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[infowar.de] Mobilmachung per Spam in UK



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SPIEGEL ONLINE - 13. Januar 2003, 14:13

URL: http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,230463,00.html 

Armee-Reservisten

Spam macht mobil

Schon klar: Ob es zu einem neuen Irak-Krieg kommt, ist noch nicht
entschieden. Der britische Verteidigungsminister Geoff Hoon nutzt aber
schon mal Massen-E-Mails, um 100.000 Arbeitgeber über ihre Pflichten im
Falle einer Mobilmachung von Reservisten zu informieren. 

Ein Krieg gegen den Irak, sagte der britische Premierminister Tony Blair
am Wochenende, stehe nicht unmittelbar bevor. Eine endgültige
Entscheidung sei noch gar nicht getroffen. Die Inspekteure der Uno
sollten ihre Arbeit gründlich und in Ruhe tun. Beruhigende, eindeutig
klingende Nachrichten sind das für die Bürger des Vereinigten
Königreiches, als große Nachricht landesweit per Fernsehen verbreitet. 

Kein Wunder und keineswegs zufällig: Das Statement des Regierungschefs
sollte ein aufkeimendes kommunikatives Chaos eindämmen, denn die Zeichen
für eine Mobilmachung häufen sich. Fast skurril wirkte da, das die
Medien am Sonntag darüber berichten konnten, wie sich das britische
Flaggschiff "Ark Royal" von Portsmouth aus in Richtung Golf auf den Weg
machte, um sich dort mit 14 weiteren britischen Kriegsschiffen zu
treffen. Das die dort hinsollten, stand schon länger fest: Für Juni 2003
sind dort schließlich ausgedehnte Manöver geplant. 

Die Disparitäten zwischen öffentlichen Statements und dem, was man ganz
öffentlich beobachten kann, häufen sich also. Seit einer Woche ist zudem
öffentlich, wie tief die Meinungen über einen Irak-Krieg selbst
innerhalb der den USA engst verbundenen britischen Regierung auseinander
gehen. Völlig gegensätzliche Signale setzen zunehmend lautstark vor
allem Außen- und Verteidigungsministerium. 

Indizien 

So stand aktuell im "Guardian" zu lesen, das britische
Verteidigungsministerium habe bereits rund 30 Schiffe für Material- und
Truppentransporte angemietet. Die Verträge, will das liberale Blatt
herausgefunden haben, enthielten keine Rücktritts-, wohl aber eine
scharfe Geheimhaltungsklausel. Was nicht verhindern konnte, dass
"Lloyds' List", ein der Versicherungswirtschaft nahestehendes
Schiffsmeldungs-Journal, ebenfalls zum Wochenende meldete, dass der
russische Frachter Sochi bereits in der letzten Woche begonnen habe, im
Hafen von Marchwood Ladung zu fassen. Die Hafenanlage, an der das Schiff
beladen werde, gehöre dem britischen Verteidigungsministerium.

Das wird von Geoff Hoon geführt, der bei Lästermäulern schon mal als
"britischer Rumsfeld" gehandelt wird: Ganz öffentlich trägt der seine
Meinungsverschiedenheiten mit Außenminister Jack Straw aus, der im
Kabinett zur Minderheitsgruppe der "Tauben" gezählt wird und den Einsatz
diplomatischer Mittel noch nicht erschöpft sieht. "Falke" Hoon lässt
derweil schon einmal eruieren, wie viele der britischen
Armee-Reservisten denn willens währen, in kürzester Zeit ihre Koffer zu
packen. Rund 60 Prozent, glaubt das Verteidigungsministerium, könnten
sich verweigern. Das, ließ das Ministerium den potenziellen
Drückebergern schon mal per Presse mitteilen, ginge aber nicht einfach
so, da brauche man schon gute Gründe. 

Ganz offiziell setzte das britische Verteidigungsministerium schon mal
1500 von ihnen auf Stand-by. Mehr Reservisten, sagte
Verteidigungsminister Geoff Hoon, werde er nur einziehen lassen, "wenn
es absolut notwenig ist". Schon am heutigen Montag, gab das
Verteidungsministerium inzwischen bekannt, könnte es absolut nötig
werden, den ersten 1500 ihren Marschbefehl zukommen zu lassen. 

