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[infowar.de] [infowar.de] Ein <Waterloo> der Alliierten?



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Eigentlich typisch fur die Neue Zurcher, aber doch bedenkenswert....

mfg,
Benjamin

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2. April 2003,  11:02, NZZ Online
Ein <Waterloo> der Alliierten?
ARD und ZDF: Gesinnung statt Professionalitat in den Kriegsberichten

H. Sf. Hierzulande ist der Krieg im Irak ein Krieg im Fernsehen. Und weil
das Medium sich alle Muhe gibt, aus fruheren Fehlern bei der
Kriegsdarstellung und -berichterstattung zu lernen, bekommen wir jeden Tag
auch immer neue medienkritische Lektionen zu horen. Anlasslich der
diesjahrigen Verleihung der Grimme-Preise, mit denen die besten deutschen
Fernsehproduktionen ausgezeichnet werden sollten, fiel einer der Leitsatze
aus diesem Katechismus eines guten Kriegsberichterstatters: <Wir durfen uns
nicht zu Waffenerklarern und Amateurstrategen instrumentalisieren lassen>,
erklarte Ranga Yogeshwar, der allerdings bisher in diesem Genre noch gar
nicht aufgefallen ist, sondern Wissenschaftssendungen betreut. Journalisten,
so seine Uberzeugung, sollen nicht dicht bei den Kanonen stehen, sondern
dorthin gehen, wo die Geschosse einschlagen, wo es Verletzte und Tote gibt.

ARD und ZDF, auf die wir uns hier konzentrieren - das Grundsatzliche hat
allerdings auch mit Blick auf das Fernsehen DRS Gultigkeit -, beachten diese
Maxime gewiss in hervorragender Weise: Kaum eine Nachrichtensendung in den
beiden Hauptprogrammen beginnt ohne Meldungen uber die zerstorerischen
Folgen des Waffeneinsatzes. Man sieht die eingesturzten Wohnhauser, sieht
Rettungstrupps mit blossen Handen in den Trummern nach Verschutteten suchen
und hort den Jammer der Menschen, die gerade Angehorige verloren haben.
Fluchtlinge kommen zu Wort, der Mangel an Wasser, Nahrung und Medikamenten
in Basra wird nicht verschwiegen. Das hassliche Gesicht des Krieges, das die
Zuge von Schmerz und Tod, von Angst und Verzweiflung tragt, wird auf den
Fernsehbildschirmen sichtbar. Und das ist auch gut so.

<Waffenerklarer> sieht und hort man dagegen seltener. Zwar werden immer
wieder die Namen von einzelnen Waffensystemen genannt, aber wie sie
funktionieren, welche Wirkung sie erzielen sollen und konnen - daruber gibt
es vergleichsweise wenig Informationen. Wer es gern etwas genauer hatte,
wenn von Strassenkampfen, von den Problemen eines auf manchen Teilen des
Schlachtfelds drohenden Guerillakrieges und von den operativen Optionen der
Kriegsparteien die Rede ist, der wird eher enttauscht. Die gelegentlich
eingeladenen Militarexperten umreissen meist grosse strategische Konzepte,
zu denen sie freilich kaum mehr als Spekulationen aussern konnen.

Das ist kein Zufall. Zur mentalen Grundausrustung eines ordentlichen
deutschen Kriegsberichterstatters gehoren heute Ekel und Abscheu vor dem
Einsatz militarischer Gewalt. Die Redaktionsleiterin des zeitkritischen
Magazins <Monitor> erklarte in einem Interview, dass es fur sie dem Krieg
gegenuber, jedem Krieg gegenuber, wie sie betonte, nur die Haltung der
bedingungslosen Ablehnung gebe. Diese affektiv hoch aufgeladene Distanz
setzt offensichtlich der Neugier der Kriegsberichterstatter enge Grenzen:
Das militartechnische Detail, ja das Denken und Handeln in militarischen
Kategorien uberhaupt findet nicht ihr Interesse. Genauigkeit darin ist nicht
ihr Ziel. So kann zum Beispiel ein ARD-Reporter in seinem Bericht aus Bagdad
von einem Schrapnell-Angriff schwadronieren und dazu im Bild dunne Splitter
zeigen, die von einer explodierten Bombe stammen. Den Einsatz von
Schrapnells, von Geschossen also, die mit vielen kleinen Kugeln gefullt
sind, vermeiden die Amerikaner dagegen bisher bewusst bei ihren Angriffen
auf die Stadt, um nicht Zivilisten zu gefahrden.

Ein anderer ARD-Korrespondent in der irakischen Hauptstadt schreibt in
seinem Internet- Tagebuch nach einem Bombenangriff: <Es war so laut, so
unglaublich laut. Es ist richtig Krieg. Es ist tragisch, mit Verletzten und
Toten. Einfach unfassbar!> Was mag der Mann erwartet haben? Offenbar gilt
deutschen Fernsehjournalisten Krieg als das ganz Andere, das man nicht mehr
denken, sondern nur noch verabscheuen kann. Sich auf die Sachlogik des
Militars auch nur erklarend einzulassen, gilt bereits als unzulassig. Das
Kriegsbild, das in solchen Berichten entsteht, kann dann nur noch das einer
vollstandigen Katastrophe sein.

Eine solche Einstellung, die als Privatmeinung selbstverstandlich aller
Ehren wert ist, taugt nicht als professionelle Haltung von Journalisten.
Denn sie fuhrt dazu, die Wirklichkeit des Krieges verzerrt wahrzunehmen. Die
Besonderheit der gegenwartigen Kriegfuhrung der Amerikaner und Briten, die
sehr wohl auf eine Einhegung der Gewalt achten, tritt nicht ins Blickfeld.
Auch lasst sich die Kriegslage so nicht angemessen beurteilen. Wenn der
ZDF-Korrespondent in Bagdad von einem <Waterloo> der Alliierten spricht und
zum Beleg dafur die Zerstorung einiger Panzer und Flugzeuge anfuhrt, spricht
daraus bloss militarische Ahnungslosigkeit. Hier erliegen Medien einer
selbst erzeugten Suggestion: Weil sie ohne militarische Kenntnis unablassig
uber jeden abgeschossenen Helikopter und jeden in Gefangenschaft geratenen
Koalitions-Soldaten dramatisierend berichten, entsteht der Eindruck eines
kompletten Fehlschlags.

Eine solche Berichterstattung ist unprofessionell, weil sie sich uber ihren
Gegenstand nicht sachgerecht unterrichtet und deshalb auch das Publikum
nicht angemessen informiert. Dabei sollte doch gerade der, der den Krieg
hasst, genau wissen, wie er funktioniert.

ARD/ZDF, seit 20. Marz




Diesen Artikel finden Sie auf NZZ Online unter:
http://www.nzz.ch/2003/04/02/vm/page-newzzDE12J2VY-12.html



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