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[infowar.de] Kofi Annan, der Terrorismus, und das Internet



Mit diesem Argument "Terroristen nutzen das Internet" mussten wir uns auch bei den Verhandlungen zum Weltgipfel herumschlagen. Unser Gegenargument war immer: Terroristen nutzen auch Straßen, Supermärkte und Tankstellen. Wer käme auf die Idee, in einem UN-Bericht zum Straßenbau etwas über Terroristen reinzuschreiben? Was in der zitierten UN-GA-Resolution 1624 noch drin steht, wird übrigens häufig unterschlagen: "There would great use of the Internet for international efforts to enhance dialogue and broaden understanding among civilizations"
RB

http://www.telepolis.de/r4/artikel/22/22601/1.html

Das Internet im Visier
Florian Rötzer 04.05.2006

Kofi Annan legt "Globale Antiterror-Strategie" vor, erklärt aber nicht,
was Terrorismus ist und wie er die geforderten Überwachungs- und
Zensurmaßnahmen mit den Menschenrechten vereinbaren und gegen
Missbrauch schützen will

Kofi Annan, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, hat zu einem
vereinten Kampf gegen den Terrorismus (1) aufgerufen und sein Konzept
einer  Globalen Antiterror-Strategie (2) vorgestellt, eine Aufgabe, die
er auf dem UN-Gipfel 2005 übernommen hatte. Auffällig ist, dass in
Annans Konzept nur immer von Terrorismus die Rede ist, der durch nichts
zu rechtfertigen ist, aber der Begriff nie näher definiert wird. Das
aber ist natürlich ein entscheidendes Hindernis, sich verständigen zu
können. Auch sein allgemeines Insistieren darauf, dass der Kampf gegen
den Terrorismus sich unbedingt an internationales Recht halten und vor
allem die Menschenrechte wahren müsse, ist zwar richtig, aber wohl ein
Appell, der nicht weit tragen wird.

Annan verweist natürlich darauf, dass es noch immer kein umfassendes
Abkommen über den internationalen Terrorismus gibt. Sie müsse möglichst
schnell zustande kommen. Die Aussichten dafür aber sind vorerst düster,
weil man sich auch weiterhin nicht über eine allgemeine Definition
einigen können wird. Zudem würde eine solche Einigung, die nicht auch
staatlichen Terrorismus einschließt, zwar die existierende staatliche
Ordnung verteidigen, gleich ob es sich um Demokratien, Unrechtsstaaten
oder Diktaturen handelt, aber den Rekurs auf Terrorismus nicht wirklich
ächten können.

Annan versucht ansonsten die direkte Bekämpfung des Terrorismus mit der
Notwendigkeit zu verbinden, die Ursachen des Terrorismus zu verändern.
So müssten die "Kultur der Gewalt und Intoleranz" sowie alle
extremistischen, ausländerfeindlichen und "hypernationalistischen"
Ideologien, nach denen andere Menschen weniger wert sind und getötet
werden dürfen, unterbunden werden. Annan verweist auf die Resolution
1624 (2005) des Sicherheitsrats, nach der alle Staaten Aufrufe zur
Gewalt unter Strafe stellen sollen.  Gewaltsame Konflikte sollten
verhindert oder geschlichtet, Menschenrechtsverletzungen müssten
verhindert und geahndet, Rechtsstaatlichkeit durchgesetzt werden. Auch
"religiöse und ethnische Diskriminierung, politischer Ausschluss und
sozioökonomische Marginalisierung" seien Ursachen für Terrorismus oder
könnten von Terroristen ausgebeutet werden.

Neben dem Aufruf zur Beachtung des internationalen Rechts und der
Menschenrechte stehen die Ausführungen im Zentrum, den Terroristen die
Mittel zu verweigern, mit denen sie Anschläge ausführen können. Annan
plädiert neben den Bemühungen, den Zugang zu konventionellen Waffen zu
erschweren und vor allem durch internationale Abkommen den Zugang
nuklearen, chemischen und biologischen Massenvernichtungswaffen zu
verhindern, für eine Überwachung der Finanzströme, schärfere Grenz- und
Reisekontrollen und eine stärkere Kontrolle des Internet.

