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[infowar.de] TELEPOLIS: Auslassungen und Verdrehungen
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Auslassungen und Verdrehungen
Werner Schmitz 05.04.2003
CNN im Krieg mit unbequemen Wahrheiten
Im Krieg wie im Journalismus werden Fehler gemacht. Das ist
bedauerlich, aber kaum zu vermeiden. Entscheidend ist jedoch, wie mit
den Fehlern umgegangen wird. Hier ist ein abschreckendes Beispiel wie
CNN mit unangenehmen Wahrheiten im Irak-Krieg verfährt: Am Montag
wurden mehrere Frauen und Kinder bei einem Checkpoint von US-Soldaten
getötet, weil ihr Auto angeblich nicht angehalten hat. Die US-Armee
erklärte, dass zuvor Warnschüsse in die Luft und in den Kühler
abgegeben wurden ( Die andere Seite [1]).
Allerdings befand sich ein in die Truppe eingebundener Reporter der
"Washington Post" an diesem Checkpoint. Seine Darstellung [2] weicht in
wesentlichen Punkten von der offiziellen Erklärung ab. CNN erwähnt [3]
zwar den Reporter und seine Darstellung auf ihrer Internetseite, doch
der Leser wird trotzdem auf die falsche Spur geführt:
"In a story on the paper's Web site, The Washington Post reporter wrote
that the unit's captain ordered the first warning shot. As the
four-wheel drive Toyota continued down the road, the captain ordered
one round fired into its radiator. After that failed to stop the
vehicle, according to the Post reporter, the captain yelled "Stop him,
Red 1, stop him!" That was followed by about a half-dozen shots from
the 25 mm cannon on the platoon's Bradley armored vehicle, the reporter
wrote."
Verdrehungen, falsche Akzentsetzungen, Weglassen
All diese Sätze sind vollkommen richtig - eigentlich. Nur: Die alles
entscheidende Information, die die ganze Geschichte in einem völlig
anderen Licht erscheinen lässt, fehlt. Laut dem Reporter wurden die
beiden Befehle zu den Warnschüssen in die Luft und in den Kühler von
den Soldaten NICHT befolgt - entweder weil sie sie nicht gehört haben
oder weil sie mit etwas anderem beschäftigt waren. Es hat also keine
Warnschüsse und somit auch keine Aufforderung für die Fahrerin gegeben,
das Auto anzuhalten. Die erste Aufforderung waren circa sechs
Explosivgeschosse, die in der Fahrgastkabine einschlugen.
Das ist eine entscheidende Information, die den CNN-Lesern
unterschlagen wurde. Und niemand kann ernsthaft sagen, dass es ein
"Versehen" oder eine "Schlamperei" war. Dazu war es zu kunstvoll
gemacht: Zumindest kann dem Sender nicht der billige Vorwurf "CNN lügt"
gemacht werden. CNN - das gilt auch für das internationale TV-Programm
- arbeitet viel subtiler, mit Verdrehungen, mit falschen
Akzentsetzungen, mit Weglassen. Im Ergebnis kommt jedoch eine falsche
Information beim Publikum an. Gibt es dafür ein anderes Wort als
Propaganda?
Die US-Soldaten hatten einfach einen Fehler gemacht. CNN versuchte das
zu vertuschen. Und im Fernsehen wurde die verzerrte
CNN-Berichterstattung über den Checkpoint-Vorfall fortgesetzt. Der
Sender machte sich sogar die Mühe, eine aufwendige Computeranimation zu
erstellen - und hat wahrscheinlich noch mehr Mühe aufgewandt, um es
wieder falsch hinzukriegen.
Genaue Identifizierung wird "vergessen"
Zuerst wird ausführlich die offizielle Version von den Warnschüssen
erzählt, dann wird die Animation an den Anfang zurückgefahren, um die
Version des "Washington-Post"-Reporters zu bringen. Leider wurde von
CNN diese genauere Identifizierung "vergessen", in der Animation ist
lediglich die Rede von einem "Zeugen". So wird unterstellt, dass es
sich um einen irakischen Zeugen handeln muss, wobei CNN wohl annimmt,
dass irakische Zeugen per se als unglaubwürdig zu gelten haben.
Noch ein Detail ist bemerkenswert: In der Animation wird das Auto erst
beschossen, als es bis auf etwa zwei bis drei Meter an den Checkpoint
herangekommen ist. Aus der Erzählung des "Washington-Post"-Reporters
geht jedoch hervor, dass der Offizier auch nach dem Beschuss das Auto
immer noch mit einem Fernglas beobachtete. Das dürfte er kaum getan
haben, wenn das Auto nur noch wenige Meter entfernt war.
Man kann CNN nicht vorwerfen, grundsätzlich Propaganda zu betreiben,
keineswegs. In vielen Fällen gibt es dazu auch wenig Grund, etwa bei
innenpolitischen US-Themen wie Parteipolitik, Minderheiten,
Gesundheitspolitik etc. Es gibt aber zwei neuralgische Punkte, bei
denen diese feingesteuerte Manipulation des Publikums immer wieder
auftaucht: Das ist Israel und die arabische Welt.
CNN-Reporter protestieren gegen Eingriffe der Zentrale
Nach dem 11. September hatte diese feingesteuerte Manipulation
erstaunlicherweise etwas nachgelassen, vermutlich weil die
US-Öffentlichkeit wirklich begierig war, mehr über die Araber, den
Islam und die ganzen Nahost-Konflikte zu erfahren. Plötzlich kamen
eloquente Vertreter der Palästinenser oder Araber zu Wort, die es
verstanden, ihre Position überzeugend zu vertreten. Früher hatte CNN
nur eindimensionale Ideologen und abschreckende Radikalinskis
eingeladen, mit denen ihre israelischen Diskussionsgegner leichtes
Spiel hatten. Aber mit der Zuspitzung des Irak-Konfliktes ist es jetzt
mit dieser Offenheit natürlich wieder vorbei.
Und es sollte einen schon bedenklich stimmen, wenn sogar die eigenen
Reporter gegen die Verdrehungen ihrer Berichte aus Israel protestieren:
So geschah es nämlich, als CNN-Reporter darüber berichten wollten, dass
Krankenwagen des palästinensischen Roten Halbmondes von israelischen
Soldaten beschossen wurden. Der Bericht wurde in der CNN-Zentrale
zweimal kunstvoll überarbeitet. Heraus kam, dass die Krankenwagen in
ein "Kreuzfeuer" geraten waren, wobei - laut den CNN-Reportern
wahrheitswidrig - suggeriert wurde, dass auch Palästinenser auf die
Wagen gefeuert hätten. Verdrehungen, falsche Akzentsetzungen,
Weglassen.
Nachbemerkung: Eine Email, die die CNN-Redaktion darauf hinwies, dass
der Bericht des "Washington-Post"-Reporters fehlerhaft wiedergegeben
wurde, blieb ohne Antwort und ohne Wirkung; CNN veränderte den Text
nicht.
Links
[1] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/14517/1.html
[2] http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/articles/A61229-2003Mar31.html
[3]
http://www.cnn.com/2003/WORLD/meast/04/01/sprj.irq.van.shooting/index.ht
ml
Telepolis Artikel-URL:
http://www.telepolis.de/deutsch/special/irak/14543/1.html
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