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[infowar.de] TELEPOLIS: The Kids are out to play



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Dieser TELEPOLIS Artikel wurde Ihnen
von Ralf Bendrath <bendrath -!
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 fu-berlin -
 de> gesandt.

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Hallo,

ein guter Artikel über die wirklichen Motive und Fähigkeiten der 
Tennage-Hacker, die vom Pentagon gerne mal zu "Bedrohungen der 
nationalen Sicherheit" hochstilisiert werden. 
Der Artikel wird übrigens neben anderen im Herbst in einem neuen 
Telepolis-Buch über "Viren, Warez und Hoaxes - Die Kultur des 
gesetzlosen Internet" erscheinen, das von Armin Medosch herausgegeben 
wird.
Es wird auch einen Beitrag von mir zu den US-Cyberkriegern enthalten.

Viele Grüsse, Ralf

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 The Kids are out to play
 
 Armin Medosch   14.06.2001 
 
 "Script kiddies" sind die Sündenböcke der Strafverfolger und 
Computerindustrie, aber sind sie wirklich so, wie sie dargestellt 
werden? 
 
 
 
  Wenn es eine Gruppe von Personen gibt, auf deren Wahrnehmung als die 
"bösen Buben des Internet" man sich scheinbar universal geeinigt hat, 
so sind es die sogenannten "Script kiddies". Bezeichnet werden damit 
meist männliche Jugendliche, die sich als "Cracker" Zugang zu fremden 
Rechnern verschaffen, Web-Sites verunstalten und Server durch 
Denial-of-Service-Attacks in die Knie zwingen. Da sie dabei (angeblich) 
keine originären, also selbstgeschriebenen Programme benutzen, sondern 
auf Programme zurückgreifen, die über spezialisierte IRC-Channels, Web- 
und FTP-Server Verbreitung finden, wurde ihnen das Attribut "script" 
vorangestellt, während sich "kiddies" auf ihr jugendliches Alter 
bezieht.  
 
 Spätestens nach den DDoS-Attacken auf CNN.com, Yahoo!, eBay und andere 
führende E-Commerce-Server im Februar 2000 [0] waren Script kiddies in 
aller Munde. Bis heute ist nicht mit Sicherheit geklärt, wer einige der 
weltweit sicherlich am besten geschützten und mit den dicksten 
Leitungen verbundenen Server für mehrere Stunden massiv beeinträchtigen 
konnte. Schätzungen der Schadenshöhe liegen zwischen 1,5 und 3 
Milliarden US-Dollar. Als vermutlicher Täter wurde später ein zum 
Zeitpunkt der Tat 15-jähriger Kanadier angeklagt und vor Gericht 
gebracht [1], doch die Experten sind sich einig, dass er nicht der 
einzige Urheber [2] der Attacken gewesen sein kann. Sein wirklicher 
Name wurde wegen seines jugendlichen Alters nie publiziert, doch als 
"Mafiaboy", so sein Internet-Pseudonym, ging er in die Netzgeschichte 
ein. Die Bedrohung durch die Script kiddies wie "Mafiaboy" oder 
"Coolio" [3] wurde zur Schlagzeile auf Seite Eins der Zeitungen und in 
den Nachrichtensendungen der elektronischen Medien und diente 
Strafverfolgungsbehörden als ein Grund mehr für die Verschärfung von 
Gesetzen gegen Cyberkriminalität. Der britische Ex-Außenminister Robin 
Cook ging sogar so weit zu behaupten, "Hacker" seien "schlimmer als 
Terroristen" [4]. Hochrangige Staatsbeamte skizzierten eine Situation, 
wonach Teenager aus ihren Kinderzimmern in der elterlichen Wohnung 
heraus mittels Computer, Modem und kopierter Software kritische 
nationale Infrastrukturen zusammenbrechen [5] lassen könnten: vom 
Stromnetz abgekappte Großstädte, Krankenhäuser, Finanzzentren, 
Militärbasen in heillosem Aufruhr oder doch zumindest aus dem Geschäft 
geworfene E-Business-Server und Staatsgeheimnisse in den Händen 
verantwortungsloser Jugendlicher. Doch auch die, die es besser wissen 
sollten, da sie unter denselben oder ähnlichen Dämonisierungen gelitten 
haben und immer noch leiden, erfahrene, echte "Hacker", brachten wenig 
Sympathie für die Kids auf. Sie benutzten den Begriff "Script kiddies", 
um sich als Hacker einer anderen, älteren Ethik von ihnen abzugrenzen. 
Sie verachten sie wegen des unterstellten Mangels wirklich tiefer 
Computerkenntnisse und weil sie durch ihre unbedachten Handlungen den 
Regierungen die Legitimation lieferten, ein weites Spektrum von 
sicherheitsrelevanten Computeraktivitäten - im Volksmunde "Hacking" - 
zu kriminalisieren. Wobei sie mit letzterem durchaus recht haben 
könnten. Doch es muss im selben Moment hinzugefügt werden, dass die 
Scharfmacher in Polizei- und Politikkreisen immer Gründe zur 
Verschärfung von Gesetzen und Strafverfolgungspraktiken finden werden. 
 
