren erfuhr 
LIFE als Monatszeitschrift einen Relaunch. Jetzt wurden zeitlose Themen 
behandelt, jenseits der Tagesaktualität. Diese Nische war allerdings 
durch das übermächtige National Geographic längst besetzt, und so kam 
das zweite Ende nicht wirklich überraschend. 

1977 erschien das Buch "LIFE im Krieg", ein großformatiger 
300-Seiten-Wälzer, der die Kriegsberichterstattung der Zeitschrift 
zusammenfasste (deutsche Ausgabe 1980). Die Einleitung startete mit dem 
bekannten Zitat Robert Capas: 

"Wenn deine Bilder nicht gut sind, bist du nicht nahe genug 
herangegangen."       

Eine Stärke des Buches war die Beschränkung auf das, was ursprünglich 
in LIFE publiziert worden war. Etwas penetrant war die Glorifizierung 
der Kriegsberichterstatter als Menschentypus, der zwar immer wieder am 
Sinn seines Tuns zweifelt, dann aber doch professionell bis heldenhaft 
seiner Aufgabe nachgeht, so wie Capa. 

Das Buch erschien zu einer Zeit, als es keine Kriege gab, über die in 
ähnlicher Weise hätte berichtet werden können wie über den 
Vietnamkrieg. Unter Reportern war und ist man sich weitgehend einig, 
dass die Bilder aus Vietnam den Protest in der Bevölkerung stimuliert 
und somit zum Rückzug der US-Army beigetragen haben. Es war "das 
Goldene Zeitalter des Fotojournalismus", so Wolfram Steinberg, Bildchef 
von Associated Press Deutschland [2], im letzten Mai auf dem Symposium 
"Digitales Bild - Bildung des Digitalen" der Deutschen Gesellschaft für 
Photographie [3]. 

Dass die Militärs dies genauso sahen und deshalb zukünftig mit 
Zensurbestrebungen zu rechnen sei, wurde vor 25 Jahren noch nicht 
diskutiert. Im Falklandkrieg zwischen dem Vereinigten Königreich und 
Argentinien exerzierte das britische Militär jedoch schon bald vor, wie 
Bilder militärkompatibel gesteuert werden können. 

Der Stern publizierte 1983 den Band "Bilder vom Krieg, 130 Jahre 
Kriegsfotografie - eine Anklage". Das Buch war ähnlich umfangreich wie 
"LIFE im Krieg" und durchweg in düsterem, schwarzweißem Layout 
gehalten. Immer wieder bezogen sich Texte und Bebilderung auf das zuvor 
erschienene Buch von LIFE, ohne es allerdings explizit zu nennen. Die 
Rolle der Kriegsfotografen wurde differenziert beschrieben, 
einschließlich der morbiden Attraktivität, die Kriege auf manche 
Reporter auszuüben scheinen. Während im LIFE-Buch ein dynamisch 
fotografierender Michael Rougier abgebildet war, sah man beim Stern das 
komplette Bild, Rougier zusammen mit John Dille auf einem Jeep. Zwei 
nackte Männer und drei Stahlhelme - "War is Fun". 

"The Power and the Glory" unterscheidet sich von dem älteren LIFE-Buch 
thematisch dadurch, dass es in ihm nicht um die Rolle des 
Kriegsberichterstatters geht. Die Einleitung stammt von Senator Bob 
Dole, der im April 1945 in Italien selbst schwer verwundet wurde, "a 
true American hero". Er beschäftigt sich allein mit der Geschichte der 
US-Streitkräfte und seinen persönlichen Erfahrungen. Zum Schluß zitiert 
er das West-Point-Motto "Duty-Honor-Country" und schließt mit den 
Worten: "After 200 years, the words have lost none of their magic. God 
Bless America." Ganz eindeutig: hier liegt ein Buch vor, das von 
Amerikanern für Amerikaner verfasst wurde. Auch dieser Tunnelblick 
unterscheidet es von seinem Vorgänger. Der Klappentext lässt Schlimmes 
ahnen. 

"Army. Navy. Marine Corps. Air Force. From the founding of the nation 
to the march through Afghanistan, they have preserved, protected and 
defended American liberty. Their gallantry is stirring to behold, as 
the pictures and stories in this book prove. ..."       

Innen geht es jedoch eher beschaulich zu. Keine 
Tschingderassabumm-Propaganda, allerdings auch nichts wirklich 
Kritisches. Das Engagement in Vietnam sei ein "Fehler", ein "Irrtum" 
gewesen. Nirgends fällt das Wort "NATO" oder andere Hinweise darauf, 
dass die USA Verbündete haben. Reine Nabelschau. 

