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[infowar.de] Das ultimative Überwachungstool für Netzwerke: DARPA träumt von 'Cyberfahrzeug'
Da hat Florian Rötzer mal wieder schöne esoterische DARPA-Schriften im
Graubereich zwischen Forschung und Sci-Fi ausgegraben. Sie träumen von
einem 'Cyberfahrzeug' oder 'Infogefährt', das sich im Cyberspace ähnlich
bewegen soll wie ein Flugzeug im Luftraum. Na dann.
RB
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25524/1.html
Das ultimative Überwachungstool für Netzwerke
Florian Rötzer 18.06.2007
Strategen der US-Luftwaffe entwickelten ein wahrhaft futuristisches
Konzept eines "Cyber-Fahrzeugs", um im virtuellen Medium ebenso präsent
zu sein wie in der Luft, auf dem Boden, auf See oder im Weltraum
Es ist ja nicht so, dass die Fiktion alleine in der Literatur und der
Kunst beheimatet ist. Seitdem die Wissenschaft sich in der Neuzeit mit
der Technik liiert hat und experimentelle Forschung betriebt, denken
auch Wissenschaftler notwendig über das Gegebene hinaus und fragen nach
dem Möglichen oder auch Wahrscheinlichem. Dabei entstehen Ideen, die
sich jetzt oder vielleicht auch niemals verwirklichen lassen, aber auch
Einsichten oder Anwendungen, deren Zweck erst einmal nicht klar ist,
sich jedoch später ergeben kann. Die Einsicht, dass Wissenschaften und
technische Entwicklung auch in das zwar Vorstellbare, aber anscheinend
noch nicht Realisierbare schreiten müssen, um auf Neues zustoßen, wird
einerseits etwa durch Grundlagenforschung gefördert, aber auch von
manchen Luxuseinrichtungen, wie sie etwa die Defense Advanced Research
Projects Agency (1) (DARPA) im Bereich der Rüstung darstellt. In der
aufgrund des Sputnik-Schocks gegründeten Behörde für das Revolutionäre,
Exotische und erst noch Fiktive werden mit einem Jahresbudget von
mehreren Milliarden Dollar mitunter verrückte Ideen ausgebrütet oder
auch aufgegriffen und gefördert. Vieles bleibt stecken, kann nicht
realisiert werden, manches aber eröffnet neue Anwendungen, die dem
Pentagon erst einmal einen technischen Vorsprung verschaffen.
Nicht erst seit dem von der Bush-Regierung ausgerufenen Krieg gegen den
Terror, aber vor allem seitdem sucht man im Pentagon und daher auch bei
der Darpa verstärkt nach einer netzbasierten Kriegsführung mit dem
gesamten Spektrum an Sensoren und Datenverarbeitungsmöglichkeiten sowie
nach fernlenkbaren und autonomen Robotern und Roboterschwärmen, die
sich statt der Menschen in den Krieg schicken lassen. Das Spektrum
reicht von intelligenten Staubpartikeln zur omnipräsenten heimlichen
Überwachung über hybride Insektenmaschinen bis hin zu vollständig
autonomen, superbeweglichen und -intelligenten Robotern, die völlig
frei ihre Aktionen planen und durchführen. Fernsteuerbare Drohnen, die
zunächst nur der Aufklärung dienten und seit einiger Zeit auch mit
Waffen ausgestattet wurden, waren der erste Schritt in der Richtung.
Unterwasser- und Landroboter folgten. Eines der großen Projekte der
Darpa ist die Entwicklung von autonomen Landfahrzeugen.
Dazu wurde 2004 der Wettbewerb Grand Challenge (2) geschaffen, der im
November 2007 zum dritten Mal stattfinden wird. Dann sollen die
Fahrzeuge nicht mehr nur eine bestimmte Strecke in einer Wüste völlig
auf sich alleine gestellt erfolgreich hinter sich bringen, sondern in
die Schlachtfelder der Gegenwart und näheren Zukunft eindringen: in die
städtische Umgebung. 100 Kilometer müssen sie dann in sechs Stunden in
einer der Potemkinschen Städte durchfahren, wie sie vom Militär zum
Training immer realistischer gebaut werden. Aus der Perspektive der
Entwicklung von autonomen intelligenten Robotern mit vielfältigen
Handlungsoptionen sind das noch erste, kleine Schritte, aber die
Fahrzeuge, deren Lenkräder von Computern auf der Grundlage von Sensoren
gesteuert werden, müssen auf der Fahrbahn bleiben, Kreuzungen
überqueren, die Verkehrsregeln beachten und anderen Robotfahrzeugen
ausweichen.
Aber man stellt sich nicht nur materielle Fahrzeuge und Roboter vor,
die in der wirklichen Welt autonom sich bewegen, etwas erkunden und
kämpfen können. Gerade angesichts des Konflikts mit dem Iran wollen die
Militärtechniker auch winzige Robotersysteme ausbrüten, die man in
Schwärmen über Orten aus der Luft abwerfen kann. Sie sollen dann etwa
Luftschächte von tief unter der Erde befindlichen und aus der Luft
unzerstörbaren Bunkeranlagen aufspüren, in diese eindringen und dann
mit Sprengstoff oder Giften die Menschen oder gar die Bunker selbst
ausschalten.