 
 
 Aber möglicherweise sind die sogenannten Script kiddies eine weit 
weniger homogene und stereotype Gruppe, als Polizei, Medien und 
Alt-Hacker uns glauben machen wollen. Mit allergrößter 
Wahrscheinlichkeit ist das durch sie repräsentierte Schadenspotential 
weit geringer als unterstellt. Mit dieser Aussage soll nicht in Zweifel 
gezogen werden, dass jugendliche Cracker Gesetzesverstöße begehen, dass 
sie Betroffenen persönlichen und wirtschaftlichen Schaden verursachen 
und dass gegen diese zahlenmäßig wachsende Bedrohung etwas unternommen 
werden soll. Doch sind "Script kiddies" wirklich eine derartige "Menace 
to Society", eine Herausforderung an die Werte der Gesellschaft? Oder 
sind sie nicht vielmehr ein Produkt ebendieser Gesellschaft, die sie so 
verdammt? Vielleicht ist ihr Verhalten Symptom wesentlich tiefer 
liegender und weit verstreuter, sozusagen systembedingter Fehler, die 
ihren Un/taten Vorschub leisten? Ähnlich wie die Frage, ob ein 
Verbrecher rein individuell für seine Taten "schuldig" zu sprechen ist 
oder ob ihn die Umstände erst zu dem gemacht haben, was er ist, sind 
solche Fragen nicht auf einer allgemeinen moralischen Ebene lösbar. 
Script kiddies sollen hier weder pauschal in Schutz genommen oder 
entschuldigt werden, noch soll das negative Bild von ihnen repliziert 
werden, das ohnehin bereits vorherrscht. Wenn man sich mit dem Phänomen 
genauer befasst, kommt man relativ bald zu der Auffassung, dass es 
diese stereotypischen Script kiddies eigentlich gar nicht gibt, sondern 
vor allem Kids, mit einer Reihe verschiedener Auffassungen und 
Motivationen, die nur eines wirklich verbindet, nämlich dass sie einen 
großen Teil ihrer Freizeit mit der Beschäftigung mit Computern und 
Netzwerken verbringen. Spätestens an dieser Stelle ist der Begriff 
Script kiddies als von außen auferlegte Negativbeschreibung ad acta zu 
legen. Man sollte sie zunächst, ohne vorher festgesetzte moralische 
Wertungen, als das sehen, was sie repräsentieren: eine relativ neue, 
technologische, unangepasste, bisweilen störrische, störende und 
zerstörerische Jugendkultur, wobei die Betonung jedoch auf Kultur 
liegt. 
 
