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Reporter ohne Grenzen im Dienste des US-Außenministeriums?
Nicht 100% Thema der Liste, aber ein interessanter Fall von außenpolitisch
motivierter Aufmerksamkeitssteuerung durch die NED. Oder zumindest des
Versuchs. Die Lage der Pressefreiheit im Irak wird auch erwähnt.
RB
http://www.telepolis.de/r4/artikel/20/20052/1.html
Reporter ohne Grenzen im Dienste des US-Außenministeriums?
Ralf Streck 08.05.2005
Der Leiter der Journalistenorganisation, Robert Ménard, sieht in den
Geldern vom National Endowment for Democracy kein Problem
"Ganz genau, wir erhalten Geld von der NED und das bereitet uns kein
Problem", hat der Chef von Reporter ohne Grenzen Robert Ménard in einem
Diskussionsforum des Nouvel Observateur Mitte April zugegeben (1). Doch
ist das National Endowment for Democracy (2) (NED) nicht irgendeine
Organisation. Sie - und die ihr untergeordneten Stiftungen - unterstehen
dem US-Außenministerium. Gegründet wurde die Stiftung 1983 im Kalten Krieg
unter der Reagen-Administration, um weltweit den Kommunismus zu bekämpfen
und die Demokratie zu stärken. Das hieß zunächst, zielgerichtet eine
Politik zur Destabilisierung Kubas und des sandinistischen Nicaraguas zu
betreiben.
Zwanzig Jahre gibt es die französische Organisation "Reporter ohne
Grenzen" (RSF (3)), zwanzig Jahre steht ihr unangefochten Robert Ménard
vor und zwanzig Jahre sind die Gerüchte nicht verstummt, dass es enge
Beziehungen zum US-Geheimdienst CIA und staatlichen Stellen der USA gibt.
In der letzten Zeit verdichteten sich die Hinweise und Recherchen wiesen
direkt auf die Finanzierung von RSF durch staatliche US-Stellen hin. So
hatte zuletzt die Journalistin Diana Barahona vom US-Journalistenverband
The Newspaper Guild (4) über die RSF-Finanzierung durch NED berichtet (5),
aber auch die Möglichkeit einer Beeinflussung durch die französische
Regierung besonders im Hinblick auf Haiti nahe gelegt. RSF erhält auch
Gelder von der französischen Regierung.
In einem Forum des französischen Wochenmagazins Le Nouvel Observateur
wurde Ménard von einem Netizen direkt auf die Recherchen von Barahona
angesprochen. Er räumte die Finanzierung durch NED ein, sagte aber gleich,
dass ihm das keine Probleme bereite. Das sollte es aber doch. Die von NED
erhaltenen Gelder tauchen nämlich im Rechenschaftsbericht (6) der
Organisation nicht auf. Das aber lässt Misstrauen entstehen und könnte
auch dann, wenn RSF von den genannten und ungenannten Geldgebern
unbeeinflusst bleibt, der gleichwohl wichtigen Arbeit der Organisation
Schaden zufügen. Das Ansehen der Organisation und ihrer Kritik beruht
schließlich auf deren Unabhängigkeit.
Nach den eigenen Angaben zum Finanzjahr 2003 hatte RSF einen Haushalt von
3.472.122 Euros. 11 % seien vom französischen Staat gekommen, 12% von
Mäzenen, 4% von Spenden, 15% von der EU, 10% durch punktuelle Aktionen.
Und dann ist da der größte Posten: 48% sollen durch Publikationen
erwirtschaftet worden sein, wofür die Organisation den Verkauf von eigenen
Publikationen anführt. Das wären fast 250.000 verkaufte Bücher (7), die
jeweils 8 Euro kosten. Das ist nicht wirklich glaubwürdig - oder hat das
NED sich so sehr mit den Fotobüchern eingedeckt?
Das NED, das auch die Oppositionsbewegungen in Serbien oder der Ukraine
unterstützt hat, ist zumindest nicht unbedingt Garant für saubere Politik.
"Der erste Geldempfänger von der NED", so der Ex-CIA-Agent Philip Agee,
"war die Cuban American National Foundation (CANF), die damals das
Sammelbecken der extremsten Castro-Gegner in den USA war, sowohl in
hinsichtlich von Einzelpersonen als auch von Organisationen. Aber der
erste echte Test für dieses neue System kam in Nicaragua." Dort hatte 1979
die sandinistische Befreiungsfront (FSLN) die blutige Somoza-Diktatur
verjagt. Die Logistik, die Organisierung und die Unterstützung der Contras
erfolgte von Honduras aus, wo John Negroponte damals Botschafter war.
Unter Bush wurde Negroponte zunächst US-Botschafter an der UN, danach
US-Botschafter in Bagdad und seit kurzem oberster Geheimdienstchef (John
Negroponte soll oberster US-Geheimdienstchef werden (8)). Finanziert wurde
diese CIA-Intervention während der Amtszeit von Präsident Reagan und
Vizepräsident Bush auch durch Waffenverkäufe an die iranischen Mullahs
(Iran-Contra-Affäre).
