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[infowar.de] Pentagon entwickelt umfassendes Videoüberwachungssystem für Städte



Infowar.de, http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
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http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/co/15124/1.html 

Die überwachte Stadt

Florian Rötzer   03.07.2003 

Das Pentagon will ein Videoüberwachungssystem entwickeln, das 
automatisch alle Bewegungen von Fahrzeugen analysieren und 
zurückverfolgen kann 

In den USA erlebt Grundlagenforschung der besonderen Art wie in den 
Zeiten des Kalten Kriegs wieder mit angeschwollenen Rüstungsbudget eine 
Blüte. Die Bekämpfung des Terrorismus im In- und Ausland scheint die 
Fantasie anzuregen und bringt im Umkreis der Darpa, der 
Forschungsabteilung des Pentagon, allerlei Visionen von neuen 
Waffensystemen (  Globale Angriffs- und Zerstörungskapazität [1]) oder 
Robotern (  Denn sie sollen wissen, was sie tun [2]) und auch von 
Überwachungs- und Datenerfassungstechnologien hervor (  Datamining und 
Gerüchte-Sammeln gegen den Terror [3]). Gerade ist wieder einmal eine 
Projektausschreibung bekannt geworden. Ein wenig oder auch bewusst 
irreführend genannt, soll ein System Combat Zones That See (CTS) 
entwickelt werden, das mit intelligenten Videoüberwachungskameras eine 
ganze Stadt überwacht. 

Mit  CTS [4], das perfekt in die Entwicklungslinie von 
Überwachungsprojekten wie dem Total Information Awareness System ( 
 Weltweites Schnüffelsystem [5]) oder LifeLog (  Ölpolitik [6]) passt, 
soll ein Stadtgebiet mit Tausenden von Kameras permanent überwacht 
werden. Damit sollen automatisch vor allem alle Autos und ihre 
Insassen, aber auch Fußgänger über Gesichts- und Mustererkennung 
identifiziert und über das gesamte Stadtgebiet hinweg verfolgt werden 
können. Computerprogramme sollen den immensen Datenfluss selbständig 
analysieren, ungewöhnliches Verhalten feststellen und "Verbindungen 
zwischen Orten, Menschen und Aktivitätszeiten" schaffen. 

Die gesamten Aufzeichnungen will man auch speichern, um in der Lage zu 
sein, nach einem Ereignis wie einem Anschlag oder einem Überfall ein 
Auto oder die Täter zurück- und weiterverfolgen zu können. Damit ließe 
sich womöglich feststellen, woher die Täter kommen und wohin sie 
flüchten, wen sie getroffen und was sie an anderen Tagen gemacht haben. 
Begründet wird die Notwendigkeit des Systems militärisch. In urbanen 
Gebieten seien militärische Operationen äußerst gefährlich: 

Straßenschluchten und Verstecke im Überfluss lassen Fernüberwachung von 
luft- oder weltraumbasierten Plattformen unwirksam werden. Die kurzen 
Sichtverhältnisse neutralisieren einen Großteil der Fern- und 
Situationsüberwachungsvorteile, von denen die US-Streitkräfte 
gegenwärtig profitieren. Viele Zivilisten und das stets präsente Risiko 
von Kollateralschäden schließen den Einsatz überwältigender Gewalt aus. 
Stadtkämpfe wurden daher als etwas betrachtet, was man vermeiden 
sollte. Moderne asymmetrische Bedrohungen versuchen jedoch, diese 
Begrenzungen für sich zu nutzen, indem man sich in Städten versteckt 
und die US-Streitkräfte zwingt, in Städten zu kämpfen.   

CTS soll jetzt "erstmals" Überwachungssysteme schaffen, die 
automatische die Videobilder analysieren, um die Informationen zu jeder 
Zeit zu liefern, die für Militäroperationen in Städten erforderlich 
sind. Vorstellen kann man sich den Einsatz eines solchen Systems für 
Städte, die bereits eingenommen sind und wie beispielsweise die Städte 
im Irak überwacht werden sollen, um Widerstandsaktionen besser erkennen 
und bekämpfen zu können. Allerdings sollte man meinen, dass ein solches 
Überwachungssystem auch zu einem primären Ziel von Gegnern werden 
sollte, während ein Einsatz in einer Nichtkampfzone etwa zur 
Verbrechensbekämpfung wesentlich sinnvoller erscheint. 