 
 
 Botschaften aus dem Underground 
 
 
 
 
 
 Wurzeln jugendlicher Hackerkultur aus der Perspektive der beteiligten 
Jugendlichen, ihren persönlichen Beweggründen nachforschend, beschreibt 
das Buch  Underground [6] (1997).1 Dieses handelt von jugendlichen 
Hackern in Australien, USA und England im Zeitraum von ca. 1988 bis 
1992. Die Parameter waren damals noch ganz andere, denn "Hacking" 
diente einem Hauptzweck, überhaupt Zugang zu weltweiten elektronischen 
Netzwerken zu haben, was den Jugendlichen ohne kreative Umgehung von 
Sicherheitsmaßnahmen damals legal gar nicht möglich gewesen wäre. Doch 
das Geschehen rund um Mailboxen wie The Realm in Melbourne oder das 
Chatsystem Altos in Deutschland ist so etwas wie eine Blaupause 
zukünftiger Entwicklungen. Wie die Erzählungen in "Underground" 
nahelegen, ging es diesen Hackern oder  Crackern darum, ihre ganz 
eigenen Wege durch die gerade wachsende Netzwelt zu finden. Durch die 
Entwendung von Accounts und durch das Öffnen von Hintertüren konnten 
sie Wege gehen, die sonst kaum jemandem bekannt waren und die ihnen 
eine Bewegungsfreiheit in internationalen Netzwerken gab, die gerade 
noch völlig utopisch erschienen war. Eine wichtige Motivation war die 
Anerkennung, die sie mit erfolgreichen Hacks in der kleinen aber feinen 
Hacker-Community gewinnen konnten. Dazu kamen Neugierde, der Wunsch 
sich im Do-it-Yourself-Verfahren technisches Wissen anzueignen und der 
Erwachsenenwelt ein Schnippchen zu schlagen. Die minimale Ethik bestand 
darin, in Fremden Systemen keinen Schaden anzurichten, keine Rechner 
zum Absturz zu bringen, keine Dateien zu löschen und sich keine 
finanziellen Vorteile zu verschaffen. Wichtig war auch das Fair play, 
innerhalb der Community Informationen - z.B. Wissen über Hintertüren 
und Passwort-Crackmethoden - auszutauschen. Moralische Grenzen waren 
zwar durchaus porös, so gab es auch Fälle von "carding" 
(Kreditkartenbetrug) und "phreaking" (Missbrauch von 
Telefonschaltanlagen), doch die eigentliche Herausforderung bestand 
darin, Meisterschaft über Unix-Systeme zu erlangen. 
 
 "Underground" zeichnet das Bild eigentlich nicht kriminell gesinnter 
Jugendlicher verschiedener Herkunft, die allerdings bereit sind, 
bestimmte Grenzen der Legalität zu überschreiten. Hervorgehoben werden 
auch die starken Bindungen an andere Jugendkulturen, vor allem Musik 
(Indie-Rock wie z.B. Midnight Oil) und die Gegensätze zur 
Erwachsenenwelt. Der Konflikt der Kulturen und Generationen 
einschließlich gegenseitigen Unverständnisses könnte größer nicht sein 
- auch ein Element, das bis heute so geblieben ist. Da ist einerseits 
die Welt von Sicherheitsbeauftragten mit Visitenkarten, verbrieften 
elektronischen wie realweltlichen Identitäten in festgefügten 
Hierarchien und Karrieren. Ihnen gegenüber stehen nur unter kryptischen 
Internet-Pseudonymen (Nicknames) agierende jugendliche Slackertypen aus 
den Vorortbezirken von Melbourne oder Manchester. Die verschiedenen 
Geschichten, die sich zehn Jahre später fast identisch wiederholen, 
führen zum langsamen Aufbau des Gegenschlags der Realwelt und damit zum 
negativen Höhepunkt. FBI und Secret Service werden auf die Aktivitäten 
der Hacker aufmerksam. Spektakuläre Fälle gelangen in die Schlagzeilen. 
Neue Anti-Hackergesetze werden eingeführt, Schuldige müssen gefunden 
und exemplarisch bestraft werden. 
 
