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[infowar.de] Beseitigung und Einschüchterung der Augen der Weltöffentlichlichkeit
Infowar.de, http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
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http://www.telepolis.de/deutsch/special/irak/14570/1.html
Beseitigung und Einschüchterung der Augen der Weltöffentlichlichkeit
Florian Rötzer 09.04.2003
Journalistenorganisationen sprechen angesichts des wiederholten
Beschusses von nicht-eingebetteten Journalisten durch das US-Militär
von Kriegsverbrechen und verlangen Bestrafung der Schuldigen
Die offenkundig gezielte Bombardierung des Büros von al-Dschasira in
Bagdad ist, weil den US-Militärs Ort und Anwesenheit des Senders längst
bekannt war, der nur noch als terroristisch zu bezeichnende Versuch,
lästige Augen einzuschüchtern und zu vertreiben, die beim vermutlich
schmutzigen Endkampf um Bagdad durch das Aussenden von unerwünschten
Bildern stören. Die Amerikaner zu Hause erwarten eine Befreiungsarmee,
die mit ihren Hightech-Tötungsmaschine einen sauberen Präzisionskrieg
gegen die Feinde führt, die jubelnde Bevölkerung aber verschont. Auch
der Weltöffentlichkeit soll der gerechte und gute Krieg vorgeführt
werden. Jetzt musste, um es deutlich zu sagen, offenbar eine "gezielte
Tötung" oder ein Mordanschlag für die nötige Warnung sorgen, dass das
Leben der nicht-eingebetteten, also: freien oder unabhängigen
Journalisten nicht mehr geschont wird ( Bombenzensur oder
"Kollateralschaden"? [1]).
Auch der Beschuss des Palestina-Hotels, in dem sich bekanntermaßen die
ausländischen Journalisten aufhalten, könnte als eine solche Warnung
mit Todesfolgen verstanden werden. Wie mehrere anwesende Reporter
berichteten, gab es vom Hotel aus keine Schüsse auf den Panzer, wie man
beim US-Militär den Beschuss zu rechtfertigen suchte. Schon vor Beginn
des Krieges hatte man im Pentagon indirekt damit gedroht, dass das
Leben der nicht eingebetteten Journalisten nicht sicher sei und sie
auch beschossen werden könnten ( Bildbereinigung in den Medien [2]).
Das hat man offensichtlich nicht wirklich glauben wollen, zumal lange
Zeit nichts geschehen ist und man nur unter der Kuratel des irakischen
Regimes gestanden hat.
"In many cases we don't know where all journalists are on the
battlefield
Im Pentagon bedauert [3] man, dass die Journalisten beschossen und
einige getötet und verletzt worden sind. Das sei die Gefahr im Krieg,
wenn man sich in einer Todeszone aufhalte. Besonders gefährlich sei [4]
es, wenn Medien Reporter "unilateral" (!) aussenden. Überdies hätten
Soldaten nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, sich zu
verteidigen und zurück zu schießen. Beide Male, so versichert das
Hauptkommando in einer Pressemitteilung [5], sei der Beschuss eine
Reaktion auf "significant enemy fire" gewesen, das vom Hotel bzw. vom
al-Dschasira-Gebäude gekommen wäre. "Leider" hätten sich in diesen
Gebäuden Journalisten befunden, was freilich dem US-Militär mehr als
deutlich klar gewesen ist. Die Schuld wird allein dem irakischen Regime
zugeschoben, das zivile Gebäude für militärische Zwecke nutze. Doch
außer dem Militär kann keiner der Augenzeugen das behauptete
"significant enemy fire" bestätigen. Man untersucht den Vorfall, wird
aber voraussichtlich, ebenso wie bei der Bombardierung des Marktes, bei
dem zahlreiche Zivilisten getötet und verletzt wurden, zu keinem
Ergebnis kommen. Erstaunlich für eine Hightech-Armee, die nicht wissen
will, wo ihre Flugzeuge sich zu einer bestimmten Zeit aufgehalten und
welche Ziele sie beschossen haben.
