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[infowar.de] TELEPOLIS: Mord und Totschlag im Schatten des Krieg...
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Gruß René Denzer
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Mord und Totschlag im Schatten des Krieges
Thorsten Stegemann 28.03.2003
Während sich die Massenmedien auf die Ereignisse im Irak konzentrieren,
schwelen die anderen Krisenherde der Welt ungehindert weiter
Bagdad, Basra, Mossul, Nord- und Südfront, Bomben- und Bodenkrieg,
Tote, Verletzte und Verstöße gegen die Genfer Konvention - wer den
Massenmedien in diesen Tagen allzu sehr vertraut, mag den Eindruck
bekommen, das gewalttätige Potenzial der Menschheit habe sich
vollständig am Persischen Golf versammelt. Doch dieser Eindruck ist -
selbstredend - falsch, denn die vielen anderen Konflikte, die vor dem
Irak-Krieg schon mal größere Schlagzeilen wert waren, sind in den
letzten Tagen keineswegs friedlich beigelegt worden. Dass sie derzeit
allenfalls noch zu Randnotizen taugen, hat an der weltweiten
Bedrohungslage nichts geändert.
Beispiel Kaschmir
Vor wenigen Tagen kamen bei einem Überfall auf ein Hindu-Dorf im
indischen Teil Kaschmirs 24 Menschen ums Leben, viele von ihnen waren
offenbar Frauen und Kinder. Für das Massaker im südlich von Srinagar
gelegenen Dorf Nadimarg machte der indische Innenminister Lal Krishna
Advani umgehend den Erzfeind Pakistan verantwortlich, der die
muslimischen Attentäter unterstützt haben soll.
Bereits Mitte des Monats waren bei zwei Bombenanschlägen in Neu Delhi
und Rajauri mehr als ein Dutzend Menschen getötet und über 50 zum Teil
schwer verletzt worden. Nach Schätzungen des Nachrichtenmagazins "Der
Spiegel" hat der Kaschmir-Konflikt seit 1989 61.000 Todesopfer
gefordert. Der Feldzug gegen den Irak heizt die explosive Situation
weiter an. Syed Ahmed Bukhari, einer der maßgeblichen muslimischen
Geistlichen in Indien, der schon die Anschläge vom 11. September als
gerechtfertigt bezeichnet hatte, ließ die Weltöffentlichkeit - so sie
denn zuhören wollte - wissen: "Der Krieg zwischen Recht und Unrecht hat
begonnen. Dies ist ein Dschihad."
Beispiel Tschetschenien
"Wir haben ein positives Ergebnis erwartet, aber dies übertrifft alle
Erwartungen", freute sich der russische Präsident Wladimir Putin einen
Tag nach der Abstimmung über eine neue Verfassung und neue Wahlgesetze,
mit deren Hilfe die abtrünnige Kaukasusrepublik nach zwei blutigen
Kriegen wieder fester Bestandteil der Russischen Föderation werden
soll.
Doch an die 95 %ige Zustimmung der Tschetschenen glauben nicht einmal
Putins Landsleute, auch wenn die wenigsten so deutlich werden wie der
russische Bürgerrechtler Sergei Kowaljow: "Der Urnengang war von Anfang
an ein Schwindel. Die Mehrheit hat nur mit Ja gestimmt, weil sie weiß,
dass ihr sonst Repressionen drohen." Internationale Beobachter wie die
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sehen
das genauso und weisen daraufhin, dass Putin der Kaukasusrepublik im
Falle des Wohlverhaltens nicht nur eine weitgehende Autonomie nebst
einer möglichen Amnestie für die tschetschenischen Freiheitskämpfer,
sondern obendrein auch noch Entschädigungszahlungen für zerstörte
Gebäude in Aussicht gestellt hat.
Die Getreuen des 1996 legal gewählten und mittlerweile steckbrieflich
gesuchten tschetschenischen Präsidenten Aslan Maschadow sprechen
ohnehin ganz offen von Wahlbetrug, da Moskau alle Möglichkeiten genutzt
habe, die Wahlberechtigten unter Druck zu setzen und das
Abstimmungsergebnis nach oben zu korrigieren. Ob es sich bei der Wahl
also tatsächlich um die von Putin beschworene Entscheidung "zu Gunsten
des Friedens" gehandelt hat, ist mehr als fraglich.
