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[infowar.de] Rumsfeld: Niederlage im Medienkrieg



http://www.telepolis.de/r4/artikel/22/22074/1.html

Niederlage im Medienkrieg
Florian Rötzer 19.02.2006

Rumsfeld sieht das Problem der US-Regierung  im neuartigen Krieg gegen
den Terror in der Medienkompetenz der Feinde und fordert eine massive
Aufrüstung der strategischen Kommunikation

US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld fordert ein stärkeres
Engagement im Medienkrieg und eine konsistente Konzeptualisierung und
Umsetzung einer umfassenden Strategie der strategischen Kommunikation.
Der Sieg im "Langen Krieg" hänge letztlich vom Erfolg der strategischen
Kommunikation ab ( Noch mehr Geld für "The Long War" (1)). Obgleich der
neue Haushalt des Pentagon auf die Rekordhöhe von 440 Milliarden
US-Dollar gestiegen ist und das Weiße Haus weitere 72 Milliarden für
den Globalen Krieg gegen den Terrorismus in Afghanistan und im Irak
verlangt (2), spiegeln die Ausgaben keineswegs die angebliche Bedeutung
der Herrschaft über den Medienraum, die nach Rumsfeld derzeit von den
Terroristen erfolgreich erreicht worden sei. In einer  Rede (3) vor dem
 Council on Foreign Relations (4) wiederholte er erneut, dass mit die
wichtigsten Schlachten "nicht in den Bergen Afghanistans oder in den
Straßen Iraks stattfinden, sondern in den Nachrichtenredaktionen in New
York, London, Kairo und anderswo" ( Der erste Krieg im wirklichen
Medienzeitalter (5)).

Osama bin Laden oder Ayman Sawahiri müssen sich von der Aufmerksamkeit,
die von der Spitze der US-Regierung ausgeht, geehrt fühlen - und sie
können mit dieser Aufmerksamkeit auch punkten, wenn ihnen bescheinigt
wird, dass sie die USA oder gar die gesamte "zivilisierte Welt" mit der
Niederlage zu bedrohen. Nach den jüngsten Äußerungen von Rumsfeld ist
Sawahiri noch immer eine der zentralen Figuren auf der Seite der
Gegner, und er agieret auf Augenhöhe mit der weltweit stärksten und
technisch am besten ausgestatteten Armee der Supermacht, die noch dazu
über ein Dutzend Geheimdienste verfügt, in die jährlich viele
Milliarden fließen. Rumsfeld machte einmal wieder den neuen Charakter
des Kriegs deutlich und zitierte am Anfang seiner Rede als Beleg dafür
Sawahiri, der gesagt hatte:

--Mehr als die Hälfte dieses Kampfes findet auf dem Schlachtfeld der
Medien statt .. Wir befinden uns in einem Medienkrieg um die Herzen und
Köpfe der Muslime.--

Die Anschläge vom 11.9. waren nicht vor allem wegen der Opfer und der
Zerstörung vernichtend, sie waren tatsächlich ein erster, vehementer
Sieg im Medienkrieg gegen die westliche Welt und für die Anhänger des
Islamismus. Die US-Regierung interpretierte den Angriff als
Kriegserklärung und beantwortete ihn mit konventionellen Kriegen und
vielen Maßnahmen des Ausnahmezustands. Aber es handelte sich um eine
andere Art der Kriegserklärung, die sich mit militärischen Schlägen,
der Tötung der Gegner und vor allem nicht mit unzähligen Verletzungen
von rechtsstaatlichen Prinzipien nicht beantworten lässt. Ganz im
Gegenteil: ein völkerrechtswidriger Krieg, Zerstörungen,
Kollateralschäden, Folter, massenhafte Inhaftierungen, gezielte
Tötungen und immer wieder die Demonstration, dass nach zweierlei Maß
vorgegangen wird, führen zu Verlusten im Medienkrieg, selbst wenn der
militärische Krieg erfolgreich ist.