Nach der Darpa-Sprecherin Jan Walker soll CTS aber keinesfalls für 
Zwecke der Polizei oder des "Heimatschutzministeriums" entwickelt 
werden. Angeblich könne man es zu anderen als den vorgesehenen 
militärischen Zwecken auch nur mit "großen Veränderungen" nutzen. Das 
ist wenig glaubwürdig schon auch deswegen, weil Möglichkeiten, dies es 
einmal gibt, egal, wo sie entwickelt werden, dann auch zu anderen 
Zwecken verwendet werden können, zumal in der Sicherheitshysterie, die 
derzeit in den USA herrscht und von der Bush-Regierung geschürt wird. 
Ansatzweise wird ein Videoüberwachungssystem in London bereits zur 
Verkehrskontrolle, aber auch im Rahmen der Strafverfolgung eingesetzt ( 
 Terrorabwehr und Staureduktion [7]). 

Kritiker wie Steven Aftergood von der American Federation of Scientists 
(FAS)  warnen [8] denn wohl auch zurecht davor, dass dann, wenn einmal 
ein solches System entwickelt ist, Unternehmen eigene Versionen 
produzieren und für alle möglichen Zwecke auf den Markt bringen werden. 
Und selbst wenn aus amerikanischer Perspektive CTS, sollte es jemals 
einsatzfähig sein, nur in ausländischen Städten eingesetzt werden, so 
wird die Stadtüberwachung dennoch nicht für etwaige Verbrecher, 
Terroristen oder Befreiungskämpfer, sondern auch für alle anderen 
Bürger höchst aufdringlich werden, wenn ihre Aktivitäten im 
öffentlichen Raum möglicherweise noch wochen- oder monatelang 
rückverfolgbar sein sollten. 

Darpa investiert in das Projekt erst einmal bis zu 12 Millionen Dollar 
über einen Zeitraum von drei Jahren. Entwickelt werden soll es in zwei 
Stufen. In der ersten Phase soll ein kleines System mit auf dem Markt 
angebotener Technik fertiggestellt werden, das in Fort Belvoir, 
Virginia, installiert wird und als Testplattform dient (angeblich, um 
Truppen zu schützen). Hauptzweck ist, Fahrzeuge über größere 
Entfernungen hinweg mit an relativ weit voneinander entfernten Orten 
angebrachten Überwachungskameras verfolgen zu können. Mindestens 30 
Kameras sollen es sein. 

Als zweiter Schritt ist eine Installation in einer ausländischen Stadt 
angedacht. Womöglich kämen Kabul oder Bagdad dafür in Frage. Als 
Anwendungszweck werden hier militärische Operationen in urbanem Gelände 
(MOUT) für mobile Einheiten genannt. Demonstriert werden müsse die 
schnelle Installation eines solchen Überwachungssystems. in 12 Stunden 
sollen mindestens 100 Kameras einsatzbereit sein. 

Ende März ist das Projekt möglichen Vertragspartnern bereits 
vorgestellt worden. Hier wurde darauf  hingewiesen [9], dass das System 
sowohl für die Polizei als auch für das Militär nützlich sein könnte. 
Als Beispiel für eine Anwendung wurde von der Darpa ein terroristischer 
Anschlag auf einen Bushalteplatz sowie ein Bombenanschlag auf eine 
Disco in Sarajewo beschrieben, die einen Monat auseinander liegen. Mit 
dem gewünschten CTS-System sollte die Bewegung eines jeden Fahrzeugs, 
das die Tatorte eine Stunde vor den Anschlägen passiert hat, 
zurückverfolgt werden können. Ihre Fahrwege sollten verglichen und 
Fahrzeuge identifiziert werden, die vom selben Ort kommen oder zum 
selben Ort fahren. 

Links 

[1] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/15112/1.html
[2] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/robo/13680/1.html
[3] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/15078/1.html
[4] http://www.darpa.mil/baa/baa03-15.htm
[5] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/13647/1.html
[6] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/14829/1.html
[7] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/14217/1.html
[8] http://www.msnbc.com/news/933707.asp?0dm=N12MT&cp1=1
[9] http://www.msnbc.com/news/933707.asp?0dm=N12MT&cp1=1

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