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[infowar.de] Drohnen für die EU-Grenzen



http://www.telepolis.de/r4/artikel/22/22817/1.html

Drohnen für die EU-Grenzen
Florian Rötzer 05.06.2006

Mit der Förderung von Sicherheits- und Überwachungstechnik will die EU
sich weiter zur Festung aufrüsten und in Konkurrenz zu der hoch
subventionierten Sicherheitsbranche der USA treten

Während in den USA die Regierung und gegen die Einwanderung agierende
Organisationen die Grenzen vor allem nach Mexiko mit mehr Personal,
einem Grenzzaun und Überwachungstechnik möglichst dicht machen wollen (
Das texanische "Virtual Border Watch Program" (1)), wird auch die
"Festung Europa" weiter ausgebaut, um vor allem illegale Einwanderer
aus Afrika abzuwehren.

Nachdem sich durch den Ausbau der Grenzanlagen in Ceuta und Melilla und
die stärkere Überwachung der Mittelmeerküste durch das SIVE-System die
Immigrantenströme aus Schwarzafrika verlagert haben und die Kanarischen
Inseln zum Zielpunkt werden, setzt die EU Kriegsschiffe, die neue
geschaffene europäische Grenzbehörde Frontex und Satellitenüberwachung
ein, um Flüchtlingsschiffe zu entdecken ( Sechs Satelliten sollen
Flüchtlinge aufspüren (2)).

Wie der Independent  berichtet (3), sollen nun auch vermehrt Drohnen
zur Überwachung der Grenzen eingesetzt werden, um Menschenschmuggel,
illegale Immigration und irgendwie auch Terrorismus zu bekämpfen.
Eingesetzt werden sollen die Drohnen an der Mittelmeerküste, in der
Nordsee oder auch im Balkan. Im Rahmen eines Pakets in Höhe von einer
Milliarde Euro sollen die Drohnen neben anderen Überwachungstechniken
gekauft werden.

In Belgien oder in Italien, das 2004 bereits einige Predator-Drohnen
gekauft hat, werden die unbemannten Überwachungsflugzeuge bereits
eingesetzt. Ein Mitarbeiter der EU-Kommission sagte dem Independent
über das Vorhaben: "Wir sind davon überzeugt, dass dies eine sehr gute
Möglichkeit ist, militärische Techniken für nicht-militärische Zwecke
zu nutzen. So gibt es ein vom französischen Rüstungskonzern Dassault
Aviation geleitetes Konsortium für das  BSUAV-Projekt (4) (Border
Surveillance by Unmanned Aerial Vehicles)- Dassault hat bereits einen
Prototypen für Hubschrauberdrohnen zur Überwachung des Meers (MARIUS)
entwickelt

Der Independent weist in diesem Zusammenhang auf den von Statewatch und
dem Transnational Institute Ende April  veröffentlichen (5) Bericht
Arming Big Brother (6) hin, der ausführt, dass die EU im Hinblick auf
die Forschung und Entwicklung von Sicherheitstechnologien mit den USA
mithalten will. Neben der Rüstungstechnologie ist die
Sicherheitstechnologie, begründet durch den Antiterrorkampf und nun
auch zur Abwehr von Immigranten und zur Bekämpfung von Kriminalität
eingesetzt, zu einem attraktiven Markt geworden, den die US-Regierung
mit vielen Milliarden Dollar subventioniert.

"Wir brauchen", so EU-Kommissar Günter Verheugen, "die neuesten
Technologien und ein umfassendes Wissen, wir brauchen eine
konkurrenzfähig starke und unabhängige europäische Forschungs- und
Industriebasis und einen korrespondierenden Markt für
Sicherheitslösungen." Die EU befürchtet zu Recht, hier ähnlich wie in
der Rüstungstechnik von der staatlich unterstützten Industrie der USA
abgehängt zu werden und einen internationalen Wachstumsmarkt zu
verpassen. Daher hat die EU-Kommission unter dem Druck der Lobby das
mit Industrievertretern aus der Rüstungsindustrie, Leitern von
Forschungseinrichtungen und Politikern besetzte Beratungsgremium "Group
of Personalities" (GoP),  später European Security Research Advisory
Board (ESRAB), eingerichtet und dann 2004 das Forschungsprogramm
European Security Research Programme (7) (ESRP) beschlossen, das ab
2007 über ein jährliches Budget von einer Milliarde Euro verfügen und
die Forschung und Entwicklung von Sicherheitstechniken fördern soll (
Milliarden für die Sicherheitsforschung (8)).

