[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]
[infowar.de] Die Hightech-Kriegsprofiteure
Infowar.de, http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
-------------------------------------------------------------
http://www.spiegel.de/netzwelt/technologie/0,1518,243305,00.html
Die Hightech-Kriegsprofiteure
Von Jochen A. Siegle, San Francisco
Ob Kampfjet-Cockpitinstrumente von Nvidia oder
3-D-Schlachtfeld-Visualisierungs-Software von SGI, der Hightech-Krieg im
Irak und die Terrorangst an der Heimatfront beflügeln die Geschäfte
amerikanischer Tech-Unternehmen. Immer mehr Silicon-Valley-Firmen hoffen
nun ebenfalls auf lukrative Verträge aus dem Pentagon.
Die Rechnung schien eigentlich ganz einfach. Im Irak fliegen die Bomben,
bei Technologiefirmen klingeln die Kassen. Bester Kunde dabei: die
Bush-Regierung, die der Branche bereits im vergangenen Jahr Aufträge in
Höhe von 60 Milliarden US-Dollar bescherte. Einerseits pumpt die
Hightech-Obsession von Rumsfelds Mannen Milliarden in die leeren Kassen
von Tech-Unternehmen. Andererseits scheint die vom Department of Homeland
Security geschürte Terror-Paranoia in den USA und das damit einhergehende
neue Sicherheitsbedürfnis der ideale Nährboden für glänzende Geschäfte von
IT-Unternehmen.
In der Tat können derzeit etwa die Hersteller von Tarnanzügen mit mobilen
Computersystemen, Sprengstoff-Erkennungsgeräten, Gesichtserkennungs- und
Instant-Messaging-Monitoring-Programmen oder die Entwickler von
Visualisierungs-Software zur Abbildung virtueller 3D-Kriegsschauplätze
ordentlich von der Krisenstimmung profitieren. Doch Brancheninsider und
-Beobachter sind sich längst einig, dass dies der gebeutelten
Tech-Ökonomie kaum zu einem breiten Aufschwung verhelfen kann.
"Die Erwartungen sind sehr hoch, und wie zahlreiche Fälle zeigen, kann die
angespannte politische Lage und die Terrorangst IT-Firmen durchaus
dienlich sein", sagt Tim Quillin, Analyst für Technologie und
Sicherheitssysteme beim Investmenthaus Stephens in Little Rock, Arkansas.
"Doch nur einige Bereiche werden längerfristig profitieren können."
Dieser Tritt auf die Euphoriebremse kommt nicht von ungefähr. Schließlich
bestätigt auch das U.S. General Accounting Office, es prüft für den
US-Kongress die Vergabe öffentlicher Mittel, dass bislang nur wenige
militärische IT-Großprojekte abgesegnet wurden. Zudem hatte sich die
Industrie bereits nach den Anschlägen vom 11. September mächtig
verkalkuliert: Analysten priesen im Zuge der Terrorattacken eine lukrative
Sicherheitsdividende, Branchenverbände rechneten mit übervollen
Auftragsbüchern - wie Studien zeigen, blieben bedeutende Investitionen
allerdings aus.
"Tech-Warfare" aus dem Silicon Valley
Dennoch gibt es zahlreiche Hightech-Krisengewinnler. Vor allem im Silicon
Valley, wo die "E-Business"- oder "B2B"-Euphorie längst der
"Business-to-government"- und "Business-to-war"-Hoffnung gewichen ist und
hunderte Firmen den potenten Großkunden in Washington beackern.
Silicon Graphics (SGI) mit Sitz in Mountain View ist ein gutes Beispiel.
Sicherheits- und verteidigungsrelevante Produkte, insbesondere für das
US-Verteidigungsministerium, machen gemäß SGI-Sprecher Greg Slabodkin
inzwischen 35 Prozent des Geschäfts aus - rund 15 Prozent mehr als noch
vor einem Jahr. Derzeit mächtig gefragt sei "Urban Warfare Visualisation
Technology" zur Darstellung digitaler Schlachtfelder.
Oder Nvidia: Der Grafikkarten-Pionier aus Santa Clara stattet mit Partner
Quantum 3D Apache-Helikopter, M-1-Abrams-Panzer und F-22-Kampfjets mit
Hightech-Cockpitinstrumenten aus - schließlich hält die Digitalisierung im
Stechschritt Einzug in militärische Armaturenbretter.
Grund genug für Rob Csongor, einen der Direktoren der Firma, deren
3-D-Chips seit Jahren PC-Gamer beim virtuellen Ballern beglücken, bereits
weitere Aufträge aus dem Pentagon zu wittern: Künftig sollen nicht nur
Militär-Fortbewegungsmittel, sondern auch spezielle -Handhelds bestückt
werden; so etwa die derzeit im Irak eingesetzten mobilen
GPS-Positionierungsgeräte.
