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[infowar.de] Interview mit John R. MacArthur (Autor von "Schlacht der Lügen")



Infowar.de, http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
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http://www.telepolis.de/deutsch/special/irak/14110/1.html 

"Unabhängige Berichterstattung? Dass ich nicht lache"

Max Böhnel   04.02.2003 

Ein Gespräch mit dem Journalisten John R. MacArthur über die 
amerikanischen Medien, die Kriegsberichterstattung und den möglichen 
Irak-Krieg 

John MacArthur (1956) ist Autor des auch auf Deutsch erschienenen 
Buches "Second Front: Censorship and Propaganda in the Gulf War" 
(Schlacht der Lügen) über Medienzensur und Propaganda während des 
Golfkriegs 1991. Er ist Herausgeber der mehr als 150 Jahre alten 
Zeitschrift Harper's Magazine [1] mit einer Auflage von 220.000 
Exemplaren, Tendenz steigend. 

 In der europäischen Presse heißt es als Erklärung für die 
amerikanische Kriegstreiberei oft, eine kleine Clique von "Hardlinern" 
habe die US-Regierung okkupiert und vernünftigere Kräfte wie die CIA 
seien aus gutem Grund gegen einen Krieg. Wie sehen Sie das? 

   John R. MacArthur: Ein solche Sichtweise ist absurd. Die CIA macht, 
was ihr von der Regierung aufgetragen wird. Sie hat kein politisches 
Mandat. Wenn die CIA den Wind aus einer Richtung wehen sieht, dann tut 
sie alles, um die Informationen zu liefern, die genau die gewünschte 
Sichtweise stützt. Das hat die CIA immer getan. In Vietnam gingen die 
CIA-Chefs mit den Kriegspolitikern durch dick und dünn. 

Zur Zeit gibt es angeblich eine Meinungsverschiedenheit zwischen CIA 
und Pentagon über die Legitimität des "Iraqi National Congress". Die 
CIA wolle sich vom INC distanzieren, das Pentagon nicht, heißt es. Aber 
statt einer Meinungsverschiedenheit handelt es sich um 
Bürokratengerangel. Das hat nichts mit einem Ringen um gute oder 
schlechte Politik zu tun. 

Niemand will letztendlich regierungsintern für einen Fehler 
verantwortlich gemacht werden können, darum geht es. Die Herren 
fürchten keinesfalls den Krieg selbst. Denn sie gehen, meiner Ansicht 
nach richtigerweise, davon aus, dass Saddam Hussein schnell fallen, und 
dass es in der ersten Kriegswoche relativ wenige Tote geben wird. Sie 
fürchten vielmehr das Danach: einen Schiiten-Aufstand, einen 
Bürgerkrieg, Angriffe auf amerikanische Militäreinrichtungen wie im 
Libanon Anfang der 80er Jahre. Niemand in der Regierungsbürokratie will 
die Prügel für eine fehlgeschlagene Politik einstecken müssen, und sie 
fühlen allesamt schon mal vor, woher der Wind weht.   

 Vor kurzem schwappten Berichte in die Medien, dass das Pentagon 
amerikanischen Journalisten nun doch erlauben will, mit aufs 
Schlachtfeld im Irak zu gehen. Ist das das Ende der Militärzensur? 

   John R. MacArthur: Hut ab vor der Presseabteilung des Pentagon! Die 
Burschen sind wirklich brillant, ich sage das mit dem Zusatz "leider". 
Die amerikanischen Medien - und ein Teil der ausländischen Presse, die 
einfach von ihr abkupfert - haben sich täuschen lassen. Die 
Journalisten denken wirklich, dass sie Kriegsberichterstattung machen 
werden. Sie durften sogar durch Trainingslager gehen, in denen 
Kampfeinsätze geübt werden. Der kurzfristige Effekt war, dass über die 
PR-Politik des Pentagon positiv berichtet wurde. Der aufstrebende 
Journalist sagt jetzt mit Gänsehaut: Schau mich an, ich spiele Soldat, 
ich werde Kriegskorrespondent. Niemand schießt auf mich, es ist sicher, 
man schützt mich. 

In Wirklichkeit aber werden die Militärs Reporter mit allen Mitteln 
davon abzuhalten versuchen, Zeugen einer echten Schlacht zu werden. 
Kein Journalist wird einen amerikanischen Soldaten im Kampfeinsatz 
interviewen können, ohne dass ein Aufpasser dabei ist. Unabhängige 
Berichterstattung? Dass ich nicht lache. 

