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[infowar.de] Telepolis zu "Chinesischen Cyber-Spies"
Endlich mal etwas gegen den Hype...
RB
http://www.telepolis.de/r4/artikel/20/20824/1.html
Im Pentagon regiert der Konjunktiv
Alfred Krüger 29.08.2005
Steckt das chinesische Militär hinter den zunehmenden Cyber-Attacken auf
US-Regierungsstellen?
Das Pentagon schlägt Alarm. Immer häufiger würden Computernetzwerke der
US-Regierung von China aus angegriffen, heißt es in einem kürzlich
veröffentlichten Bericht der Washington Post (1). Betroffen sei nicht nur
das Verteidigungsministerium, sondern auch andere US-Regierungsstellen.
Computersysteme mit geheimen Informationen seien bisher nicht gehackt
worden, dafür aber Hunderte anderer Systeme mit nicht direkt
sicherheitsrelevanten Daten. Das sei jedoch kein Grund zur Entwarnung,
zitiert die Washington Post nicht namentlich genannte Mitarbeiter aus dem
Pentagon. Man wisse ja: Auch scheinbar harmlose Informationen könnten sich
zu einem Puzzle zusammenfügen, das dem Feind am Ende nützlich sei. Der
Feind heißt diesmal China.
Die Zahl der Hackerangriffe auf US-Regierungsstellen hat in den letzten
Jahren sprunghaft zugenommen, berichtet die Washington Post in ihrer
Online-Ausgabe vom 25. August. Betroffen seien vorrangig die Ministerien
für Verteidigung, Inneres, Energie und die US-Behörde für Heimatschutz.
2003 habe man rund 54.000 versuchte Einbrüche in Regierungsrechner und
-netzwerke gezählt. Im letzten Jahr sei diese Zahl um gut die Hälfte auf
79.000 Fälle angewachsen. Knapp zwei Prozent oder 1300 Hacking-Versuche
waren am Ende erfolgreich.
Gehackt wurden aber lediglich Rechnersysteme mit nicht
sicherheitsrelevanten Informationen, behaupten die Informanten der
Washington Post. Ein Großteil dieser Angriffe lief über Rechner in der
Volksrepublik China. Wie viele Attacken von hier aus gefahren wurden,
wurde nicht bekannt gegeben. Genaue Zahlen und nähere Einzelheiten über
Art und Umfang dieser Angriffe werden aus Geheimhaltungsgründen nicht
genannt. Hackerangriffe aus China würden unter dem Codenamen "Titan Rain"
zusammengefasst. Das FBI sei eingeschaltet worden, um diese Vorfälle zu
untersuchen.
Wer hackt das Pentagon?
Die Frage, wer denn nun tatsächlich hinter den Hackerangriffen auf
US-Regierungsstellen stehe, spaltet die Experten in zwei Lager. Während
die einen behaupten, diese Angriffe seien von der chinesischen Regierung
in Auftrag gegeben und von speziellen IT-Einheiten des chinesischen
Militärs durchgeführt worden, gehen anderen Experten davon aus, dass es
sich bei den Angreifern um ordinäre Hacker handele, die sich chinesischer
Netzwerke bedienen, um ihre wahre Herkunft zu verschleiern.
US-amerikanische Regierungsbehörden seien außerdem schon immer ein gern
attackiertes Hackerziel gewesen - kein Wunder. Das Pentagon betreibe
weltweit rund fünf Millionen Rechner und ziehe schon allein auf Grund
dieser großen Zahl viele Hackerangriffe auf sich. Große Ziele trifft man
eben besser.
Mehr Angriffe oder mehr registrierte Angriffe?
Dass es sich bei den Angriffen "aus China" um koordinierte Aktionen etwa
des chinesischen Militärs handeln könnte, weist Mike VanPutte, im
Verteidigungsministerium für Computersicherheit zuständig, weit von sich.
Die Angriffe speziell auf Pentagon-Computer hätten im Vergleich zu den
Angriffen auf andere Regierungs- oder Privatrechner nicht überproportional
zugenommen. Die wachsende Zahl der dokumentierten Attacken führt der
Sicherheitsspezialist erstens darauf zurück, dass es für jeden
Aushilfs-Hacker immer leichter werde, sich die erforderlichen
Angriffswerkzeuge aus dem Internet herunterzuladen. Zudem seien die
Systeme zum Erkennen von Hackerangriffen in den letzten Jahren wesentlich
verfeinert worden. Nicht die Zahl der tatsächlich durchgeführten Angriffe
sei überdurchschnittlich gestiegen, sondern lediglich die Zahl der
entdeckten Angriffe.