Seit längerem wird RSF eine selektive Wahrnehmung von Verstößen gegen die
Pressefreiheit vorgehalten. In Europa kann das am Baskenland beobachtet
werden. Als besondere Bedrohung der Pressefreiheit wird 2004 die baskische
Untergrundorganisation ETA aufgeführt (9), obgleich sie keine tödlichen
Anschläge ausgeführt hatte und auch gegen Pressevertreter oder -organe
seit Jahren nicht mehr vorgegangen war. Die "präventive" Schließung der
baskischen Tageszeitung dagegen wird in dem Jahresbericht mit "Verdacht
auf eine Kollaboration" mit der ETA begründet (Baskische Zeitung und
Website geschlossen (10)). Kein Wort darüber, dass das faktische Verbot
bei der Veröffentlichung des Berichts seit mehr als einem Jahr bestand. Es
besteht bis heute und bisher sind keine Beweise für eine Zusammenarbeit
vorgelegt worden. Dafür haben die Journalisten glaubhaft angezeigt,
gefoltert worden zu sein (Baskische Journalisten gefoltert (11)). Damals
wie heute fehlt die Kritik an der fehlenden Ermittlung der Vorwürfe.
Moniert wird auch nicht, dass in Spanien für die 1998 "präventiv"
geschlossene Zeitung und Radio Egin oder im Fall der Zeitschrift Ardi
Beltza (2000) bis heute kein Prozess durchgeführt wurde. Besonders fällt
allerdings die Militanz gegen Kuba unter Fidel Castro und Venezuela unter
Hugo Chavez auf.
Auch der neueste RSF-Jahresbericht (12), der zum Internationalen Tag der
Pressefreiheit am 3. Mai vorgestellt wurde, könnte den Verdacht
bestätigen. Darin werden 53 getötete Journalisten angeführt und der Irak
gilt als der "gefährlichste Ort" für Journalisten. Doch bei Journalisten,
die von den US-Truppen erschossen wurden, ist die Organisation eher
zurückhaltend, sieht man von der Bombardierung des al-Dschasira-Büros und
dem Beschuss des Palestine Hotels in Bagdad ab. Die von Aufständischen
getöteten oder entführten Journalisten erhalten einen weit höheren
Aufmerksamkeitswert.
Allerdings wurde Ende April die Berichterstattung von RSF über Vorfälle im
Irak - auffällig? - wieder kritischer. So schrieb die Organisation Anfang
Mai einen Brief an General Abizaid und forderte (13) die Freilassung des
für CBS News arbeitenden Kameramanns Abdel Amir Hussein, der Anfang in
April in Mosul festgenommen wurde und seitdem ohne Vorlage von Beweisen in
Abu Ghraib inhaftiert ist. Schon am 26. April, einige Tage nach dem
Eingeständnis, von NED Gelder zu erhalten, zeigte man sich über mehrere
Festnahmen von Journalisten besorgt, die sich teilweise seit Monaten ohne
formelle Anklage in irakischer oder amerikanischer Haft befinden. Soll nun
damit der Verdacht ausgeräumt werden, durch die US-Regierung beeinflusst
zu werden, oder hat sich das zufällig so ergeben?
Was auch immer an den entstandenen Gerüchten wahr oder falsch sein mag,
ein Fehler ist es jedenfalls für eine NGO, ein Geheimnis um die Geldgeber
zu machen oder in den Verdacht der Abhängigkeit zu geraten. Seltsam ist
beispielsweise, dass RSF nur einmal nebenbei den Fall von Sami Al-Haj, ein
Kameramann von al-Dschasira, erwähnt. Er wurde im Dezember 2001 an der
afghanisch-pakistanischen Grenze festgenommen und ist vermutlich seitdem
in Guantanamo verschwunden. Im Inland wird der USA die Note gut im
Hinblick auf die Pressefreiheit zugesprochen, in den von den USA
kontrollierten Gebieten wie dem Irak ist sie hingegen auf den 108. Platz
von insgesamt 167 gefallen. Das scheint wiederum nichts zu beschönigen.
Im Bericht für Amerika fällt auf, dass RSF zu Beginn davon spricht,
"Pressefreiheit wird generell in der Region respektiert". Doch das gelte
nicht für Kuba, die Pressefreiheit werde zudem in Kolumbien verletzt und
sei in Venezuela bedroht. Dann spricht die Organisation von "12 getöteten
Journalisten", drei mehr als im Jahr zuvor: Mexiko (3), Nicaragua (2),
Peru (2) und in anderen Ländern wird jeweils ein toter Journalist beklagt.
Es fällt auf, dass Kuba nicht darunter ist, wo seit 1959 kein Journalist
ermordet wurde. Ganz abgesehen davon, spricht die lateinamerikanische
Journalistenvereinigung CIAP-FELAP (14) von 20 ermordeten Journalisten für
den Kontinent und sogar 117 weltweit. Statt von einer generellen
Pressefreiheit, spricht die lokale Organisation von einer "fatalen
Singularität" und einem neuen "Rekord" für Amerika bei der Zahl der
getöteten Journalisten.