 
 
 Machtdemonstration eines Teenage-Hackers 
 
 
 
 Für heutige Jugendliche ist der Zugang zum Internet selbst kein 
Problem mehr, sie werden sogar von allen Seiten dazu ermutigt. Doch der 
Anreiz oder Spielraum für illegale Aktivitäten ist damit nicht 
verschwunden. Wie es ein Sicherheitsexperte kürzlich formulierte, gibt 
es eine Art neuer Währung im Internet: Hintertüren.2 Im Kern geht es 
dabei um dasselbe Spiel wie vor 10 Jahren: Wege zu gehen, die anderen 
verschlossen sind, die beamteten Profis der Erwachsenenwelt zu 
überlisten, "root" (Administrator-Privilegien) auf fremden Servern zu 
bekommen, und der Insidergemeinde zu zeigen, dass man, wie es im Jargon 
heißt, "elite" geworden ist, also zur Elite wahrer, amtlicher Hacker 
gehört. Wer sich Zugang zu möglichst vielen Systemen verschafft (und, 
indem dies nicht an die große Glocke gehängt wird, sich dieses Privileg 
über längere Zeit bewahrt) erhöht seinen Status in der Gruppe. Die 
Etablierung des angenommenen Nome de guerre, des eigenen 
Internet-Nickname, als anerkanntes Markenzeichen in der 
Hacker-Community ist der höchste Preis. Allerdings kann dieses Ziel 
nicht nur allein dadurch erreicht werden, klammheimlich und still und 
leise Hintertüren und Zugangsrechte zu horten. Deshalb gilt es, 
gelegentlich öffentlich ein Zeichen zu setzen. Die jugendlichen 
Internet-Missetätern am häufigsten zugeschriebenen und wahrscheinlich 
auch wirklich von ihnen verursachten Vandalenakte sind 
Website-Defacement, auch genannt Web-Graffiti, und DoS-Angriffe, bzw. 
Distributed-DoS-Attacks. 
 
 Bei "Distributed Denial of Service"-Attacken (DDoS) geht es im 
Grundprinzip darum, einen Server mit möglichst so vielen Datenpaketen 
zu bombardieren, dass die ihm zur Verfügung stehende Bandbreite an 
Internetanbindung durch diesen unerwünschten Traffic verstopft wird, so 
dass "normale" Datenpakete, also z.B. Webserver-Abfragen von an dessen 
Angebot interessierten Usern, nicht mehr durchkommen. Die Methoden für 
diese Art von Angriffen haben sich mit der Entwicklung verschiedener 
Formen von DDoS-Attacken verfeinert. Über einschlägige Kanäle 
erhältliche Programme wie "Stacheldraht" oder "Tribal Flood Net" geben 
relativ unerfahrenen Usern mächtige Angriffswaffen in die Hände, was 
sich den Medien-Hype über Script kiddies nur weiter beflügelte. Doch 
jugendliche Hacker wollen sich eigentlich gar nicht mit diesem Begriff 
bezeichnet sehen und können sehr unwirsch reagieren, wenn sie sich zu 
Unrecht in diese Katgeorie gesteckt fühlen. Diese Erfahrung machte der 
Computerfachmann Steve Gibson, dessen Firmenserver Opfer eines 
fortgesetzten  DDoS-Angriffs [7] wurde. 
 