Spätestens seit der nicht unter amerikanischen und westlichen Einfluss
stehende arabische al-Dschasira nach dem 11.9. in Afghanistan immer
wieder Videos mit Botschaften von Bin Laden verbreitet, Bilder aus
Afghanistan gesendet und kontroverse Diskussionen inszeniert hat und
seit das erste Video von der Ermordung des US-Journalisten Daniel Pearl
in Pakistan im Internet zirkulierte, war auch dem Weißen Haus klar,
dass es nicht nur um einen "ideologischen" Kampf geht, sondern um den
Kampf darum, wer sich in der medialen Aufmerksamkeit und damit auch in
der nicht mehr national kontrollierbaren globalen Öffentlichkeit
durchsetzt. Die "zufällige" Bombardierung der Redaktion von
al-Dschasira in Kabul, die massiv vorgetragene Kritik vor allem an
diesem Sender, dem im Schema, dass wer nicht für uns ist, gegen uns
ist, Komplizenschaft mit den Terroristen vorgeworfen wurde, die
wiederholte "zufällige" Bombardierung der Redaktion in Bagdad und die
Gedankenspiele von US-Präsident Bush, den Sender gleich durch eine
Bombe auf die Zentrale in Katar auszuschalten, belegen die hilflosen
Versuche, die Medien zu kontrollieren (was allerdings im Inland
überraschend gut über längere Zeit gelungen ist).

Natürlich haben Pentagon und Weißes Haus schon früh begonnen, massiv in
strategische Kommunikation oder Propaganda zu investieren und zum
Verkauf ihrer Botschaften Spin-Doktoren zu beschäftigen, die Kampagnen
ausbrüteten und neue Medien installierten. Das ist teils auf Kritik
gestoßen, teils haben die begangenen militärischen und politischen
Fehler und die Versuche, die Öffentlichkeit wie besonders eklatant im
Fall der irakischen Massenvernichtungswaffen direkt zu täuschen, diese
Anstrengungen unterminiert. Jetzt will Rumsfeld offenbar noch einmal
einen Vorstoß vornehmen und einerseits den Medien und den angeblich
geschickten Medienstrategen der Islamisten die Schuld an der PR-Misere
der US-Regierung geben, sowie andererseits das Militär vom Fiasko
entlasten.

--Unsere Feinde haben sich geschickt an die Kriegsführung im heutigen
Medienzeitalter angepasst, aber wir, unser Land, also sowohl unsere
Regierung als auch die Medien oder die Gesellschaft insgesamt, haben
dies nicht gemacht. Die gewalttätigen Extremisten haben Komitees für
die Beziehungen zu Medien eingerichtet und gezeigt, dass sie sehr
erfolgreich in der Manipulation der Meinungseliten waren. Sie planen
und inszenieren ihre die Schlagzeilen erreichenden Angriffe, indem sie
alle Kommunikationsmittel nutzen, um Angst einzuflößen und den Willen
der freien Menschen zu brechen. Sie wissen, dass die Kommunikation
Grenzen überschreiten kann und dass eine einzige, geschickt inszenierte
Nachricht unserer Sache genauso schaden und ihrer helfen kann wie jede
andere Methode des militärischen Angriffs. Sie können schnell mit im
Vergleich zu den riesigen und teuren Bürokratien westlicher Regierungen
relativ wenigen Menschen und bescheidenen Ressourcen agieren.-- Donald
Rumsfeld