Beispiel Nordkorea
Auch hier nähert sich die Situation einer "explosiven Phase", wie die
staatliche Zeitung "Rodong Sinmun" nach Beginn der Angriffe auf den
Irak feststellte. Pjöngjang befürchtet offenbar, als nächster
Kriegsgegner der Vereinigten Staaten in Betracht zu kommen, wenn sich
Präsident Bush entscheiden sollte, die berüchtigte Achse des Bösen im
Anschluss an einen möglicherweise erfolgreichen Golfkrieg weiter zu
zerlegen. Außerdem hat Nordkorea Japan im Verdacht, fortgesetzt
feindliche Absichten zu hegen.
Das absurd erscheinende, aber immerhin bedrohlich klingende
Säbelrasseln geht also auch in diesen Tagen weiter. Nordkorea ist der
Meinung, dass die erhöhte Alarmbereitschaft, die für die Streitkräfte
des südlichen Nachbarn angeordnet wurde, die Insel "an den Rand eines
Krieges" bringe und hat die seit langem vereinbarten bilateralen
Wirtschaftsgespräche kurzfristig abgesagt. Wegen der andauernden
Manöver amerikanischer Streitkräfte in Südkorea sollen auch die
allwöchentlich in Panmunjom anberaumten Treffen zwischen
nordkoreanischen Offizieren und US-Militärs ausgesetzt werden.
Schließlich droht den Verhandlungen über das nordkoreanische
Atomprogramm, die im April stattfinden sollten, ein vorzeitiges und
ergebnisloses Ende.
Beispiel Afghanistan
Das Pilot- und Vorzeigeprojekt der internationalen
Terrorismusbekämpfung gibt längst nicht mehr die aufmunternden
Erfolgsmeldungen her, die den schnellen Sturz der Taliban begleiteten.
Denn das Land ist keineswegs befriedet, wie die zeitgleich zum Angriff
auf den Irak gestarteten Militäraktionen zeigten, die sich gegen immer
noch aktive Mitglieder des Terror-Netzwerkes al-Qaida und aus Amt und
Würden vertriebene Taliban-Anhänger richtete. In der Nähe von Ghasni
waren amerikanische Einheiten in Kämpfe mit der Miliz von Pascha Khan
Sadran verwickelt, der einer von vielen erklärten Gegnern des
afghanischen Präsidenten Hamid Karsai ist.
Der Irak-Krieg schürt nun die antiamerikanische Stimmung in Afghanistan
und weckt bei den Gegnern der Nachkriegsordnung die möglicherweise
berechtigte Hoffnung, sie könnten alte Verbindungen wieder aufleben
lassen. Eine Meldung, die in der pakistanischen Zeitung "News"
veröffentlicht wurde und von Taliban-Sprecher Mohammed Mukhtar stammen
soll, mahnt jedenfalls einmal mehr religiöse und politische
Geschlossenheit an: "Der Angriff auf den Irak ist eine Offensive gegen
die Muslime in aller Welt."
Im aktuellen Medienbetrieb gehen diese und viele andere Meldungen -
beispielsweise auch die Einschätzung der Internationalen
Atomenergiebehörde, der Iran sei in absehbarer Zeit in der Lage, selbst
Atomwaffen herzustellen - mehr oder weniger vollständig unter. Zu
dominant ist die Konzentration auf den Irak-Krieg, zu stark das
Interesse, die westliche Welt als erfolgreiche Ordnungsmacht in Szene
zu setzen. Den Extremisten, die andernorts Konflikte eskalieren lassen
wollen, kann das nur recht sein. Ob es sich dabei um
Selbstmordattentäter und Rebellen oder gewalttätige Regime handelt -
Außenminister Joschka Fischer warnt nicht umsonst vor einem drohenden
"Anti-Terror-Rabatt" - spielt für das Bedrohungspotenzial insgesamt
keine entscheidende Rolle. Denn das dieses seit Beginn des Krieges am
Persischen Golf weltweit gewachsen ist, kann nicht mehr ernsthaft
bestritten werden.
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