 In dem Fall, den er selbst im Netz ausführlich  dokumentiert [8] hat, 
fand eine DDoS-Attacke von über 400 weltweit verstreuten Windows-PCs 
aus statt, in die der Angreifer kleine Scripte ("Zombie" oder "Bot" 
genannt) eingeschleust hatte und die über spezielle IRC-Kanäle von 
ihrem "Herrn" gesteuert wurden. Die Anbindung von Gibsons Firma GRC ans 
Internet wurde mit riesigen Datenpaketen völlig überflutet. Da die 
Angriffe nicht aufhörten, machte sich der Betroffene auf zu 
Ermittlungen im Netzunderground. Dank seiner Fähigkeiten als Althacker 
gelang es ihm, einen 13-Jährigen, der unter dem Nickname "Wicked" 
auftrat, als Urheber zu identifizieren und über eine Forums-Seite mit 
ihm in Dialog zu treten. Wicked gab zu, Urheber der Angriffe zu sein, 
weil ers aus zweiter Hand gehört habe, dass Gibson ihn als Script 
kiddie bezeichnet hätte. Seine Netzanbindung habe er überflutet, um ihm 
seine Macht zu demonstrieren. Gibson, der durch eine katharrtische 
Erfahrung gegangen war, schlussfolgerte   
dass er trotz aller Kenntnisse diesen Angriffen gegenüber wehrlos ist, 
folglich bekannte er, "ich gebe auf, du hast gewonnen"  
dass die Verletzlichkeit von Microsoft-Betriebssystemen, als "Zombies" 
für DDoS-Angriffe übernommen zu werden, einen Kern des Übels ausmacht 
und sich mit neuen Generationen, Windows 2000 und Windows XP noch 
verschlimmern werde  
dass ihm weder die Provider der Userrechner, die als "Zombies" befallen 
wurden, helfen konnten oder wollten, bzw. einfach die Augen schlossen  
dass ihm auch das FBI nicht helfen konnte oder wollte.  
 
 Erst nachdem er seine Niederlage eingestanden hatte und seinem 
Gegenüber vermitteln konnte, dass er besagte Äußerung bezüglich "Script 
kiddie" nie gemacht hatte, hörten "Wickeds" Attacken freiwillig auf. 
Gibson macht sich in der Folge daran, ein Tool gegen DDoS-Attacken zu 
entwickeln. 
 
 
 
 Graffiti-Künstler im Netz 
 
 
 
 
 
 Bei der Verunstaltung von Websites, passender auch genannt 
"Web-Graffiti", geht es darum sich temporär Zugang zu einem Web-Server 
zu verschaffen und dessen Homepage durch Inhalte eigener Wahl zu 
ersetzen. Diese Praxis hat fast schon epidemische Ausmaße angenommen. 
60 bis 80 Websites werden angeblich täglich übernommen und mit 
Graffitis versehen. Diese haben die verschiedenste Inhalte aber einige 
gemeinsame Charakteristika sind: die digitalen Spraykünstler 
hinterlassen ihre Namenssignatur, einen typischen im Hackerjargon 
geschriebenen Namen, auch genannte "handle", bestehend aus Buchstaben, 
Zahlen und Zeichen (z.B. "Z3BR4 X", "DigiAlmighty", "f0rpaxe"); 
weiteren Jargon wie "XY rulez" oder "ownz", d.h. "Soundso" hat die 
Kontrolle über den Server erlangt. Viele arbeiten auch in Gruppen, die 
unter Namen wie "PoizonB0x" oder "World of Hell" auftreten. Nicht 
zwingend aber häufig sind "shouts", d.h. Grüße an die eigene Community, 
andere Gruppen, manchmal auch Botschaften an Mädchen und Hackergrößen 
wie Kevin Mitnick und 2600 Magazine. Kundgebungen allgemeiner 
Befindlichkeit (Bier, Joints) und gelegentlich politische Botschaften, 
Grafiken und sogar Midi- und MPEG-Daten sind ebenfalls Bestandteil 
spezifischer Handschriften. In den vergangenen Jahren blieb kaum ein 
populärer Webserver von solchen temporären Übernahmen verschont, seien 
es die Server der New York Times oder der NASA. Je zentraler ein Server 
in der öffentlichen Gewichtung der Bedeutung ist, umso größer der Sieg 
für die "Cracker". Cracks von Serveren wie dem der New York Times haben 
in der Vergangenheit noch Schlagzeilen verursacht. Heute sind 
Web-Graffiti so zahlreich, dass es sich schon um eine konzertierte 
Übernahme zahlreicher Server gleichzeitig handeln muss, um noch einen 
Journalisten hinter dem Ofen hervorzulocken. Interessanter als der 
jeweils einzelne Falls sind Serien oder bestimmte Konflikte. So gibt es 
Cracker-Truppen, die sich auf die Übernahme von Servern aus dem 
militärisch industriellen Komplex [9] spezialisiert haben. Andere 
wieder bevorzugen Ziele unter ausgewählten, weltgrößten Konzernen. Im 
Kontext politischer Konflikte zerschießen gegnerische Cracker die 
jeweils anderen Webs-Sites - wie kürzlich USA gegen China, 
Palästinenser gegen Israel, Serbien gegen Kroatien und Kosovo-Albaner. 
 
