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[infowar.de] Schavan will in "Sicherheitsforschung" investieren
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F.A.Z., 14. Dezember 2005
Anti-Terror-Technologien
Ausweitung der Sicherheitszone
Von Christian Schwägerl
13. Dezember 2005 Die Angst vor weiteren katastrophalen Terroranschlägen
in den Städten des Westens hat in Amerika die deutlichsten Auswirkungen
auf die Wissenschaft gehabt. Die Ausgaben der Regierung für die
Entwicklung von Sicherheitstechnologien sind seit dem 11. September 2001
auf mehr als vier Milliarden Dollar jährlich gestiegen. Staatlich
finanzierten Forschern wurden neue Ziele verordnet, etwa die Schaffung
eines „BioSchild” zum Schutz vor Bioterrorismus. Amerikanische Hochschulen
reagierten auf die neue Weltlage mit Forschungszentren wie dem „Institute
for Soldier Nanotechnology” am Massachusetts Institute of Technology.
In Europa und in Deutschland dagegen sind die Reaktionen in der
Wissenschaft und der Forschungspolitik wesentlich verhaltener ausgefallen.
Ganze Hochschulen wollen mit Sicherheitstechnologien oder gar mit
Forschung für den Anti-Terror-Einsatz der Bundeswehr nichts zu tun haben.
Doch in Berlin wird eine Kehrtwende vorbereitet. Im
Bundesforschungsministerium von Annette Schavan konferieren derzeit die
Strategen, um festzulegen, wie der geplante Zuwachs der Forschungsmittel
um sechshundert Millionen Euro jährlich investiert wird. Ganz oben auf der
Liste steht die Sicherheitsforschung.
Anti-Terror-Technologien
Für alles, was nur entfernt nach Wehrforschung oder
Anti-Terror-Technologien klang, wollte Schavans Vorgängerin Edelgard
Bulmahn keinen Euro ausgeben. Das wird nun als Defizit angesehen: Die
Ressorts Forschung, Verteidigung und Innen bereiten, kaum ist die große
Koalition geschmiedet, eine erhebliche Aufstockung der Ausgaben für
Anti-Terror-Technologien vor. So sollen mehr Forscher als bisher für
Arbeiten auf diesem Gebiet gewonnen werden. Man will von einer neuen
Förderinitiative der Europäischen Union für Sicherheitsforschung
profitieren, die von 2007 an mit 250 Millionen Euro jährlich ausgestattet
sein soll.
Für Wissenschaftler an Hochschulen, außeruniversitären Instituten und in
privaten Firmen, die schon heute Sicherheitsforschung betreiben, brechen
offenbar bessere Zeiten an. Das Spektrum ihrer Arbeit ist riesig, es geht
um Prävention von Anschlägen, ihre schnelle Detektion, die
Schadensreduktion und die adäquate Reaktion von Polizei und Militär. Zu
den Forschungsfeldern zählen die Auswertung von Satellitenbildern und
Videoaufnahmen in Echtzeit, Spürnasen für biologische und chemische
Kampfstoffe an Flughäfen, sprengstoffresistente Baustoffe, neuartige
Impfmittel - und vieles mehr. Horrorszenarien, auf die technologische
Antworten möglich sind, gibt es viele.
Neues Kompetenzzentrum?
Die große Koalition denkt aber auch über neue Strukturen nach. Das
Verteidigungsministerium plant nach Informationen dieser Zeitung, unter
dem Dach der Fraunhofer-Gesellschaft ein Kompetenzzentrum für Wehr- und
Sicherheitsforschung zu schaffen. Dazu sollen drei Institute der
Forschungsgesellschaft für Angewandte Naturwissenschaften (FGAN), die
bisher speziell für die Bundeswehr geforscht haben, in die
Fraunhofer-Gesellschaft integriert werden.
Auch das bisher dem Deutschen Luftfahrt- und Raumfahrtzentrum zugeordnete
Institut für technische Physik in Stuttgart, an dem vierzig Fachleute an
Hochleistungslasern arbeiten, soll unter das gemeinsame Dach kommen. Die
Umstrukturierung würde die Zahl der Fraunhofer-Institute, die Wehr- und
Sicherheitsforschung betreiben, auf neun erhöhen. In einem Verbund dieser
Institute würde eine einheitliche Ausrichtung der Forschung möglich.
Tabuisierung hat nachgelassen
Vertreter des Wissenschaftsrats sind bereits dabei, die FGAN im Auftrag
der Bundesregierung zu evaluieren. Sie haben festgestellt, daß dort mit
einem Budget von dreißig Millionen Euro jährlich Wehr- und
Sicherheitsforschung auf hohem Niveau betrieben wird. Überrascht waren die
Prüfer davon, wie eng die drei Institute, an denen 520 Mitarbeiter
beschäftigt sind, schon mit Hochschulen kooperieren.
Zu den Kooperationspartnern etwa des „Forschungsinstituts für
Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie”, das sich unter
anderem mit dem Schutz von Datenbanken, Häfen und Massenveranstaltungen
befaßt, gehören inzwischen elf deutsche Hochschulen. Die Tabuisierung der
Militär- und Sicherheitsforschung an deutschen Hochschulen habe seit dem
11. September 2001 erheblich nachgelassen, sagte Institutsleiter Jürgen
Grosche den Besuchern.
Erhebliche Fördermittel des Bundes
Ob es aber zu dem nationalen Zentrum für Wehr- und Sicherheitsforschung
wirklich kommen wird, ist noch ungewiß. Die Prüfer vom Wissenschaftsrat
fürchten nämlich, daß die FGAN bei einer Eingliederung in die
Fraunhofer-Gesellschaft auf Drittmittelgeber aus der Wirtschaft angewiesen
wäre und dies die Unabhängigkeit ihrer Urteile über milliardenschwere
Investitionen in Rüstungs- und Sicherheitstechnologien beeinträchtigen
könnte. Das Verteidigungsministerium versichert aber, es wolle die
Umstrukturierung nicht zum Sparen nutzen und die Institute weiterhin
finanzieren.
Eines aber ist sicher: Da bald erhebliche Fördermittel des Bundes zur
Verfügung stehen sollen und die Bundesregierung sich Kompetenzzentren für
Sicherheitsforschung wünscht, wird die deutsche Wissenschaft an einer
Klärung ihrer Position zu dem umstrittenen Gebiet der Sicherheitsforschung
und an eigenen Zielsetzungen zum Schutz der Bevölkerung vor Terrorismus
nicht länger vorbeikommen.
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