General Brooks gab sich auf der gestrigen Pressekonferenz [6] in Doha
sicher, dass man sicherlich keine Journalisten beschieße: "We certainly
know that we don't target journalists." Das ist schon eine etwas
eigenartige Formulierung. Man könne aber bei den nicht eingebetteten
Journalisten nicht immer wissen, wo sie sich aufhalten, woran das
irakische Regime schuld ist:
"The regime does not seem to want to change its methods of providing a
higher degree of protection to journalists that in many cases we don't
know where all journalists are on the battlefield. We certainly know
where the embedded journalists are at any given time that are operating
with our formations. And that was a conscious decision to take in
embedded journalists."
Das ist nicht nur ein deutlicher Hinweis an die unerwünschten
Berichterstatter, die vom Militär nicht kontrolliert werden können,
sondern eigentlich auch eine Frechheit, da ja nicht Journalisten
irgendwo in Bagdad beschossen wurden, sondern in ihren lange bekannten
Aufenthaltsorten.
Auch wenn möglicherweise der Beschuss des Palestina-Hotels der Irrtum
eines verängstigten, zu schnell reagierenden Soldaten gewesen sein mag
und Journalisten, die sich im Kriegsgebiet aufhalten, eine Art von
Abenteuerer sind und das Risiko kennen müssen, das sie eingehen, so
bleibt die Bombardierung eine mörderische Attacke auf unabhängige
Medien. Gerade weil ein arabischer Sender ins Visier geraten ist, der
bekanntermaßen den Unmut der US-Regierung wegen der Verbreitung von
unerwünschten Informationen und Bildern erregt hat, lässt den Verdacht,
den gestern auch viele andere Journalisten geäußert haben, fast
unabweisbar werden. Dass ausgerechnet das al-Dschasira-Büro in Kabul
während des Afghanistan-Kriegs auch zum Ziel einer amerikanischen
Präzisionsbombe geworden war, verstärkt ihn weiter.
Ganz eindeutig wäre der von den USA boykottierte Strafgerichtshof zur
Aufklärung von Kriegsverbrechen notwendig
Obgleich ein Menschenleben in einem Krieg nicht viel wert ist, wäre
eine Bombardierung von Zivilisten mit Tötungsabsicht ein
Kriegsverbrechen. Der Versuch, mit Schüssen auf Journalisten, die
keineswegs im Dienst der feindlichen Propaganda arbeiten, und ihre
Büros, diese zu vertreiben, ist zudem auch politisch ein Desaster für
eine Armee, die angetreten ist, eine Diktatur im Namen der Freiheit und
der Demokratie, wozu auch die Pressefreiheit gehört, zu stürzen.
Noch dazu rufen nun Mitarbeiter der Fernsehsender al-Dschasira und Abu
Dhabi TV gemeinsam Hilfsorganisationen zur Unterstützung auf, weil sie
anscheinend um ihr Leben fürchten müssen. Abu Dhabi TV sendete die
Mitteilung, dass "25 Journalisten und Techniker", die sich in den
Räumen von Abu Dhabi TV in Bagdad befinden, von Panzern eingeschlossen
seien: "Wir sind in einem militärischen Gebiet eingeschlossen, wo es
keine Zivilisten mit der Ausnahme des Teams des Abu Dhabi TV und von
fünf Mitarbeitern von al-Dschasira gibt". Das Internationale Rote Kreuz
und andere Organisationen werden gebeten, schnell einzugreifen und die
Journalisten aus dieser Zone herauszuholen, "in der Raketen und
Granaten in unglaublicher Weise einschlagen". Auch der Chefredakteur
des Senders, Ibrahim Hilal, rief [7] die anglo-amerikanischen Truppen
auf, "die Journalisten ausfindig zu machen und ihnen zu helfen, aus dem
Gebiet herauszukommen. Ich glaube, dass keiner von ihnen mehr sicher
ist."
Das Committee to Protect Journalists [8] hat in einem Brief an
US-Verteidgungsminister Rumsfeld eine sofortige Aufklärung der Vorfälle
verlangt. Die Bombardierung des Gebäudes von al-Dschasira lege nahe,
dass sie absichtlich geschehen sei. Die Organisation geht davon aus,
dass die Angriffe ein Kriegsverbrechen sind und gegen die Genfer
Konvention verstoßen, die das Pentagon unlängst noch bemüht hatte, um
die Verbreitung von Bildern amerikanischer Kriegsgefangener zu
verhindern. Der Beschuss der beiden arabischen Sender sei deswegen
besonders bedenklich, weil dieser "hier seit Wochen offen gearbeitet
und Bilder vom Krieg für die Welt gesendet hat".