Chinesische Rechner sind bei Hackern beliebt
Auch für die offenbar sichtbare Tendenz, dass immer mehr Angriffe über
chinesische Rechner laufen, gibt es eine einleuchtende Erklärung: China
zählt mittlerweile rund 119 Millionen Internetnutzer. Viele von ihnen
nutzen ungeschützte PCs für ihre Webausflüge - ein lohnendes Ziel für
Hacker. Chinesische Rechner lassen sich oft problemlos durch Würmer
kapern, durch das Nachladen von Trojanischen Pferden zu fernsteuerbaren
Zombie-PCs umfunktionieren und zur Spamverbreitung sowie zu Angriffen auf
andere Computersysteme nutzen.
Dass ein Angriff von einem Rechner in China aus gefahren wird, bedeutet
deshalb noch lange nicht, dass der Angreifer auch aus China stammt.
Chinesische Computer sind vielfach lediglich das letzte Sprungbrett, bevor
die eigentlichen Ziele in den USA und anderswo angegriffen werden.
Wo die Zombies sind
Die US-Sicherheitsfirma CipherTrust verbreitet auf ihren Webseiten seit
einiger Zeit eine regelmäßig aktualisierte Übersicht (2) darüber, wie
viele PCs nach den Berechnungen der Firma täglich neu zu Zombie-Rechnern
umgemodelt werden. Die Firma analysiert zu diesem Zweck die Herkunft der
Spammails, die von den CipherTrust-Emailfilter- und Sicherheitsprogrammen
abgefangen werden.
Auch wenn die Zahlen möglicherweise nur als Anhaltspunkte für die
wirkliche weltweite Verbreitung von Zombie-PCs gewertet werden können, so
liefern sie doch interessante Hinweise auf die Größenordnungen und die
regionale Verteilung. CipherTrust zählte im Mai dieses Jahres täglich im
Durchschnitt 172.000 neue Zombie-PCs. Rund zwanzig Prozent der gekaperten
Rechner befanden sich in den USA, fünfzehn Prozent in China und zehn
Prozent in Südkorea. In der Europäischen Union stehen rund 26 Prozent der
jeweils täglich neu infizierten Rechner, sechs Prozent davon befinden sich
in Deutschland. Eine wirklich fundierte Untersuchung des quantitativen
Bedrohungspotenzials müsste solche Zahlen berücksichtigen und zu den
ausgewerteten Angriffen auf US-Regierungsrechner in Beziehung setzen.
Steigende Militärausgaben bedrohen Sicherheitsbalance
Die Hardliner im Pentagon, die die chinesische Regierung trotz mangelnder
Beweise und detaillierter Analysen pauschal für die gestiegene Zahl von
Hackerangriffen verantwortlich machen, wähnen sich in allerbester
Gesellschaft. Bereits im Juni dieses Jahres hatte US-Verteidigungsminister
Donald Rumsfeld vor steigenden Militärausgaben der chinesischen Regierung
gewarnt. Die ostasiatische Sicherheitsbalance werde dadurch empfindlich
gestört, der Taiwan-Konflikt erhalte dadurch weitere Brisanz.
Zudem enthält der jüngste Pentagon-Bericht über "Die militärische Macht
der Volksrepublik China" ein - vermutlich wegen der unsicheren Faktenlage
vergleichsweise kurzes - Kapitel über die vom chinesischen Militär
propagierten Taktiken der elektronischen Kriegsführung (3).
Probt China den elektronischen Erstschlag?
Danach hätten chinesische Militärstrategen den Angriff auf feindliche
Computernetze, deren Ausspähen sowie den Schutz eigener Netzwerke längst
in ihre taktischen Überlegungen integriert. Zu den Mitteln elektronischer
Kriegsführung gehören laut Pentagon-Bericht u. a. Viren, Würmer und
Trojaner sowie gezielte Hackerangriffe auf feindliche Computernetze - also
just jene Mittel, die zum Standardrepertoire der elektronischen
Kriegsführung auch der USA gehören ( Krieger in den Datennetzen (4)).
Die elektronische Kriegsführung existiere nicht nur auf dem Papier,
sondern werde in Militärmanövern längst praktisch geübt, wobei den so
genannten Computer Network Operations (CNO) eine immer größere taktische
Bedeutung beigemessen würde. Sie würden nicht mehr nur wie in früheren
Planspielen defensiv, sondern in jüngsten Militärmanövern auch offensiv
eingesetzt, heißt es in dem Pentagon-Papier. Ziel sei der elektronische
Erstschlag Chinas gegen feindliche Informationssysteme, um die
Kommunikations- und Informationswege des Feindes frühzeitig zu stören oder
ganz auszuschalten. Eindeutige Beweise präsentieren die Verfasser des
Pentagon-Berichts nicht. Möglich ist alles - statt harter Fakten regiert
im Pentagon der Konjunktiv.
LINKS
(1)
http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2005/08/24/AR2005082402318.html
(2) http://www.ciphertrust.com/resources/statistics/zombie.php
(3) http://www.defenselink.mil/news/Jul2005/d20050719china.pdf
(4) http://www.telepolis.de/r4/artikel/7/7892/1.html
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