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[infowar.de] Das Pentagon und die strategische Kommunikation



Infowar.de, http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
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http://www.telepolis.de/deutsch/special/auf/16266/1.html 

Das Pentagon und die strategische Kommunikation

Florian Rötzer   08.12.2003 

Im "Krieg der Ideen" sucht das Verteidigungsministerium nach 
wirksameren "Informationskampagnen" 

Kriege werden nicht nur mit zerstörerischen Waffen und Heeren gewonnen. 
Die wesentlich auch von der Informationslage abhängige Stimmung der 
kämpfenden Parteien sowie ihrer Alliierten und der Bevölkerung, aber 
auch der Weltöffentlichkeit sind kriegsentscheidende Faktoren. 
Versuche, die Stimmung der Truppen und der Bevölkerung durch gezielte 
Informationen, also mit "psychologischer Kriegsführung" und 
"Informationsoperationen" zu beeinflussen, sind wahrscheinlich so alt 
wie der Krieg selbst. Mit dem Schlamassel im Irak und in der gesamten 
Region, aber auch an der Heimatfront versucht das Pentagon nun wieder 
einmal die Macht der Waffen durch "strategische Kommunikation" zu 
unterstützen. 

Seit dem "Krieg gegen den internationalen Terrorismus" als Reaktion auf 
die Anschläge vom 11.9. hat die Bush-Regierung zwar zwei schnelle 
militärische Siege errungen und sich weltweit militärisch neu 
positioniert, aber die Erfolge waren bislang nur kurzfristig. Während 
in Afghanistan die Kämpfe wieder aufflammen, hat sich der Irak durch 
den Krieg und die Besatzung in einen Konfliktherd verwandelt, der fast 
täglich Opfer fordert und die "Befreier" zu unerwünschten Besatzern 
verwandelt. Viele Muslime fühlen sich vom "Westen" angegriffen, was die 
Ablehnung oder gar den "Kampf der Kulturen" verstärkt hat. 

Propaganda und Gegenpropaganda 

Bombenanschlag auf ein russisches Militärfahrzeug. Aus einem Video von 
Rebellen in Tschetschenien   

Die Dschihad-Extremisten haben eine neue Front gefunden, aber auch 
ihrerseits "strategische Kommunikation", schlicht Propaganda 
entwickelt.  Videos [1], die ihre Taten in den Konfliktzonen 
 zeigen [2], kursieren weltweit und sollen die siegreichen Anschläge 
der netz- oder schwarmförmig organisierten "Widerstandsbewegung" 
zeigen, um neue Rekruten für den Kampf zur Befreiung der islamischen 
Länder zu werben (das Pentagon macht natürlich dasselbe und wirbt 
beispielsweise neue Rekruten mit dem Computerspiel "America's Army"). 
Aber auch die arabischen Massenmedien fördern allein schon dadurch, 
weil sie aus der muslimischen Perspektive berichten, teilweise die 
Differenz zu den USA, die sich als globale Macht der Befreiung aller 
Unterdrückten präsentiert, aber sich doch immer als eigennützig 
interessierte Macht erweisen. 

Nicht zuletzt ist die Bush-Regierung auch Zuhause in Zeiten des 
Wahlkampfs zunehmend wegen des Krieges, der strategischen Schwindeleien 
zu dessen Begründung und der mangelnden Planung der 
Nachkriegssituationen unter Druck geraten (  Ohne Plan und mit 
zweifelhaftem Erfolg [3]). Schon im Februar 2002, als man noch mit 
Afghanistan beschäftigt war, aber schon den nächsten Kriegszug 
vorbereitete, ist bekannt geworden, dass das Pentagon nicht nur die 
Bevölkerung in den feindlichen Ländern durch gefinkelte Informationen 
beeinflussen wollte, sondern auch die Menschen in anderen Ländern, 
selbst in befreundeten, weil diese von der Macht- und Kriegspolitik der 
Supermacht oft nicht überzeugt waren, obgleich manche Regierungen sich 
auf die Seite von Bush stellten.  

Bombensanschlag im Irak. Aus einem Video auf einer islamistischen 
Website   

Damals ließ das Pentagon schnell nach Bekanntwerden der Absicht, ein 
"Office for strategic operations" einzurichten (  Das Pentagon will für 
bessere Propaganda sorgen [4]), diesen Plan - zumindest offiziell - 
wieder fallen (  Aus für die Propaganda-Abteilung des Pentagon [5]), 
was natürlich keineswegs heißt, dass das Pentagon deswegen stets die 
lautere und objektive Wahrheit der Öffentlichkeit mitteilte. Zur 
"strategischen Kommunikation" ist nicht unbedingt eine auch so genannte 
Abteilung notwendig, schließlich war die Kriegsführung im Irak mit dem 
Konzept der eingebetteten Journalisten selbst schon eine zeitweise 
perfekt gelungene Propagandamaßnahme. 

