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[infowar.de] Bundeswehr-TV - Fernsehen für die Truppe



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Frankfurter Rundschau 29.03.2003

"Combat ready einsatzbereit"

Tagesthemen für die Truppe - die Bundeswehr informiert ihre Mannen mit
einem eigenen Fernsehkanal

Von Jens Holst

Erstaunlicherweise ist es ausgerechnet der Krieg, der Oberstleutnant
Reinhard Busch ein wenig ratlos macht. Als Chefredakteur des
bundeswehr-internen Fernsehsenders bwtv muss Busch entscheiden, wie er
Irak in sein Programm holen will. Vielleicht eine Live-Schaltung zu den
Besatzungen der Fuchs-Spürpanzer in Kuwait, auch um deren Befindlichkeit
nach Hause zu vermitteln? Vielleicht ein Studio-Gespräch mit einem
Militärexperten der Bundeswehr, der die Vorgänge in Irak näher erläutern
kann? Der Chefredakteur ist sich noch nicht sicher. "In dieser
Situation", sagt er, "waren wir noch nie."  Kein Wunder, denn allzu lang
hat man bei der Bundeswehr noch keine Erfahrungen sammeln können mit dem
eigenen Haus-Sender: Vor einem Jahr ist bwtv als Pilotprojekt mit einer
kleinen Mannschaft erstmals auf Sendung gegangen; empfangen werden kann
das tägliche Programm über Satellit bislang nur in ausgewählten Kasernen
in Norddeutschland sowie an den Auslandsstandorten der Bundeswehr in
Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Kosovo und Afghanistan. Außerdem ist
bwtv in den truppeneigenen Zentren zur Familienbetreuung zu sehen.

Dass die Soldaten nun beim Kaffee holen und nach dem Mittagessen einen
Blick auf ihr eigenes "Mitarbeiter"-Fernsehen werfen können, verdanken
sie der Unternehmensberatung Kienbaum: Die hatte der Bundeswehr in einer
Studie Ende der 90er Jahre empfohlen, die so genannte Truppeninformation
zeitgemäßer zu gestalten. Resultat: Neben bwtv können sich die Soldaten
heute im ständig aktualisierten Online-Magazin der Bundeswehr-Rechner,
dem "intr -!
- net aktuell" informieren - oder auch das monatlich
erscheinende Print-Magazin "Y" zur Hand nehmen.

Die Entwicklung des ersten hauseigenen Fernseh-Senders überließ die
Hardthöhe der Produktionsfirma Atkon, die bereits die Bahn-Angestellten
mit einem eigenen Mitarbeiter-TV versorgt hat. Bis heute stellen die
Frankfurter drei der derzeit zehn Redaktionsmitglieder von bwtv quasi
als Aufbauhilfe. Der Rest kommt mehrheitlich, ebenso wie Busch, in
Uniform oder im tarnfarbenen Bundeswehr-Dress zur Arbeit. In Zukunft
soll die Zahl der Redakteure auf 15 anwachsen; zivile Mitarbeiter sollen
ebenso darunter sein wie Angehörige der Bundeswehr.

Soldaten mit journalistischer Vorbildung finden sich in der Truppe, so
Busch, bislang aber kaum. Für jeden Neuanfänger bedeutet das harte
Vorbereitung auf die Arbeit - wie auch für den Chefredakteur, der lange
Jahre Kommandeur eines Panzerbataillons war und nach einer
Zwischenstation in der Personalabteilung 1998 zur Truppeninformation
kam.

Unprofessionell wirkt bwtv deshalb allerdings nicht: Zwei Mal am Tag
meldet sich die Redaktion aus dem Studio in der Informations- und
Medienzentrums der Bundeswehr in Sankt Augustin live zu Wort. Die
tägliche Nachrichten- und Magazinsendung wird ergänzt durch wöchentliche
Themenreihen aus der Konserve ("Die Geschichte des Eisernen Kreuzes")
und außerordentliche Spezial-Beiträge. Ein Vollprogramm kann die
Redaktion allein schon aus finanziellen Gründen nicht realisieren.

Zudem scheint der Sinn eines umfangreicheren Programmangebots aufgrund
der Zielgruppe zweifelhaft. Welcher Bundeswehrangehörige hat schon die
Zeit, tagsüber ausgiebig fernzusehen? Wer dennoch einen kurzen Blick auf
die Mattscheibe riskiert, den wollen die Macher von bwtv ganz
augenscheinlich nicht langweilen. Der optische Auftritt wirkt wie eine
Mixtur aus Sportschau und Tagesthemen, wären da nicht die verwischten
Bilder von Kampfpanzern, Helikoptern und Kriegsschiffen in Trailern und
Studio-Deko. Als Gesichter der Nachrichtensendung hat die Redaktion mit
René Steuder und Dorothee Dregger tv-erprobte Mitarbeiter der
öffentlich-rechtlichen Konkurrenz unter Vertrag genommen: Abwechselnd
und ganz in zivil präsentieren der NDR-Sprecher und die WDR-Moderatorin
die Mischung aus Agenturmeldungen und Eigenberichten über
Bundeswehr-Ereignisse: Der Streit über die Awacs-Einsätze und die
Präsentation eines neuen Leopard-Panzers, die letzten Erfolge des
rodelnden Hauptfeldwebels Georg Hackl oder ein Interview mit dem
Wehrbeauftragten des Bundestages - die Nachrichtenauswahl orientiert
sich streng am vermeintlichen Blickwinkel der Truppe.

Bei längeren Magazinbeiträgen setzen Busch und sein Team ganz auf
privates Infotainment: Egal, ob es um Luftaufklärung am Horn von Afrika,
die Geländeübung dänischer Nato-Soldaten im norddeutschen Gestrüpp oder
eine Helikopter-Waschanlage irgendwo in Deutschland geht; gerne greift
man auf spannungsgeladene Beats und actionreiche Kampfbilder zurück. Die
kritische Distanz zum Geschehen hat dabei oft das Nachsehen. Ein Beitrag
über eine Nato-Flugübung in Belgien etwa wird von der Moderation mit den
Worten angekündigt, es handele sich um Treffen der "Besten der Besten",
allesamt Piloten, die "combat ready einsatzbereit" seien. Die
anschließende Reportage könnte auch als Werbefilmchen der Nato
durchgehen, reduziert sie Kriegstraining doch gänzlich auf eine Art
sportliche Herausforderung: Berichterstattung in "Top-Gun"-Manier,
gewürzt mit viel Action.

Doch den Vorwurf, bwtv sei nicht viel mehr als eine PR-Maschine im
Dienste der Bundeswehr, will Chefredakteur Busch nicht gelten lassen.
"Wir machen keine Hofberichterstattung", sagt er, und reklamiert für
seine Redaktion die Freiheit, Themen grundsätzlich selbst auszuwählen
und zu recherchieren. Aufträge zur Berichterstattung "von oben" gebe es
prinzipiell nicht, so Busch. Und sicherlich kann man ihm und seinem Team
nicht vorwerfen, sie würden nicht auch die Möglichkeit zum kritischen
Nachhaken nutzen - so zum Beispiel im Interview mit dem Kommandanten
eines Aufklärungsfliegers am Horn von Afrika. Sanft auf die technische
Rückständigkeit seines Flugzeuges angesprochen, räumt der nach einer
längeren Lobeshymne schließlich einen "kleinen strategischen Nachteil"
ein. Durch lautstarke Kritik, so scheint es, will bei bwtv niemand so
recht auffallen, weder vor der Kamera, noch dahinter.

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