Ministeriums-Spam: Frühwarnsystem für "Drückeberger" 

Für eine Invasion des südlichen Irak brauche Hoon aber wohl 6000
Reservisten, mutmaßte der "Sunday Mirror". Und zwar zackig, wenn es
wirklich losgeht: Präventiv beauftragte da das Verteidigungsministerium
schon mal ein E-Marketing-Unternehmen, Großbritanniens Arbeitgeber an
ihre Rechte, vor allem aber Pflichten zu gemahnen. Das lässt sich heute
binnen Minuten und äußerst kostengünstig erledigen - per Massenmail, im
Web-Volksmund "Spam" genannt. 

Der hat - aus Perspektive der Auftraggeber - Vor- und Nachteile. Von
Vorteil ist, dass man per Spam in Minuten 100.000 E-Mail-Adressen
beschicken kann. Von Nachteil ist, dass die Empfänger nicht immer die
sind, die man erreichen will. 

So landeten Reservisten-E-Mails offenbar auch bei so mancher "Ich-AG",
wie "The Register" berichtet. Das sorgte wohl für einige Irritationen,
obwohl es sich, wie ein Sprecher des Verteidungsministeriums bereits
Mitte letzter Woche versicherte, nur um eine "allgemeine E-Mail" des
Ministeriums gehandelt habe. 

Die wurde im Namen und Auftrag von SaBRE, "Supporting Britain's
Reservists and Employers", verschickt. Hinter dem martialischen Kürzel
("Säbel") verbirgt sich eine Aktion des Verteidigungsministeriums, das
versucht, Arbeitgebern die Anstellung von Reservisten mit
Vergünstigungen schmackhaft zu machen. Auf der Website der Aktion ist
bereits seit dem 7. Januar nachzulesen, was nun per E-Mail offenbar ein
wenig zu unzielgerichtet eigentlich nur in die Unternehmenswelt gehen
sollte. "Wir entschuldigen uns dafür", kommentierte ein Sprecher des
Verteidigungsministeriums, "falls dies Anstoß erregt oder jemandem
Sorgen bereit haben sollte". 

Anstoß und Sorgen könnte am Ende aber eher der Nicht-Empfang der
irritierenden E-Mail bereiten. 

Der Wortlaut der SaBRE-Informationen hält sich wie ein ähnliches
Dokument auf der Website des Verteidigungsministeriums eng an eine
Parlaments-Erklärung Hoons eben vom 7. Januar 2003. Darin beschreibt er
Aufwand und Zeitplanung des bisher absehbaren britischen Engagements im
persischen Golf und erklärt die Einleitung der ersten Phase der
Mobilmachung des ersten Kontingents von Armee-Reservisten. 

Diese erhalten ihre Einberufung aber ganz klassisch per Schneckenpost,
ankündigungsgemäß ab dem heutigen Montag. Darin wiederum steckt eine
Pointe: Eine Chance zur ordnungsgemäßen Verweigerung haben nämlich nur
die Reservisten, die dies bereits tun, bevor sie ihren Marschbefehl
erhalten - und vorhaben könnten das nach Ministeriums-Meinung ja bis zu
60 Prozent. Danach kann nur noch der Arbeitgeber Einspruch einlegen.
Wohl dem, der einen hat, der seine Spam-Mails noch öffnet. 

Frank Patalong  

Zum Thema: 

Im Internet: "SaBRE": Informationen des britischen
Verteidigungsministeriums für Arbeitgeber
http://www.nelc.mod.uk/output/Page7.asp

Fragen und - ausweichende - Antworten: Die britische Armee zu
Reservisten-Fragen betreffend eines drohenden Irak-Konfliktes
http://www.army.mod.uk/ta/news/Q_A.htm

Britische Armee-Website: Parlamentserklärung Geoff Hoons vom 7. Januar
2003
http://www.army.mod.uk/ta/news/SoS7Jan03.htm

"Lloyd's List": Nachrichten rund ums Thema Schifffahrt
http://www.lloydslist.com/NASApp/cs/ContentServer?pagename=LLPortal/LloydsList

Die Website des "Guardian"
http://www.guardian.co.uk

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