Noch etwas gewagter wünschen sich Wissenschaftler bei der US Air Force
für den Infowar oder die netzwerkbasierte Kriegsführung ein neues
Mittel, das wohl auch den Vorstellungen von Schäuble, Beckstein oder
Ziercke für geheime Online-Durchsuchungen entsprechen dürfte. In
Analogie zu der Kriegsführung auf dem Boden, unter der Erde, unter
Wasser, auf dem Wasser sowie in der Luft und im Weltraum werde der
Cyberspace nun zu dem Medium für den "effektivsten Gebrauch von
militärischer Macht im Informationszeitalter" schreiben (3) sie. Das
beträfe besonders die Kriegsführung im komplexen und schwer
kontrollierbaren urbanen Bereich, den die Terroristen und
Aufständischen im Zeitalter der asymmetrischen Kriege vorwiegend
nutzen. Um im Cyberspace effektiv handeln zu können, müsse man hier in
Analogie zu den Boden-, Luft- und Wasserfahrzeugen ein "Cybergefährt"
entwickeln, mit dem sich Aufklärung betreiben oder militärische
Aktionen ausführen lassen.
Urbane Gebiete können meist nicht mehr einfach mit massiver
militärischer Gewalt eingenommen werden, indem Infrastruktur und Feinde
vernichtet werden. Das erweise sich beim Kampf gegen dezentrale
Netzwerke von Aufständischen zunehmend als kontraproduktiv, da bei
Angriffen mit massiver Feuerkraft und trotz des Einsatzes von
Präzisionswaffen notwendig auch Zivilisten getötet oder verletzt und
die zivile Infrastruktur zerstört wird. Die netzbasierte Kriegsführung
vernetzt zunächst die Truppen untereinander, so dass alle Einheiten und
Soldaten in Echtzeit kommunizieren, ihre Aktionen synchronisieren und
alle verfügbaren Informationen besitzen. Allerdings könnten die Gegner
versuchen, in das eigene Netzwerk einzudringen, während es noch
wichtiger wäre, in die Netzwerke, Funknetze und
Telekommunikationssysteme der Gegner einzudringen. Hier kommt nun das
"Cyberfahrzeug" oder "Infogefährt" ins Spiel, das sich im Cyberspace
ähnlich bewegen soll wie ein Flugzeug im Luftraum.
Die Wünsche oder Anforderungen sind nicht bescheiden. Man soll es von
überall starten und aus der Ferne wie eine Drohne steuern können. Es
soll sich, um dem Feind nichts zu verraten, wenn es von diesem erkannt
wird oder in seine Hände fällt, selbst bei Bedarf zerstören können. Es
soll sich wie ein Stealth-Bomber weitgehend unerkennbar bewegen und
agieren können und keine Spuren hinterlassen. Und es soll über Waffen
verfügen, über Viren, Würmer und Mittel der Informationskontrolle, um
die erwünschten "Effekte" zu erreichen. Dabei geht es nicht nur um das
Zerstören, sondern auch um die Beeinträchtigung oder gezielte Störung,
um das Bewirken von Konfusion oder um die Übernahme der Kontrolle.
Ganz im militärische Jargon sollen die künftigen Aufklärungs- und
Kampffahrzeuge, die man sich wohl eher als virtuelle Roboter oder
einfach als Programme denken muss, auch über Jahre hinweg Gegner
ausspähen, um beispielsweise "finanzielle Informationen über eine
potenziell feindliche Nation zu sammeln oder das politische Klima in
einem südamerikanischen Land zu erfassen". Eher kurzfristig könnten
Cyber-Crafts herausbekommen, wo Panzer stationiert sind, ob ein Bunker
besetzt ist oder wo sich die militärischen und politischen Führer
befinden. Zu taktischen Zwecken könnten sie auch Echtzeitinformationen
sammeln, beispielsweise wer sich gerade in einem Gebäude befindet.
Dabei müssen die "Cyber-Fahrzeuge" zwischen den unterschiedlichen
Netzwerken hin- und herreisen können, ohne entdeckt werden können: Das
erfordert nicht nur eine permanente Überprüfung der Netzwerke, sondern
auch eine ständige Selbstkontrolle - oder gar ein Selbstbewusstsein?
--Ein Agent muss sich ständig neu bewerten, um sicherzustellen, dass er
nicht verfolgt oder zu einem Träger für die Cyberwaffen des Gegners
wird. Cyberwaffen müssen kontinuierliche Echtzeitbewertungen der
Aufklärungsfähigkeiten des Feindes durchführen und plötzliche
Entscheidungen treffen können, sich zu verändern oder sich selbst zu
zerstören. Diese beiden Funktionen müssen verdeckt durchgeführt werden,
und die Entscheidungsinformation muss zur Cyber-Craft-Zentrale
geschickt werden.--
Das ist alles ganz schön viel verlangt, daher sagen die Autoren, dass
noch eine Menge Arbeit zur Lösung der Probleme im Bereich der Technik
und der Doktrin erforderlich sei. Aber "Cyberkriegsführung" sei eine
"entstehende Kunst", deren Bedeutung schon von vielen Ländern erkannt
werde, weswegen die USA die notwendigen Mittel zur Entwicklung dieser
Waffe investieren müssen. Hätte man nur die richtigen Programme, dann
ließen sich militärisch viele Erfolge erzielen, weil man permanent auch
in den Labyrinthen der Städte den Blick Gottes hätte, der alles
erfasst, Freunde, Feinde und Zivilisten unterscheiden und genau zielen
kann, weil er sieht, wo sich jeder zu jeder Zeit aufhält. Immerhin
räumen die Autoren ein, dass es einige Probleme bei der Entwicklung der
erwünschten "Cyber-Crafts" gibt, beispielsweise, wie man sie überhaupt
entwickelt, wie man dem Programm vertrauen kann, das Richtige
auszuführen, und wie man es kontrolliert.
LINKS
(1) http://www.darpa.mil
(2) http://www.darpa.mil/grandchallenge/index.asp
(3) http://www.au.af.mil/au/awc/awcgate/afrl/cybercraft.pdf
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