Die Höhe der Gelder wurde noch nicht festgelegt. Bislang zirkulieren
unterschiedliche Zahlen. Verheugen hat nur noch von 250 Millionen Euro
gesprochen. In dem Budgetvorschlag für das  siebte Rahmenprogramm (9)
der Europäischen Gemeinschaft für Forschung, technologische Entwicklung
und Demonstration  2007-2013 (FP7) sollen für diesen Zeitraum 3,9
Milliarden Dollar für den Bereich "Sicherheit und Weltraum"
bereitgestellt werden. Das wären 570 Millionen jährlich. Für
Informations- und Kommunikationstechnologien sollen 12 Milliarden zu
Verfügung stehen. "Die Informations- und Kommunikationstechnologien
machen einen erheblichen Teil der europäischen Rüstungsforschung aus
und sind von grundlegender Bedeutung für die Sicherung einer
wettbewerbsfähigen technologischen und industriellen Basis", hatte 2004
der damals für die Informationsgesellschaft zuständige EU-Kommissar
Erkki Liikanen zur Förderung der Sicherheitsforschung erklärt.

Ben Hayes, Autor des Berichts "Arming Big Brother", vermutet, dass
nicht nur aus dem Topf für IuK-Technologien weitere Gelder kommen
werden, sondern auch aus den oft nur vage beschriebenen
Forschungsfeldern wie "Ideen" oder "Kapazitäten". Der Bereich
"Sicherheit und Wissenschaft" sei ähnlich definiert wie im  Star
21-Bericht (10), in der  Europäischen Sicherheitsstrategie (11), im
GoP-Bericht (12) und der  Mitteilung der EU-Kommission über die
Sicherheitsforschung (13).

2004 startete man zunächst mit einer dreijährigen "vorbereitenden
Maßnahme", im Rahmen derer bereits erste Projekte gefördert werden,
darunter auch das Projekt "Safer European borders". Die 6.000 Kilometer
lange Landgrenze und die 85.000 Kilometer lange Seegrenze soll hier
gegen "illegale Immigranten, Drogenschmuggler und Terroristen"
geschützt werden. Weitere Vorhaben sollen die Sicherheit für Eisenbahn
und Flughäfen sowie Computernetzwerke erhöhen. Es wird an bessere
Systeme für das Krisenmanagement gedacht, an Abwehrsysteme für
Flugzeuge gegen MANPADS, verbesserten Informationsfluss für die
Geheimdienste, tragbare Geräte, mit denen sich durch Mauern in Gebäude
sehen lässt und Menschen in diesen verfolgt werden können, oder eine
standardisierte Schnittstelle zwischen sicheren Containern oder
Fahrzeugen und Lesegeräten durch RFID-Technik. Ein Projekt soll auch
der Frage nachgehen, wie neue Überwachungstechnologien in
Übereinstimmung mit dem Datenschutz und den Menschenrechten stehen
können. Kritik der Bürgerrechtsorganisationen richtet sich vor allem
dagegen, dass die Sicherheitsforschung eine militärische Ausrichtung
hat und in vielen Projekten die großen europäischen Rüstungskonzerne
das Sagen haben.

Im Februar 2006 fand die erste, nach Ansicht der österreichischen
EU-Präsidentschaft sehr erfolgreiche  Europäische Konferenz über
Sicherheitsforschung (14) in Wien statt. Unter der deutschen
EU-Präsidentschaft soll eine weitere Konferenz folgen.

Ben Hayes kritisiert in dem Bericht vor allem, dass die von der
Kommission geplante Sicherheitsforschung bislang nicht im EU-Parlament
diskutiert werden konnte. Zudem würde die geplante Sicherheitsforschung
öffentliche Gelder vornehmlich dem "Militärisch-industriellen Komplex"
zukommen lassen, der sich auf die profitable Sicherheitstechnologie
umstellen will. Das führe zu einer "Militarisierung der Polizei- und
Grenzkontrollen", die aber Verbrechen und Terrorismus nicht verhindern
könnten, weil man damit nicht deren primären Ursachen bekämpfe, aber
die bürgerlichen Freiheiten massiv bedrohe. Aber das ist der Fall ganz
unabhängig davon, ob nun die Rüstungskonzerne oder andere Unternehmen
Sicherheitstechnologien entwickeln, die dann von den europäischen
Staaten gekauft und eingesetzt werden.

LINKS

(1) http://www.telepolis.de/r4/artikel/22/22812/1.html
(2) http://www.telepolis.de/r4/artikel/22/22780/1.html
(3) http://news.independent.co.uk/europe/article624667.ece
(4)
http://ec.europa.eu/enterprise/security/doc/project_flyers/766-06_bsuav.
pdf
(5) http://www.heise.de/newsticker/meldung/72377
(6) http://www.statewatch.org/news/2006/apr/bigbrother.pdf
(7) http://europa.eu.int/comm/research/press/2004/pr0909en.cfm
(8) http://www.telepolis.de/r4/artikel/16/16772/1.html
(9)
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/com/2005/com2005_0119de01.pd
f
(10) http://www.aecma.org/Publications/STAR_21_350kB.pdf
(11)
http://europa.eu.int/eur-lex/pri/en/dpi/cnc/doc/2004/com2004_0072en01.do
c
(12) http://europa.eu.int/comm/enterprise/security/doc/gop_en.pdf
(13) http://europa.eu.int/eur-lex/en/com/cnc/2004/com2004_0072en01.pdf
(14)
http://www.bmvit.gv.at/eu_rat/innotech/veranstaltungen/sicherheit.html



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