Larry Burrows hat mit seinen Farbfotos die ästhetische Rezeption des 
Vietnamkrieges maßgeblich geprägt. Seine Bilder dürfen nicht fehlen, 
aber seine stärksten Bilder werden nicht gezeigt, wie etwa das der 
beiden verletzten, dreckverschmierten GIs, das für das "LIFE im 
Krieg"-Titelbild ausgewählt worden war. Die Auswahl "weicher Bilder" 
bricht eklatant mit der originären Tradition der Zeitschrift LIFE. In 
"LIFE im Krieg" war zu lesen, wie die Illustrierte 1938 auf 
Leserzuschriften reagiert hatte, in denen die Publikation von Bildern 
von Toten aus dem Spanischen Bürgerkrieg moniert worden war: 

"LIFE kann die Bilder von diesen Ereignissen nicht ignorieren oder 
unterdrücken. Sie haben als Ereignis ihre eigene Autorität, die 
schwerer wiegt als alle taktischen Erwägungen eines Chefredakteurs und 
alle Empfindlichkeiten seiner Leser."       

Aus Afghanistan sind in dem neuen Buch nur zwei Bilder zu sehen: eine 
Transportflugzeug beim Start und der leere Laderaum eines Flugzeugs von 
innen. Und nur vereinzelte Amerikaner, keine Afghanen, keine 
Verbündeten. Ist das die ganze bildmäßige "Autorität der Ereignisse" 
des "Krieges gegen den Terror"? 

Mit knapp 130 Seiten ist "The Power and the Glory" bemerkenswert dünn 
für ein illustriertes Werk über eine 200jährige ruhmreiche Geschichte. 
Vor allem Dokumente der letzten zwanzig Jahre sind erstaunlich wenig 
vertreten. Fast hat man den Eindruck, die Herausgeber wären bei der 
Realisierung des Buches zunächst flott gestartet und hätten erst nach 
dem Überschreiten des Point-of-No-Return gemerkt, wie wenig 
Verwertbares sie von modernen Konflikten auffinden konnten. Auf Bilder 
der im Golfkrieg zusammengeschossenen irakischen LKW- und Panzerkonvois 
und die verbrannten Leichen wollten sie offensichtlich verzichten. So 
macht die Publikation einen unfertigen Eindruck, selbst wenn die rein 
amerikanische Perspektive des Buches berücksichtigt wird. Aber 
vielleicht ist gerade dem Unfertigen zu verdanken, dass die Rückseite 
des Einbands von einem seltsamen, fast schon absurden Foto aus dem 
Golfkrieg geziert wird. Ein Soldat trägt ein sauberes Sternenbanner, er 
marschiert voran, weg vom Betrachter. Er ist ganz allein. Da ist auch 
kein Feind zu sehen, dem er fest entschlossen entgegentritt, oder die 
Überreste der Besiegten, die er triumphierend abschreitet. Er 
marschiert einfach ohne erkennbares Ziel in die Wüste, mit Gewehr und 
Fahne, wohin auch immer. 

Pressefotografen arbeiten inzwischen überwiegend digital, mit dem 
Internet steht ein neues, potenziell bildhungriges Medium zur 
Verfügung, das sie in Realtime beliefern können. Ihre Bilder können 
praktisch so schnell veröffentlicht werden, wie die des Fernsehens. Das 
könnte eine Renaissance der Kriegsberichterstattung bewirken. Nicht nur 
die Zensur staatlicher Autoritäten steht dem entgegen. Die Wirklichkeit 
sei viel schrecklicher, als sie uns von der Presse gezeigt würde, hob 
Steinberg auf dem DGPh-Symposium hervor. Es gäbe sie auch heute noch, 
die unabhängig arbeitenden Fotografen, aber ihre Bilder würden meist 
nicht gezeigt. Die deutsche Presse sei seiner Ansicht nach wohl 
weitgehend der Meinung, ihren Lesern vieles nicht zumuten zu dürfen, 
sie sei deshalb anfällig für Selbstzensur. 

So sensibilisiert der Blick in ein mittelmäßiges Buch aus renommiertem 
amerikanischen Hause dafür, dass momentan in der Publizistik generell 
etwas schiefläuft. 

Links 

[1] http://www.life.com/Life/lifebooks/military
[2] http://www.ap-online.de
[3] http://www.dgph.de

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