[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]
[infowar.de] Offener Standard für "Network Centric Warfare" gefordert (lesbar)
Infowar.de, http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
-------------------------------------------------------------
Offener Standard für "Network Centric Warfare" gefordert
[05.09.2003 10:29 ]
Die deutsche wehrtechnische Wirtschaft macht sich Sorgen, dass sie keinen
Anschluss ans digitale Schlachtfeld findet. Die vernetzte Kriegsführung
(Network Centric Warfare), in der Internet-gestützte Sensoren und
Aufklärungssysteme dem Soldaten im Feld idealerweise maßgeschneidert die
gerade benötigten Informationen servieren, ist eine amerikanische
Erfindung. Bislang bestimmen daher in diesem jungen, erstmals in
Afghanistan und dem Irak-Krieg eingesetzten Bereich der
Informationstechnologie amerikanische Konzerne wie Boeing mit
untergeordneten Systemintegratoren oder Microsoft die Gangart und die
Software. Doch auch Truppenteile der NATO-Staaten sollen im Rahmen einer
ersten "Response Force[1]" in den kommenden Monaten für den
netzwerkzentrierten Krieg aufgerüstet werden. Die Bundeswehr will sich in
diesem Prozess nicht nur als Zuschauer, sondern als gestaltender Partner
beteiligt wissen. Dafür braucht sie die Unterstützung der einheimischen
Rüstungsindustrie. Die will bei der Lösungsfindung ein Wörtchen mitreden.
Die USA seien zwar der absolute Maßstab, was Network Centric Warfare (NCW)
angehe, erklärte Michael Krüger von der Abteilung Defense and Civil
Systems bei der Münchner EADS[2] auf dem Symposium Network Centric
Capabilities[3] der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik[4]. Aber eine
"US-Plug&Play-only"-Lösung dürfe es in diesem Bereich nicht geben. Die im
NATO-Prozess geforderte Interoperabilität auf der Truppenebene erfordere
auch die Interoperabilität der Sensor-, Informations- und Waffensysteme,
ergänzte Harald Buschek, Leiter Systemanalyse der zur fränkischen Firma
Diehl VA-Systeme[5] gehörenden Bodenseewerk Gerätetechnik GmbH (BGT[6]).
Damit die vernetzte Kriegsführung überhaupt Sinn mache, müssten alle
relevanten Teilnehmer am Netzwerk teilnehmen können. "Wir brauchen einen
freien Zugang und eine gemeinsame Definition der Schnittstellen", forderte
Buschek. Diese dürften nicht proprietär und "nicht patentrechtlich
geschützt sein und werden idealerweise von Amtsseite verwaltet".
In europäischen Militärkreisen wird dieser Anspruch unterstützt. Die
geforderte "Koalitionsfreundlichkeit" der künftigen netzwerkzentrierten
Kriegsplanungen brauche "Standards, Standards, Standards", betonte Rickard
Nordenberg, ehemaliger Captain der schwedischen Streitkräfte, die der
Bundeswehr schon ein Stück weit voraus sind bei der Umsetzung des von den
USA vorgemachten militärischen Transformationsprozesses. Der Berater für
künftige Technologien des schwedischen Führungsstabs will daher auf der
Ebene hinter gängigen Betriebssystem-Architekturen offene Schnittstellen
platziert wissen. Diese Plattformen dürften "nicht von den Update-Zyklen
von Firmen wie Microsoft abhängen", erklärte Nordenberg gegenüber heise
online. Das wäre viel zu teuer und zeitkritisch, was sich mit
militärischen Anforderungen nicht vereinbaren lasse.
Auch funktional glaubt die deutsche wehrtechnische Wirtschaft ihr
Scherflein zu kommenden Systemen für die total vernetzte Kriegsführung
beitragen zu können. Selbstorganisierende Netze, Datensicherheit,
verteilte Datenspeicher in Netzwerken, Agentenumgebungen und
Logistiksysteme sind Bereiche, denkt Buschek, in denen die Forschung und
Entwicklung in Deutschland teilweise schon weiter sei als jenseits des
Atlantiks. Auch beim Einsatz von Content-Management-Systemen und
Filtertechnologien könne man behilflich sein, befand Krüger. Der
EADS-Vertreter sieht aber auch die Notwendigkeit, die europäischen
militärischen Forschungsanstrengungen zunächst selbst weiter zu vernetzen.
Der alte Kontinent brauche wohl "etwas wie die DARPA", gab Krüger zu
bedenken und spielte damit auf die Denkfabrik des Pentagons, die Defense
Advanced Research Projects Agency (DARPA[7]), an, die unter anderem den
Anstoß zur Gründung des Internet gab.
Generell fühlen sich viele traditionelle Firmen von den Bundeswehrplanern,
die munter "Partnerschaften" für NCW-Experimente mit der Industrie
eingehen, aber dafür bislang nichts bezahlen wollen, von der militärischen
Führung im Regen stehen gelassen. "Wir können nicht immer nur in Studien
und Ideen investieren", warnte Burkhard Theile, Hauptabteilungsleiter bei
der Rheinmetall DeTec AG[8]. In Berlin habe anscheinend noch niemand
begriffen, dass es die viel beschworene militärische Transformation nicht
zum Nulltarif gebe. Die USA würden allein in den Forschungs- und
Entwicklungsbereich für NCW sechs Mal so viel wie Gesamt-Europa pumpen,
sprang Krüger dem Mitstreiter bei. Großbritannien wolle daher 1,5
Milliarden britische Pfund in den nächsten drei Jahren investieren, "um
aufzuschließen". Die Bundeswehrstrategen dagegen "müssen erst die Politik
überzeugen", entschuldigte sich Brigadegeneral Manfred Engelhardt fast
schon für die leeren Kassen. Die Konzeption zur Schaffung der "vernetzten
Operationsfähigkeiten" werde aber in den kommenden Monaten erstellt und
dann müsse man auch die Umschichtung von Etat-Teilen prüfen. Über den Sinn
und Zweck der neuen Form der Kriegsführung macht sich dagegen hierzulande
zumindest auf militärischer Ebene anscheinend niemand mehr Gedanken.
Siehe dazu auch:
Bundeswehr richtet sich auf "Network Centric Warfare" aus[9]
Ping of Death -- Militärs setzen auf vernetzte Kriegsführung, c't 19/2003,
S. 88
(Stefan Krempl) / (jk[10]/c't)
--------------------------------------------------------------------------------
URL dieses Artikels:
http://www.heise.de/newsticker/data/jk-05.09.03-001/
Links in diesem Artikel:
[1] http://www.nato.int/docu/update/2003/07-july/e0716e.htm
[2] http://www.eads.net
[3] http://www.heise.de/newsticker/data/wst-04.09.03-004/
[4] http://www.dwt-sgw.de/dwt/index.htm
[5] http://www.diehl-mun.de/
[6] http://www.bgt.de/
[7] http://www.darpa.mil/
[8] http://www.rheinmetall-detec.com/de/index.php
[9] http://www.heise.de/newsticker/data/wst-04.09.03-004/
[10] mailto:jk -!
- ct -
heise -
de
---------------------------------------------------------------
Liste verlassen:
Mail an infowar -
de-request -!
- infopeace -
de mit "unsubscribe" im Text.