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[infowar.de] Hightech-Soldaten in Frankreich und Europa



Infowar.de, http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
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Auf den folgenden Artikel wurde ich gerade erst aufmerksam gemacht. Mal
etwas mehr aus Frankreich als hier auf der Liste sonst üblich ist. 
Wer weitere Listenrelevante Informationen zu anderen Ländern als DE und
US findet: Immer her damit!
RB


Süddeutsche Zeitung, 3 Januar 2004

Der Krieg der Zukunft findet am Computer statt
Einzug der Informationstechnik in die Armeen: ein Milliarden-Markt für
die Rüstungsindustrie 

Für den Soldaten der Zukunft findet Krieg vor allem mit dem Computer
statt: Hubschrauber, Panzer und Geländewagen sind computerisiert. Auch
der einzelne Soldat ist vollgestopft mit Elektronik: Infrarot-Sensoren
für die Nachtsicht, Laserentfernungsmesser, Sprechfunk, kabellose
Mini-Computer. Antennen und Glasfaser sind in die Uniform eingearbeitet.
Das Visier im Helm erlaubt ihm den Wechsel von der virtuellen in die
reale Welt. In Echtzeit sind die Soldaten über Telekommunikation,
Videosysteme oder Internet auf dem Laufenden über ihre eigene Position,
Positionen des Gegners oder, ob ein Angriff erfolgreich war. Diese
Zukunft ist nah. Die ersten dieser Systeme wurden beispielsweise im
Kosovo-Krieg erprobt. 

Auf einem bewaldeten Höhenzug in der Nähe des bretonischen Rennes, dem
Centre d'electronique d'armement, demonstrierten die französischen
Streitkräfte kürzlich zusammen mit dem nationalen Beschaffungsamt DGA,
was auf dem Testgelände erprobt wird und schon in wenigen Jahren
Wirklichkeit sein soll. Satellitengestützte Karten mit genauen
Positionen des Gegners, verschiedene Optionen, mit welchen Mitteln der
Feind ausgeschaltet werden kann, Ergebniskontrolle. Mit wenigen Clicks
sind alle Informationen verfügbar. 

Jean-Philippe Bouyer scheut sich nicht, von einer "Revolution" zu
sprechen, wenn er von den Veränderungen der Kriegsführung spricht, die
der Einzug der Informationstechnik mit sich bringt. Während früher
Nachrichten über den Ablauf von Schlachten mit großer Verzögerung
eingingen, ja selbst ihr Ausgang manchmal lange unklar blieb, werden
solche Informationen künftig praktisch bei jedem Soldaten in Echtzeit
ankommen. Auch bei der militärischen Nutzung kommt es mehr denn je
darauf an, auf übergeordneter Ebene und lokal die richtigen und
wichtigen Nachrichten auszuwählen, die entsprechenden Schlüsse zu ziehen
und schneller und effizienter zu handeln als der Gegner. "Informationen
sind das zentrale Element der künftigen Kriegsführung. Doch der Mensch
bleibt Haupt-Akteur", glaubt Bouyer, führender Manager des nationalen
französischen Beschaffungsamtes. 

Der Industrie winkt ein Milliardengeschäft. Neben der Artillerie (Atlas
Canon), Radar-Überwachungssystemen taktischer Art (Rapsodie) und
beispielsweise Systemen für gepanzerte Fahrzeuge (SIR), wofür allein die
Franzosen bis 2008 rund 900 Millionen Euro aufwenden, gibt es in allen
europäischen Ländern Programme für die Infanterie. Damit soll taktischen
Veränderungen Rechnung getragen werden, wie sie in Konflikten im Kosovo,
Afghanistan und dem Irak deutlich wurden. Unternehmen wie Thales, EADS,
Giat und viele Zulieferer sind die Hauptakteure in Europa. Allein
Großbritannien will für sein Fist-Programm (First Integrated Soldier
Technology) bis 2011 knapp eine Milliarde Euro ausgeben. Bei den
französischen Streitkräften sollen bis 2010 rund zwei Drittel der
Infanteristen mit Infrarot-Technik für den Nachteinsatz, umfangreichen
Informationssystemen, Display-Systemen im Helm sowie besserer
Schutzkleidung versehen sein (Felin-Programm). 32 000 Systeme sollen bis
dahin ausgeliefert werden (Kosten: 500 Millionen Euro). Vergleichbare
Programme gibt es in Deutschland (Infanterist der Zukunft, IdZ), den
Niederlanden, Spanien, Italien und anderen Ländern. Thales ist
Hauptauftragnehmer in Frankreich und Großbritannien und auch in
Deutschland und anderen Ländern, sogar in den USA, mit von der Partie. 

Die Amerikaner investieren bis 2008 mindestens 2,4 Milliarden Dollar in
ihr Land-Warrior-Programm und wenden insgesamt 50 Milliarden Dollar für
die Informatisierung ihrer Armee auf. Für Thales und die anderen
europäischen Akteure geht es deshalb auch darum, trotz geringerer Mittel
in Europa ein Gegengewicht aufzubauen. Entscheidend wird sein, dass die
europäischen Systeme miteinander kompatibel sind, heißt es bei der
französischen Beschaffungsbehörde. 

Insgesamt geht Thales in Europa in den nächsten zehn bis 15 Jahren von
einem Marktvolumen von acht bis zehn Milliarden Euro allein für die
Infanterie-Systeme aus. Die zwei Hauptprobleme sind die noch zu hohen
Preise und die Notwendigkeit, das Gewicht zu reduzieren: Während ein
solches Ausrüstungssystem noch 30 Kilo wiegt, hat sich Thales zum Ziel
gesetzt, dass ein Soldat maximal 27 Kilo mit sich herumtragen soll. 

Der Mensch als Schwachstelle 

Wenn Leute wie Bouyer von einer Revolution sprechen, dann meinen sie
nicht nur eine technische Revolution. Die Veränderungen haben auch
erhebliche Auswirkungen auf anderen Gebieten. Künftige Soldaten müssen
viel besser ausgebildet sein und länger geschult werden als heute. Wenn
etwa ein Soldat durch die moderne Technik Gegner im Häuserkampf selbst
hinter einer Mauer erkennen kann und zu deren Vernichtung eine kleine
Drohne oder einen Kampf-Roboter schickt, dann bekommt Krieg zunehmend
virtuelle Züge, wird eine Art Videospiel. Nicht jeder muss das so
positiv sehen wie Bouyer, der davon träumt, dass ein unterlegener
Gegner, dem per Computer aufgezeigt wird, dass er keine Chance mehr hat,
freiwillig aufgibt und damit Opfer vermeidet. Bouyer geht von einem
rational denkenden und handelnden Menschen aus. Außerdem: Wenn beide
Gegner dasselbe System nutzen, dann neutralisieren sie sich unter
Umständen gegenseitig. Doch selbst wenn die Technik verlässlich
funktionieren sollte, bliebe der Mensch fehlbar. 

Gerhard Bläske.

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