Suche innerhalb des Archivs / Search the Archive All words Any words

[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

[infowar.de] neue Ritterrüstung für US-Infanterie



Leicht off-topic hier, aber interessant wegen des Aspekts "technologischer Wandel bei Offensive und Defensive". Rötzer geht sehr nett auf die Analogie zum späten Mittelalter ein. In der Online-Version sind auch Fotos.
RB

http://www.telepolis.de/r4/artikel/22/22641/1.html

Von der Ästhetik der militärischen Uniform
Florian Rötzer 15.05.2006

US-Soldaten haben für den Einsatz im Irak eine schwere, wassergekühlte
Panzerrüstung erhalten und finden sich in ihr "goofy"

Im Mittelalter erlebten die Ritter bekanntlich eine Blüte. Sie bildeten
eine neue Kavallerie, die sich gegen die Pfeile, Schwerter und Lanzen
der Feinde mit immer ausgeklügelteren Panzern schützten. Je stärker und
sicherer der Panzer, desto schwerfälliger wurden freilich die Ritter.
Mit dem Aufkommen der Armbrust reichten Kettenhemden nicht mehr und
musste der Kämpfer mit massiven Eisenrüstungen geschützt werden. Mit
dem Helm, den gepanzerten Handschuhen und dem Fußschutz sowie den
Pferden unter Panzerschutz wurden sie zu lahmen Streitern, die von
Gegnern mit langen Hellebarden besiegt und schließlich auch durch die
Feuerwaffen ihren Zweck verloren.

Einen ähnlichen Eindruck wie bei der Geschichte mit den Rittern, die
mit der aufkommenden Neuzeit verschwanden, könnte man auch gegenwärtig
im Irak gewinnen. Die größte Bedrohung der US-Soldaten sind
Selbstmordattentäter in Fahrzeugen und Bomben in Autos oder an Straßen.
Aber es gibt natürlich auch immer wieder - und manchmal im Zusammenhang
mit der Zündung von Bomben - auch Angriffe mit Gewehren oder Granaten.

Daher werden nicht nur die Fahrzeuge des US-Militärs besser gepanzert,
sondern wurde auch eine neue Uniform entwickelt, das  Cupola Protective
Ensemble (1) (CPE). Die neue Schutzuniform, die ein wenig an eine
Ritterrüstung von Aliens erinnert, ist vor allem für die Schützen
gedacht, die beispielsweise auf den Humvees die Maschinengewehre
bedienen und mit ihrem Oberkörper und Kopf, die aus dem Fahrzeug
herausragen, ein gutes Ziel darstellen. Sie werden aber auch durch
explodierende Bomben, Granatensplitter oder durch das Umfallen der
Fahrzeuge gefährdet.

Also wurde eine Schutzuniform mit einem gewaltigen Helm und
Nackenschutz entwickelt. Dazu kommen Panzerschilde für den Brustkorb,
den Rücken und den Unterleib, sowie eine Schutzhose und -jacke. Um den
Hightech-Panzer aus Kevlar und anderen Materialien überhaupt
auszuhalten, vor allem in der Hitze im Irak, wird der Oberteil
wassergekühlt. Dazu kommt zusätzlicher Schutz für Knie und Ellbogen
sowie Handschuhe. Das CPE wird über der normalen Schutzweste getragen.
Besonders ästhetisch macht die neue Schutzuniform die Soldaten
sicherlich nicht, die wie dicke, lahme Käfer darin wirken.

Seit Januar 2006 wurden die neuen Anzüge an Soldaten verteilt, die im
Irak im Einsatz sind. Sie haben zwar angeblich bereits Soldaten vor
schweren Verletzungen oder gar vor dem Tod geschützt, aber die Soldaten
sind nicht wirklich glücklich über die Panzeruniformen. "Goofy",
albern, würden die Panzer ausschauen,  beklagen (2) sich die Soldaten,
die lieber beweglicher und ästhetisch ansprechender auftreten wollen.
Zudem würde das Kühlungssystem öfter ausfallen. Dann wird es im Panzer
ungemütlich.

Und ähnlich wie bei den schwer gepanzerten Rittern wird der Schutzanzug
gefährlich, wenn es zum offenen Kampf kommt oder der Soldat sich auf
dem Boden befindet und nicht mehr auf seinem "Pferd" reitet, weil seine
Beweglichkeit sehr eingeschränkt ist. Die CPE-geschützten Soldaten sind
das schiere Gegenstück zu den wendigen, sich der Gefahr trotzig
aussetzenden Rambo-Kämpfern der Spezialeinheiten, auf die
US-Verteidigungsminister eigentlich für die asymmetrischen Konflikte
setzt. Aber das war vielleicht nur eine nach dem Afghanistan-Krieg
aufgekommene Fantasie vom Wilden Westen, der sich in den Wilden Osten
verschoben hat. Allerdings könnte tatsächlich auch sein, dass sich
Rekruten nicht gewinnen lassen, wenn sie als gepanzerte Käfer arbeiten
sollen. Vermutlich spielt nicht nur Geld oder vielleicht auch
Patriotismus bei Berufssoldaten eine Rolle, sondern auch die Ästhetik
des Auftretens und damit die Selbstdarstellung. Das war bei den
Militärs aufgrund der schicken Waffen, der demonstrierten Macht und der
beeindruckenden Uniformen wohl eigentlich immer so.

LINKS

(1) http://peosoldier.army.mil/factsheets/SEQ_CIE_CPE.pdf
(2) http://stripes.com/article.asp?section=104&article=37007

---------------------------------------------------------------------
To unsubscribe, e-mail: infowar -
de-unsubscribe -!
- infopeace -
de
For additional commands, e-mail: infowar -
de-help -!
- infopeace -
de