Ganz so einfach wie es sich manche machen, ist es allerdings nicht. RSF
bemüht sich jedenfalls, die Balance zu halten. Manche Einseitigkeiten sind
daher keineswegs von vorneherein auf einen möglichen Einfluss von
Geldgebern zurück zuführen. So heißt es etwa im kürzlich veröffentlichten
Bericht:
--Yet worrying attacks on freedom of expression occurred there in 2004.
Several journalists in the United States were being prosecuted for
refusing to reveal their sources to courts. Some even risk going to prison
or being held under house arrest, all new in a country where the national
constitution says people do not have to testify against themselves.--
Darauf hatte Diana Barahona in ihrem Artikel auch hingewiesen und
gefolgert, dass es mit der "völligen Pressefreiheit", welche die Pariser
Organisation den USA bescheinigt, nicht so weit her ist. Sie erwähnte die
Fälle von Judith Miller und Matthew Cooper. Die Journalistin der New York
Times und der Journalist des Time Magazins wurden zu einer Strafe von 18
Monaten verurteilt, weil sie sich weigerten, Informationsquellen zu
nennen. Sie hatten eine CIA-Agentin aufgedeckt (15). Den Verdacht, hier zu
schweigen, hat RSF aber ausgeräumt. Zum Fall des schwarzen Journalisten
Mumia Abu Jamal hingegen findet man bei RSF nichts. Nur eine massive
Kampagne hatte verhindert, dass dessen Todesurteil nie vollstreckt und in
eine lebenslängliche Haftstrafe umgewandelt wurde (Todesstrafe gegen
Abu-Jamal aufgehoben (16)). Obwohl er Ehrenbürger von Paris ist, hat sich
der Pariser RSF nicht um den Fall gekümmert. Dabei gab es viele
Ungereimtheiten im Verfahren gegen den unbequemen Journalisten, der schon
fast 25 Jahre im Gefängnis sitzt
Neben Kuba, angeblich das einzige Land in Amerika, das Journalisten
inhaftiere und damit China gleich gestellt, schießt die Organisationen
auch scharf gegen Venezuela. Auch hier ist eine Übereinstimmung mit der
US-Außenpolitik festzustellen. So weist Barahona darauf hin, dass das NED
auch die Gruppen und Medien mit angeblich 20 Millionen US-Dollar
unterstützt hat, die 2002 in den Putsch gegen die Regierung Chavez
verwickelt waren (Die (nicht so) verdeckte US-Intervention in Venezuela
(17)). Obwohl diesen Medien die Lizenz nach der Rückkehr von Chavez nicht
entzogen wurde, spricht die RSF von einem "autoritären System" und stellt
sich offen auf die Seite der Putschisten. Nun zieht man gemeinsam gegen
ein bedenkliches Mediengesetz zu Felde, das bisher aber nie angewendet
wurde (Chávez an der Medienfront (18)).
Diese Übereinstimmungen mit der US-Politik und die Besonderheiten bei der
Bewertung von Pressefreiheit können angesichts des Eingeständnisses, dass
die Reporter ohne Grenzen auch durch das NED finanziert werden, den
Verdacht entstehen lassen, dass die Unabhängigkeit von Interessen der
Geldgeber begrenzt sein könnte. Wichtig wäre, dass RSF die Karten offen
auf den Tisch legt, um das Ansehen, das die Organisation zu Recht genießt,
nicht zu unterminieren und die wichtige Arbeit nicht zu gefährden. Ganz
unwichtig ist es eben nicht, von wem man Geld erhält, denn damit sind
Interessen verbunden. Beim National Endowment for Democracy zumal.
LINKS
(1) http://www.nouvelobs.com/forum/archives/forum_284.html
(2) http://www.ned.org/
(3) http://www.rsf.org
(4) http://www.newsguild.org
(5) http://www.newsguild.org/gr/gr_display.php?storyID=2213
(6) http://www.rsf.org/article.php3?id_article=10589
(7) http://www.rsf.org/article.php3?id_article=13328
(8) http://www.telepolis.de/r4/artikel/19/19487/1.html
(9) http://www.rsf.org/rubrique.php3?id_rubrique=422
(10) http://www.telepolis.de/r4/artikel/14/14235/1.html
(11) http://www.telepolis.de/r4/artikel/14/14275/1.html
(12) http://www.rsf.org/rubrique.php3?id_rubrique=509
(13) http://www.rsf.org/article.php3?id_article=13709
(14) http://www.ciap-felap.org/html/right.html
(15) http://nzz.ch/2005/05/06/em/articleCOMQM.html
(16) http://www.telepolis.de/r4/artikel/11/11387/1.html
(17) http://www.telepolis.de/r4/artikel/18/18702/1.html
(18) http://www.telepolis.de/r4/artikel/19/19910/1.html
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