Der Grund, weshalb das Pentagon diese Schiene fährt, ist, dass dies in 
der Vergangenheit so gut funktioniert hat. Indem man die Reporter 
faktisch ausschaltet, bleibt das Pentagon der Hauptlieferant von 
Nachrichten. Es kontrolliert, welche Nachrichten zu welchem Zeitpunkt 
herausgegeben werden. Gute Frontnachrichten wird man von einem General 
hören, schlechte wahrscheinlich überhaupt nicht.   

 Aber die Pressemeute will gefüttert werden, sonst wird sie unruhig... 

   John R. MacArthur: Richtig, aber das Szenario, das ich eben 
ausbreitete, würde zumindest den Eindruck einer Zusammenarbeit 
erwecken. Pentagonchef Rumsfeld tritt seit seinem Amtsantritt als 
Verteidigungsminister gegenüber der Presse feindselig auf. Er macht 
sich offen über sie lustig - und die Journalisten lachen dazu, weil sie 
das irgendwie für verwegen, lustig und vielleicht sogar sexy halten. 90 
Prozent der westlichen Presseleute, die sich in Bagdad aufhalten 
werden, wünschen sich die exakt selbe Atmosphäre wie in Washington. 
Wenn es eine Irak-Invasion gibt, dann wird man die schnelle Verwandlung 
irgendeines Ortes in der irakischen Hauptstadt in einen Briefing Room 
erleben, in dem sich die meisten Reporter mit Presserklärungen des 
Pentagon füttern lassen. Genau darin wird die sogenannte 
Kriegsberichterstattung bestehen, die zuhause über die Bildschirme 
flimmern und auf den Titelseiten zu lesen sein wird.   

 Aber da gibt es immer noch den arabischen Fernsehsender "Al 
Dschasira", der während des Afghanistan-Feldzugs unabhängige Berichte 
zu produzieren imstande war... 

   John R. MacArthur: "Al Dschasira" wird mit Sicherheit Berichte zu 
produzieren versuchen und die entsprechenden Bilder an CNN verkaufen. 
Aber im Afghanistankrieg haben die USA das Hauptquartier von "Al 
Dschasira" dann einfach weggebombt. Und damit war Schluss. Dasselbe 
wird vermutlich auch in Bagdad passieren. Ich vermute, dass wir ein 
paar Tage lang "Al Dschasira"-Bilder auf CNN sehen werden, und dann nur 
noch Offizielles aus dem Briefing Room in Bagdad.   

 Die sogenannte Heimatfront in den USA ist wider Erwarten relativ 
friedfertig geblieben. Ein Beispiel: die Produktion massenhafter 
Kriegsfilme, die Sie vor einem Jahr prophezeit haben, ist ausgeblieben. 
Wie erklären Sie das? 

   John R. MacArthur: Das ist richtig. Die groß angekündigte 13-teilige 
TV-Serie, die von dem "Pearl-Harbour"-Regisseur Jerry Bruckheimer 
produziert werden sollte, ist nie herausgekommen. Es hätte ein 
Doku-Drama in Koproduktion zwischen ABC und Pentagon über die Kämpfe in 
Afghanistan werden sollen. Und Bruckheimer soll - im Gegensatz zu den 
Journalisten - Zugang zu den Schlachtfelder bekommen haben. Ich 
vermute, dass das Weiße Haus die Produktionsfirmen in Hollywood dazu 
aufgefordert hat, zumindest vor dem Irakkrieg allzu reißerische 
antiarabische Bilder nicht in die Kinos zu bringen, weil dies die 
Saudis beleidigen könnte. Amerikanischer Journalismus und Hollywood 
folgen dem Pentagon und dem Weißen Haus treudoof nach, mit gewissem 
Abstand natürlich. Die enge Verbindung zwischen Saudi-Arabien und den 
USA ist übrigens hoch explosiv, nicht nur wegen der Herkunft der 
Flugzeugattentäter...   

 Und die wäre... 

   John R. MacArthur: Es ist immer wieder lachhaft, wenn über die Macht 
der Israellobby in Washington geplappert wird. Denn die weitaus 
mächtigere Lobby ist die der Saudis. Das Land hat erst vor kurzem 
wieder einen Rekord gebrochen. Für Lobbyarbeit innerhalb der letzten 
sechs Monate hat es in den USA 14,6 Millionen Dollar ausgegeben. Nur 
für die Eigenwerbung! Das bricht den Rekord, den Kuwait 1991 
aufgestellt hatte.   

 Zurück zum Mediengeschäft. Nicht zu verstehen ist, weshalb junge 
amerikanische Journalisten auf der Suche nach der Story ihres Lebens 
und in Aussicht einer hoch dotierten Karriere kein Risiko eingehen, 
sich nicht aus dem Zangengriff der Militärs befreien und eigene Wege 
gehen, etwa, um amerikanische Kriegsverbrechen im Irak aufzudecken... 