Die arabischen Sender al-Arabiya und al-Dschasira sind 
US-Verteidigungsminister Rumsfeld schon lange ein Dorn im Auge, weil 
sie angeblich Propaganda für den Feind machen und auch mit ihm zusammen 
arbeiten sollen (  Schwierigkeiten mit der Pressefreiheit im Irak [6]). 
Dagegen soll jetzt, während die Amerikaner unter Umgehung des "Filters" 
der Medien direkt vom Pentagon mit Live-Berichten aus Bagdad versorgt 
werden sollen (  Bush-Regierung will den "Filter" der Medien 
überspringen [7]), im Irak ein Medienkonzern mit amerikanischen Geldern 
aufgebaut werden, allerdings auf der Grundlage des Hussein-Senders, was 
vielleicht kein gutes Omen ist. Der wird bislang von der Rüstungsfirma 
 SAIC [8] betrieben, die sich neben militärischen C4I-Systemen 
(command, control, computing, communications, intelligence) auch mit 
"Electronic Combat/Warfare" und " Information Warfare/Information 
Operations" zuständig erklärt, worunter offenbar auch staatseigene 
Medien fallen. 

Kampagne zur "strategischen Beeinflussung" im "Krieg der Ideen" 

Und SAIC ist nun, wie die New York Times  berichtet [9], auch vom 
Pentagon beauftragt worden, für 300.000 US-Dollar, also eigentlich 
Peanuts, einen Vorschlag zu machen, wie eine Kampagne vorgehen könnte, 
um den Kampf gegen den globalen Terrorismus durch eine "wirkungsvolle 
strategische Beeinflussung" zu unterstützen. Der New York Times ist ein 
Dokument vom September 2003 zugespielt worden, in dem vom bislang 
misslungenen Einsatz im "Krieg der Ideen" mit al-Qaida die Rede ist. 
Das ist sicherlich eine richtige Einschätzung, denn die 
Auseinandersetzung mit dem Terrorismus findet nicht primär, wie die 
US-Regierung dies praktizierte, militärisch auf dem Schlachtfeld, 
sondern in der medialen Öffentlichkeit statt. Terrorismus ist seit 
seinem Beginn eine Medienstrategie, keine wie auch immer asymmetrische 
Kriegsführung, auch wenn zu den spektakulären Anschlägen der 
quantitative Aspekt der Toten und Verletzten als Mittel gehört, Angst 
zu verbreiten, Macht zu demonstrieren und Aufmerksamkeit zu finden. 

 Unser Unvermögen, die Initiative im 'Krieg der Ideen' mit al-Qaida zu 
ergreifen, ist vielleicht bislang unser wichtigstes Versäumnis im Krieg 
gegen den Terrorismus. Wir verstehen al-Qaida und ihre Beziehungen zu 
unterstützenden Gemeinschaften in der islamischen Welt nicht 
vollständig, weswegen wir nicht in der Lage sind, eine effektive 
Strategie zu entwickeln, um ihre Propaganda in diesen Gemeinschaften zu 
stoppen, ganz davon abgesehen, die Informationskampagne im Krieg gegen 
den Terrorismus zu gewinnen.   

Aus einem Shockwave-Film auf einer al-Ansar-Website, die den Kampf 
gegen die USA durch Bin Ladin und den Kampf gegen die Russen in 
Tschetschenien verbindet   

Das Pentagon scheint allerdings weiterhin dem in der Bush-Regierung 
tief verwurzelten Glauben zu folgen, dass nicht die praktizierte 
Politik Teil des Problems ist, sondern nur die ungenügende 
Kommunikation. Man muss also durch den Spin der Terroristen, die die 
Menschen täuschen und verführen, mit einem effektiveren Spin 
durchstoßen, damit die verblendeten Menschen die Wahrheit erkennen und 
sich der Sicht der US-Regierung anschließen, deren Präsident 
schließlich glaubt, im geschichtlichen oder gar im göttlichen Auftrag 
zu handeln. 

Ein Ziel des Auftrags sei es, so das Dokument, einen Entwicklungsplan 
zur Umsetzung "einer effektiven Kapazität des Verteidigungsministeriums 
zu schaffen, um effektive Kampagnen zur strategischen Beeinflussung und 
zum operationalen sowie taktischen Wahrnehmungsmanagement zu entwerfen 
und durchzuführen". Offenbar träumt im Pentagon davon, die Menschen mit 
Informationen zu manipulieren zu können, wie man mit Waffen zielgenau 
Menschen töten oder Dinge zerstören kann. Das zwei Mal verwendete Wort 
"effektiv" mag allerdings ein gewisses Misstrauen in eine waffenförmige 
Manipulation von Meinungen andeuten, schließlich geht es bei der 
psychologischen Kriegsführung nicht nur um Abschreckung und 
Einschüchterung, sondern auch um Verführung. 