Rumsfeld kommt nicht in den Sinn - zumindest nicht in den öffentlich
geäußerten -, dass der "Erfolg" der Gegenseite nicht nur durch die
mangelhafte Kommunikationsstrategie und die Unbeweglichkeit der eigenen
Seite verursacht sein könnte, sondern auch durch politische und
militärische Fehler, die dem Gegner zuarbeiten. Abu Ghraib und
Guantanamo sind dafür Symptome und zugleich Symbole. Bei den neuen
Bildern von Abu Ghraib war die Devise im Pentagon, dass man diese
Bilder, die "angeblich Misshandlungen zeigen", nicht hätte
veröffentlichen sollen, weil sie nur alles schlimmer machen, zumal alle
Vorkommnisse bereits aufgeklärt und verfolgt worden seien. Und  an
Guantanamo hält Rumsfeld weiter fest (6), weil die Gefangenen angeblich
zum Terror zurückkehren würden, wenn man sie freiließe. Er kritisierte
den eben veröffentlichten UN-Bericht ( Schluss mit Guantanamo (7)) und
behauptete, dass jede Behauptung einer Misshandlung überprüft worden
sei. Einmal kommt Rumsfeld auch auf Abu Ghraib zu sprechen, doch stellt
er lediglich ein Übergewicht der Berichterstattung über die Folter in
Abu Ghraib im Vergleich zu derjenigen über die Entdeckung der
Massengräber von Husseins Opfern. Dieses Ungleichgewicht, so Rumsfeld
sei "die Realität der Welt, in der wir arbeiten und in der unsere
Truppen kämpfen müssen".

Problematisch für die Kriegsführung sind eigentlich alle neuen
Kommunikationsmittel, die Rumsfeld auch einzeln aufzählt: Email, Blogs,
Instant Messaging, Blackberries. Dazu kommen Digitalkameras und ein
"globales Innernet ohne Einschränkungen". Aber auch Massenmedien,
Radiosender, 24-Stunden-Nachrichten und Satellitensender, stellen
Probleme dar. Während die Medien unter dem Druck stehen, 24 Stunden
lang Updates zu machen, würden Pressestellen von Regierungsbehörden oft
noch nur 5 Tage die Woche und acht Stunden am Tag arbeiten - und das
sei ein "nicht hinnehmbarer gefährlicher Missstand".

Rumsfeld neigt gelegentlich zu Formulierungen, die höchst ambivalent
und fast nach Bedauern klingen, wenn er zum Beispiel sagt, dass unter
Hussein den Menschen auch noch die Zunge herausgeschnitten worden sei,
wenn sie ohne Genehmigung eine Satellitenschüssel oder das Internet
benutzt hätten. Heute gäbe es hier wie in der gesamt Region überall
Satellitenschüsseln, aber die Sender seien "dem Westen gegenüber extrem
feindlich". Unerschrocken (oder neidisch?) zieht Rumsfeld auch den
Gegensatz zwischen den Extremisten, die lügen und es daher einfacher
hätten, und der eigenen Seite, die stets die Wahrheit sagen würde und
daher im Nachteil sei:

--Die Möglichkeit, schnell zu reagieren, wird für unsere Regierung im
Unterschied zu unseren Feinden, die schamlos Lügen verbreiten, dadurch
beeinträchtigt, dass wir nicht den Luxus haben, uns anonym oder
anderweitig auf andere Informationsquellen stützen zu können. Unsere
Regierung muss die Quelle sein. Und wir sagen die Wahrheit.--

Ins Zentrum der Politik müsse nun die Kommunikation gestellt werden.
Für das Pentagon hieße das, meint Rumsfeld, dass die Pressezentren rund
um die Uhr tätig sein müssten, dass verstärkt Internetkampagnen und
-operationen und alle anderen Kommunikationskanäle genutzt werden
müssten. Die Printmedien seien hier von sinkender Bedeutung.