--Terrorists require means to carry out their attacks. The ability to
generate and move finances, to acquire weapons, to recruit and train
cadres, and to communicate, particularly through use of the Internet,
are all essential to terrorists. They seek easy access to their
intended targets and increasingly look for greater impact - both in
numbers killed and in media exposure. Denying them access to these
means and targets can help to prevent future attacks.--

Ob die von Annan letzthin geforderte Verstärkung der Überwachung in
allen Bereichen mit der gleichzeitig geforderten Beachtung und Wahrung
der Menschenrechte übereingeht, darf man bezweifeln. Deutlich wird dies
beim Internet, das von Annan als Werkzeug von Terroristenherausgehoben
wird, um Unterstützung und Rekruten zu finden sowie um Informationen
und Propaganda zu verbreiten. 1998, so erklärt er, habe es noch weniger
als 20 Websites von Terroristen gegeben, 2005 seien es schon Tausende.
Auch hier fehlt eine nähere Charakterisierung, welche Websites
Terroristen zuzuordnen wären. Behauptet wird, dass "einige große
Anschläge durch Inhalte aus dem Internet" unterstützt worden seien.

Das Internet, so Annan, werde zu einem "virtuellen sicheren Hafen" für
Terroristen, die transnational handeln und die nationalen Unterschiede
ausnutzen. Die Staaten müssten ebenso transnational handeln, also im
Grunde ihren Umgang mit dem Internet vereinheitlichen, um die Löcher zu
schließen, Terrorismus zu kriminalisieren und Aufruf zum und
Verherrlichung des Terrorismus zu verbieten. Als ersten wichtigen
Schritte betrachtet Annan die  Resolution 1624 (3) vom September 2005,
die alle Staaten auffordert:

--...die notwendigen und geeigneten Maßnahmen im Einklang mit ihren
Verpflichtungen nach dem Völkerrecht zu ergreifen, um a) die
Aufstachelung zur Begehung einer terroristischen Handlung oder
terroristischer Handlungen gesetzlich zu verbieten; b) ein solches
Verhalten zu verhindern; c) allen Personen, zu denen glaubwürdige und
sachdienliche Informationen vorliegen, die ernsthaften Grund zu der
Annahme geben, dass sie sich eines solchen Verhaltens schuldig gemacht
haben, einen sicheren Zufluchtsort zu verweigern.--

Ohne Totalüberwachung des Internet und der Identifizierung eines jeden
Nutzers dürfte es nicht möglich sein zu verhindern, dass "die
Informations- und Kommunikationstechnologien verwendet werden, um für
terroristische Aktivitäten zu werben oder diese durchzuführen". Auch
wenn eine tatsächlich vertretbare und nicht von Staaten willkürlich zu
interpretierende Definition von Terrorismus gefunden werden würde, wäre
die Frage zu stellen, ob die Folgen einer globalen Totalüberwachung -
zumal in einer Welt, die weiterhin politisch nicht die beste aller
möglichen Welten sein wird - den Preis wert sind.

--Artikel 19 der Allgemeinen Menschenrechte

Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung;
dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert
anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen
Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu
verbreiten. --

Annan erklärt formelhaft, dass dies nur mit Beachtung der
Menschenrechte und der internationalen Abkommen umgesetzt werden solle,
aber er sagt nicht, welche Maßnahmen er vorschlagen würde, vor allem
aber diskutiert er die Folgen nicht, beispielsweise diejenigen, die aus
der notwendigen Einschränkung der Meinungs- oder Pressefreiheit folgen.
Ohne hier konkreter zu werden, arbeitet er in die Hände von
Regierungen, die auch berechtigte Opposition als Terroristen bezeichnen
und bekämpfen sowie mit Zensur gegen unliebsame Meinungen vorgehen.

 LINKS

(1) http://www.un.org/unitingagainstterrorism/index.html
(2) http://www.un.org/unitingagainstterrorism/contents.htm
(3) http://www.un.org/depts/german/sr/sr_05/sr1624.pdf



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