   John R. MacArthur: Der Grund ist, dass man mit so etwas heutzutage 
im amerikanischen Journalismus keine Karriere mehr machen kann. Der 
brave Kriegskorrespondent brachte früher die guten oder schlechten 
Nachrichten von der Front mit nach Hause und erwarb sich so einen guten 
Ruf. In Vietnam haben sich dadurch Scharen von jungen Reportern, 
Fotographen, Fernseh- und Printleuten ihre spätere Karriere 
zusammengeschmiedet. Heute kommt aber der weiter, der die offiziellen 
"leaks" am schnellsten und effizientesten schluckt, Informationen also, 
die "durchsickern". Dann wird der entsprechende Journalist nämlich von 
oben mit noch mehr "leaks" gefüttert und belohnt. Auf diese Weise 
arbeitet er sich langsam nach oben. 

Wenn man über etwas Gegensätzliches zur Regierungslinie oder zu dem, 
was die anderen Massenmedien berichten, schreibt, filmt oder 
fotografiert, dann gilt man als Quertreiber. Die Karriereleiter wäre 
damit zu Ende. Die gesamte amerikanische Medienlandschaft ist von 
liberal nach rechts gerückt. Journalisten sind freundlicher zu den 
Behörden. Sie zeigen mehr Bereitschaft, sich mit läppischen Auskünften 
zufriedenzugeben. Es gibt mehr Glamour, weniger Eigentümer und weniger 
Vielfalt. Einzelne Medienkonzerne kontrollieren mehr Marktanteile, 
einschließlich der Aktien. Und die Vorstände denken 
konservativ-vorsichtig, im Hinterkopf immer die Aktionäre. In den USA 
funktioniert das nicht mehr so, wie es in Deutschland unter dem 
Spiegel-Herausgeber Augstein funktionierte. Der machte, was er wollte, 
egal, ob ihn das Geld kostete oder nicht.   

 War nicht Ted Turner, der CNN-Eigentümer, so einer wie Augstein? 

   John R. MacArthur: Turner hat sicherlich ein großes Ego. Damals 
sagte er: ich behalte meine Reporter in Bagdad, mir gehört schließlich 
CNN, ich mache, was mir gefällt. Eine recht sympathische Haltung, wenn 
man sich das graue Gegenstück ansieht, den vorsichtigen Bürokraten, der 
Schiss davor hat, dass jemand wütend auf ihn wird und dass die 
Aktionäre giftige Briefe schreiben. Er will keine hohen Wellen 
schlagen. Darin besteht übrigens ein großer Unterschied zwischen dem 
letzten Golfkrieg und dem zu befürchtenden. Ted Turner besitzt nicht 
mehr CNN, er ist aus dem Spiel.   

 Bedeutet die wirtschaftliche und ideologische Monopolisierung der 
amerikanischen Mainstream-Medien nicht gleichzeitig einen Aufschwung 
für eine Zeitschrift wie die, die Sie herausgeben? 

   John R. MacArthur: Die Vorsicht und der Konservatismus der 
Mainstream-Medien hat - ja - dem "Harper's Magazine" wirtschaftlich gut 
getan. Übrigens ebenso der nichtamerikanischen englischsprachigen 
Presse, die über das Internet zu erhalten ist. "Harper's Magazine" war 
nie links, eher liberal und literarisch. Es wird inzwischen von Linken 
gelesen, die einfach nur etwas Intellektuelles und Oppositionelles 
lesen wollen. Wir sind, und das ist ja nicht schwer, klar gegen die 
Bush-Regierung, klar gegen die Kriegspolitik. Wir schreiben gegen den 
neuen Imperialismus, den die USA in Szene zu setzen versuchen, gegen 
den Unilateralismus und die Arroganz amerikanischer Macht, überhaupt 
gegen das propagandistische Wesen des politischen Diskurses. Wenn ich 
auf Veranstaltungen in den USA von Zuhörern gefragt werde, was man denn 
so lesen könnte, dann sage ich, die britischen Zeitungen "Guardian" und 
"Independent" sowie die französische "Le Monde".   

 Und wenn Sie "New York Times" und "Washington Post" vergleichen? 

   John R. MacArthur: Wenn man Nachrichten bekommen will, dann muss man 
sich heute als Amerikaner in Übersee auf die Suche begeben. "New York 
Times", "Washington Post", "Los Angeles Times" und amerikanisches 
Fernsehen liefern das nicht . Die "Washington Post" ist, das muss ich 
dazusagen, weitaus besser als die "New York Times", auf jeden Fall, was 
Stories über Interna der Bush-Regierung angeht. Das Editorial der 
"Washington Post" ist zwar verheerend, aber so manche Berichte können 
sich sehen lassen.   

Links 

[1] http://www.harpers.org

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