Kampagne der European Security Advocacy Group 

Das der New York Times zugespielte Papier ist auf den 17.09.2003 
datiert. Um diese Zeit herum hat auch die mysteriöse "European Security 
Advocacy Group" ihre Kampagne gegen den Terrorismus im Allgemeinen mit 
Annoncen in großen europäischen Zeitungen begonnen (  Wer steckt hinter 
der "European Security Advocacy Group"? [10]). Angeblich handelt es 
sich um eine von Norman Vale, Direktor der Beratungs- und Werbeagentur 
Vale International, gegründete Stiftung, von der allerdings nur eine 
wenig erhellende  Hotmail-Emailadresse 
<mailto:Esagfoundation -!
- hotmail -
 com> angegeben wird. Die Gelder für die 
europaweit angelegte Kampagne sollen von Firmen und Privatpersonen 
stammen, die anonym bleiben wollen (  Anonymität ist eine Frage der 
Sicherheit [11]). 

Seltsamerweise scheint die Anzeigenkampagne nicht vielen aufzufallen, 
die durchaus einer "strategischen Beeinflussung" im Sinne des Pentagon 
oder des Weißen Hauses gleichen. Mit den Anzeigen sollen offenbar die 
Leser, die eine gewisse Nähe zu Terroristen verspüren, davon überzeugt 
werden, dass es sich um einen menschenverachtenden Schwindel handelt. 
Rechtfertigungen und Versprechungen der Terroristen - unklar bleibt 
stets wohl mit Absicht, um welche Gruppen es sich dabei handelt, auch 
wenn stets der Bezug zu islamistischen Anschlägen im Vordergrund steht 
- sollen entlarvt werden. 

In der bislang letzten Anzeige, die nach dem ersten Anschlag in 
Istanbul in der SZ (22./23.11.) geschaltet wurde, geht es wiederum 
nicht um den Hintergrund, der Menschen zu Terroristen oder zu 
Sympathisanten von diesen werden lässt, sondern um eine Art von 
Widerlegung ihrer "strategischen Kommunikation". Der Anschlag in 
Istanbul habe "auf geradezu blasphemische Weise Glaube und Religion als 
Rechtfertigung missbraucht" und "die Legende vom 'Heiligen Krieg' 
endgültig zerstört". Die Opfer waren unschuldig, die Täter gespeist - 
die einzige Begründung - durch eine "unheilige Allianz aus Hass und 
falsch verstandenem Nationalismus". Hass ist auch das 
Haupterklärungsmotiv, das die Bush-Regierung hinter al-Qaida und 
anderen Terroristen sieht. 

Bewirken würde Terrorismus nichts, er schaffe weder Frieden, noch 
beseitige er Armut: "Am allerwenigsten aber bringt er einer betrogenen 
Jugend die versprochene Zukunft. Sondern Tod." Das alles ist irgendwie 
richtig und die moralische Verurteilung doch gleichzeitig zu 
vereinfachend und blind für die Komplexität. Auffällig ist, dass die 
Ziele des Hasses und des falschen Nationalismus systematisch ungenannt 
bleiben, als wäre "der Terrorismus" ein Phänomen, das aus völlig 
unerklärlichen Gründen vom Himmel fällt und solange wirkt, bis die 
Terroristen eliminiert sind und ihre Propaganda nicht mehr greift. 

Ohne den Hintergrund vieler schon lange bestehender und jüngst 
geschaffener Konflikte zumindest aufzugreifen und die Verstrickung des 
Westens mit diesen zu thematisieren, wird man die Situationen, aus 
denen "der Terrorismus" seine Rechtfertigung bezieht und die Jugend 
ihrer Zukunft beraubt, nicht auflösen können. Wer nicht nur kalt und 
zweckrational Menschen töten will, sondern mit dem Menschenopfer 
zugleich sein Leben verwirkt, sieht auch im eigenen Tod, im eigenen 
Opfer, im Selbstmord ein Versprechen auf die Zukunft. Das ist unter 
normalen Umständen kaum nachvollziehbar, daher vermutlich auch nicht 
durch vernünftige Argumente zu bekämpfen. 

Aufklärung ist notwendig, auch ein aufgeklärter Islam und 
wahrscheinlich vor allem eine Emanzipation der Frauen, aber Aufklärung 
kann nur dort stattfinden, wo auch ein Ausgang aus der Unmündigkeit 
möglich ist und gewollt, er nicht von außen aufgrund fremder Interessen 
erzwungen wird. Wie also gibt man einer "betrogenen Jugend" eine 
erstrebenswerte Zukunft, die nicht mit Tod und Blut erkauft werden 
muss? Jede fahrlässige Tötung Unschuldiger, wie eben gerade die Kinder 
in Afghanistan, die durch eine US-Bombe getötet wurden, spielt den 
"Terroristen" zu - zumal wenn die Verfehlung wie üblich vom Pentagon 
zugedeckt wird, um die eigenen Soldaten bei der Stange zu halten. 

Links 

[1] http://www.cnn.com/2003/US/12/05/holiday.terror.threat/index.html
[2] 
http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID2751666_TYP6_THE_NA
VSPM1_REF1_BAB2751656,00.html
[3] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/15928/1.html
[4] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/info/11882/1.html
[5] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/info/11952/1.html
[6] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/16169/1.html
[7] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/16101/1.html
[8] http://www.saic.com/
[9] http://www.nytimes.com/2003/12/05/politics/05STRA.html
[10] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/auf/15840/1.html
[11] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/auf/15855/1.html

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