Rumsfeld erklärt, dass man allerdings bereits im Irak innovative Wege
gefunden habe - natürlich nicht, um die Öffentlichkeit zu beeinflussen,
sondern lediglich, um "den Irakern korrekte Informationen angesichts
der aggressiven Kampagne der Desinformation zu liefern". Damit meint er
die Kampagne, mit Geldern des Pentagon über die private Lincoln Group
und anderen Agenturen Artikel in irakischen Zeitungen zu lancieren (
Happy Irak (8)). Der Auftrag soll mit 300 Millionen US-Dollar dotiert
gewesen sein. Das habe man in den Medien "unangemessen" dargestellt und
so getan, als habe man "Nachrichten gekauft". Aufgrund der Kritik in
den Medien habe man diese Kampagne einstellen müssen. Für Rumsfeld war
die Kampagne richtig, die Ablehnung zeuge nur von "keiner Toleranz für
Innovation". Ein anderes Beispiel ist die nach Rumsfeld gelungene
PR-Begleitung der Hilfe beim Erdbeben in Pakistan. Hier hätten die neu
geschaffenen, schnell einsetzbaren Kommunikationsteams die
Aufmerksamkeit der Medien auf die militärische Hilfe seitens der USA
gelenkt.

In dieser Richtung wird man also in nächster Zeit im Pentagon
strategische Kommunikation ausüben wollen. Dringend sei, so Rumsfeld,
mehr Experten zu beschäftigen, schnell die militärischen
"Kommunikationsmöglichkeiten" in neuen Operationsgebieten einzusetzen
und vielgestaltige Medienkampagnen für Printmedien, Rundfunk, Fernsehen
und Internet durchzuführen. Zudem müsste man neue Institutionen wie im
Kalten Krieg die U.S. Information Agency oder Radio Free Europe
schaffen und Menschen auf der ganzen Welt beschäftigen. Und das alles
sei sehr dringend, weil der Feind, zu dem auch Journalisten zu zählen
scheinen, die dem Pentagon gegenüber kritische Nachrichten produzieren,
gnadenlos jede Schwäche ausnutze:

--Ohne Zweifel müssen wir davon ausgehen, dass je länger wir für die
Einrichtung eines Rahmens für die strategische Kommunikation benötigen,
das Vakuum vom Feind und von Nachrichteninformanten gefüllt wird, die
gewiss keine genaues Bild von dem liefern werden, was tatsächlich
stattfindet.--

Obgleich das Medienumfeld heute selbstverständlich sehr viel anders
geworden und weitaus schwieriger zu kontrollieren ist, wie noch vor
wenigen Jahrzehnten, ist richtig. Dass auch im Kalten Krieg massiv auf
Propaganda und Beeinflussung der öffentlichen Meinung gesetzt wurde,
ist bekannt. Rumsfeld aber scheint vor allem auf das Standardargument
jeder Regierung zu rekurrieren, dass nicht ihre Politik falsch ist oder
auf Ablehnung stößt, sondern sie nur falsch von den Medien dargestellt
wird. Deswegen muss dann mehr auf mediale Beeinflussung gesetzt werden,
was die Unglaubwürdigkeit aber in aller Regel stärkt, zumal wenn Fehler
und Probleme verheimlicht oder übertüncht werden sollen. Aber wie auch
immer, wir werden, so lässt sich immer deutlicher absehen, noch sehr
viel mehr mit Psychologischen Operationen, strategischer Kommunikation,
Informationsoperationen oder anderen Medienkampagnen rechnen müssen,
die das Image der US-Regierung aufpeppen sollen ( "Das Netz muss wie
ein feindliches Waffensystem bekämpft werden" (9)).

LINKS

(1) http://www.telepolis.de/r4/artikel/21/21936/1.html
(2) http://www.defenselink.mil/news/Feb2006/20060217_4228.html
(3) http://www.defenselink.mil/speeches/2006/sp20060217-12527.html
(4) http://www.cfr.org/
(5) http://www.telepolis.de/r4/artikel/21/21506/1.html
(6)
http://www.cfr.org/publication/9902/news_brief.html?breadcrumb=default
(7) http://www.telepolis.de/r4/artikel/22/22063/1.html
(8) http://www.telepolis.de/r4/artikel/21/21486/1.html
(9) http://www.telepolis.de/r4/artikel/21/21891/1.html


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