Doch es gibt auch weit weniger bekannte Profiteure. So etwa Savi
Technology: Der Spezialist für Logistiksoftware aus Sunnyvale konnte sich
im Februar einen 90-Millionen-Dollar-Auftrag von der Army sichern, die nun
ein eigens entwickeltes Savi-System dafür einsetzt, ihre
Nachschubversorgung besser koordinieren zu können. Beim letzten Irak-Krieg
vor zwölf Jahren war aufgrund mangelhafter Beschaffungs- und
Inventursysteme das Chaos ausgebrochen: Auf Docks im persischen Golf
mussten 28.000 Container geöffnet werden, um feststellen zu können, was
sich darin befindet.
Angesichts dieser wenn auch vereinzelten Erfolgsgeschichten ist es kaum
verwunderlich, dass längst unzählige andere große wie kleine
Mainstream-Techfirmen die US-Regierung mit Militär-Hightech und
maßgeschneiderten Produkten für den Heimatschutz zu beliefern versuchen.
Allein dem mit einem Jahresbudget von 37 Milliarden US-Dollar
ausgestatteten Department of Homeland Security sollen bereits zehntausende
Investitionsvorschläge aus der IT-Wirtschaft vorgelegt worden sein -
darunter auch von Schwergewichten wie IBM, Oracle, MicroStrategy oder
Xerox. Andere Technologie-Größen, beispielsweise Microsoft oder American
Management Systems, haben eigene "Heimatschutz"-Abteilungen gegründet, um
sich gezielt um Aufträge von der Ridge-Behörde zu kümmern.
Ethisches Dilemma
Doch allen ökonomischen Verheißungen zum Trotz tun sich längst nicht alle
Tech-Unternehmen leicht mit den Krieg treibenden Auftraggebern aus
Washington. In der San Francisco Bay Area hegt man vielfach sogar ein sehr
ambivalentes Verhältnis zu Anti-Terror- und Militär-Technik.
Einerseits werden mit Satelliten aus Palo Alto irakische Truppen
ausspioniert, verbinden Datennetzwerke aus Santa Clara Frontsoldaten mit
ihren Kommandozentralen und tragen Jet-Piloten futuristische Helme mit
integrierten transparenten Bildschirmen "made in" San Jose. Über 900
Bay-Area-Unternehmen belieferten die US-Streitkräfte 2002 mit Waren und
Dienstleistungen in Höhe von über vier Milliarden US-Dollar - darunter
neben traditionellen Rüstungsausstattern wie Lockheed Martin, General
Dynamics oder Bechtel, deren Zentralen seit Kriegsbeginn immer wieder Ziel
von Protestmärschen wurden, auch viele Start-ups und Kleinstfirmen.
Andererseits ist die Region um die Bucht von San Francisco keinesfalls nur
Heimat unzähliger Tech-Companys, Tüftler und Risikofinanziers, die mit
Militär-Technik Kasse machen. Vielmehr liegt hier auch das einstige
Epizentrum der US-Friedensbewegung, die das Ende des Vietnam-Kriegs
einläutete. So ist es auch Ehrensache, dass man derzeit mit an der
Vorfront der "No oil for blood"-Protestbewegung steht.
Das führt zwangsläufig zu Konflikten - und teilweise sogar zu bizarren
Formen der Selbstzensur: Silicon-Valley-Worker berichten darüber, aus
Furcht vor Repressalien sowie auf Anraten von Personalexperten keinesfalls
am Arbeitsplatz ihre Haltung zum Irak-Krieg zum Ausdruck zu bringen oder
die Beteiligung an Friedensdemos zuzugeben.
Ex-Friedensaktivisten machen Kasse
Deutlich wird dieses gespaltene Verhältnis auch bei den Gründern der Firma
Wind River Systems. Als junge Männer hatten David Wilner und Jerry Fiddler
massiv gegen den Vietnam-Krieg opponiert - Fiddler sieht nach wie vor fast
wie ein Hippie aus.
Nichtsdestotrotz beliefert ihr Anfang der achtziger Jahre in einer Garage
in Berkeley gestartetes Unternehmen nun hauptsächlich das Militär.
Darunter vor allem mit Software für Handgeräte zur Erkennung chemischer
und biologischer Waffen - erst jüngst orderte das Pentagon 250.000 Stück
dieser "Handhelds" -, aber auch mit Militär-Kommunikationssystemen oder
Navigationshilfen zur Erhöhung der Zielgenauigkeit von Bomben.
Während sich Fiddler dieser Tage um eine Position zum Irak-Konflikt
herumwindet, jedoch die Vorzüge seiner Produkte für die US-Militärs preist
und Sätze von sich gibt wie "die Welt ist heute aufgrund der technischen
Möglichkeiten des US-Militärs sicherer", wettert Wilner ganz offen gegen
die Bush-Krieger und beteiligt sich an Protestmärschen.
Im Gegensatz zu Fiddler kann ihm der Zorn verärgerter Militärs auch nicht
mehr direkt ökonomisch schaden: Pazifist Wilner hat die gemeinsam
gestartete Firma schon vor vier Jahren verlassen.
---------------------------------------------------------------
Liste verlassen:
Mail an infowar -
de-request -!
- infopeace -
de mit "unsubscribe" im Text.