Deutlich hat der Internationale Journalistenverband IFJ die Angriffe
verurteilt [9]. Sie seien Kriegsverbrechen, die bestraft werden müssen.
Man könne nicht für die Demokratie mit dem Leben von Journalisten
kämpfen. Überdies wird gefordert, den bereits zu Beginn des Krieges
erfolgten Beschuss von deutlich markierten Fahrzeugen aufzuklären, bei
dem drei Journalisten des britischen Senders ITN getötet wurden.
Auch die "Reporter ohne Grenzen" gehen davon aus, dass das
al-Dschasira-Gebäude und das Palestine-Hotel absichtlich beschossen
wurde. Schon zuvor [10] wurde das Hotel in Basra beschossen, in dem
sich bekanntermaßen al-Dschasira-Mitarbeiter aufhielten. Gestern wurde
auch noch auf ein gekennzeichnetes Auto des arabischen Senders
geschossen. Die Organisation weist [11] auf einen Film und Berichte von
Journalisten hin, die zeigen sollen, dass es in der Umgebung des Hotels
völlig ruhig gewesen sei und dass der Panzer in aller Ruhe gezielt und
dann geschossen habe. Viele nicht-eingebettete Journalisten hätten sich
über den Umgang des US-Militärs beklagt. Erwähnt wird auch der Vorfall,
bei dem Journalisten zwei Tage lange von Soldaten festgehalten und
misshandelt wurden.
Gezielte Tötungen finden aber auch im weiter schwelenden
palästinensisch-israelischen Konflikt statt, den der Krieg im Irak
beiseite gedrängt hat - Vorbild auch für die neue Politik der
US-Regierung: Uncle Sam und die "Snatch Option" des Präsidenten [12]
und Mord im Auftrag des US-Präsidenten [13]). So hat ein israelisches
F-16-Kampfflugzeug gestern ein Auto in Gaza Stadt mit Raketen
beschossen [14] und dabei alle fünf Insassen getötet. Weitere 47
Menschen wurde im Lauf des Angriffs teils schwer verletzt. Dieser
tatsächlich staatsterroristisch zu nennende Anschlag [15] war auf
Hamas-Mitglieder gerichtet. So sollen sich As'id Arbid, einer der
militärischen Führer der Organisation, und Aschraf Halabi, sein
Stellvertreter, im Wagen befunden haben, aber auch zwei Kinder im Alter
von vier und fünfzehn Jahren. Nach dem Angriff mit der F-16 habe sich
um den Unfallort eine große Menge gebildet, die durch die Ankunft eines
Apache-Hubschraubers in Panik geraten sei. Von dem aus sollen dann
weitere Raketen in die Menge geschossen worden sein. Haaretz betont,
dies sei der erste Luftangriff seit Beginn des Irak-Kriegs gewesen.
Links
[1] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/14562/1.html
[2] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/14399/1.html
[3] http://www.alertnet.org/thenews/newsdesk/N08183891.htm
[4] http://www.defenselink.mil/news/Apr2003/n04082003_200304086.html
[5]
http://www.centcom.mil/CENTCOMNews/news_release.asp?NewsRelease=20030485
.txt
[6]
http://www.centcom.mil/CENTCOMNews/news_release.asp?NewsRelease=20030486
.txt
[7]
http://story.news.yahoo.com/news?tmpl=story&u=/afp/20030408/wl_mideast_a
fp/iraq_war_media_aljazeera_030408205800
[8] http://www.cpj.org/news/2003/Iraq08apr03na.html
[9] http://www.ifj.org/publications/press/pr/030408iraq.html
[10] http://www.rsf.org/article.php3?id_article=5945
[11] http://www.rsf.org/article.php3?id_article=5975
[12] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/13694/1.html
[13] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/13796/1.html
[14] http://www.haaretzdaily.com/hasen/spages/282002.html
[15] http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/articles/A57180-2003Apr8.html
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