 Die Medien spielen solche Vorfälle gerne als das Aufflammen [10] des 
lange prophezeiten Info- oder Cyberwars hoch. Doch eines sollte dabei 
keinswegs übersehen werden. Es handelt sich "nur" um die temporäre 
Zerstörung von Information auf einem öffentlich zugänglichen Webserver, 
die verändert oder unzugänglich gemacht wird. Kritische Applikationen 
sollten davon nicht betroffen sein, da sie, eine der Grundregeln jedes 
Sicherheitshandbuchs, auf anderen Rechnern laufen sollten, die nicht 
direkt mit einem Webserver verbunden und zusätzlich geschützt sein 
sollten. Das Cracken des Webservers einer Stromgesellschaft [11] 
bedeutet nicht, Zugriff auf den Rechner zu erhalten, mit dem sich das 
entsprechende Stromnetz herunterfahren ließe. Doch in der medialen 
Wahrnehmung solcher Vorfälle wird diese Differenzierung oft (bewusst?) 
unterlassen. Wenn Cracker, die eigentlich nur ihr Web-Graffiti 
veröffentlichen wollen, über Datenbanken mit Kundeninformationen, 
Kreditkarteninformationen oder andere sensible Informationen stolpern, 
handelt es sich um einen gravierenden Mangel der Sicherheitspolitik des 
entsprechenden Unternehmens. Es ist ausgesprochen unwahrscheinlich, 
dass jemand, auf den die Bezeichnung Script kiddie zutrifft, also ein 
Anfänger, der nur mit vorgefertigten Programmen operiert, ein gut 
gewartetes System penetrieren kann, in dem alle bekannten 
Sicherheitslücken geschlossen sind. Doch es scheint leichter, über die 
Medien Sündenböcke zu schaffen, als Sicherheit ernst zu nehmen. 
Darüberhinaus stellt die die Monokultur Microsofts scheinbar ein 
ideales Umfeld für die Aktivitäten von Script kiddies dar - z.B. die 
Verwundbarkeit von MS Outlook Express für Viren und Würmer, die mit 
Standard-Viren-Tool-Kits erstellt wurden. 
 
 Die Website  Alldas.de [12] ist inzwischen die einzige Website, die 
noch ein  Archiv [13] von gecrackten Websites bereitstellt. Dort 
veröffentlichte  Interviews [14] mit Web-Graffiti-Attentätern legen die 
Vermutung nahe, dass das "Script-kiddie-Stadium" so etwas wie die erste 
Stufe auf einer Leiter des Lernens in der Beschäftigung mit Computer- 
und Sicherheitsthemen ist. Ganz anders als die Medienberichte 
unterstellen, sind jugendliche Cracker nicht unbedingt auf eine 
Karriere als hartgesottene Cyberkriminelle oder -Terroristen fixiert. 
Viel eher schielen sie auf einen Job in der Computerindustrie als - 
Überraschung - Sicherheitsexperte, auch White Hat Hacker oder Ethical 
Hackers genannt. Aktivitäten in der Computer-Unterwelt, und das wird 
auch von ihnen selbst oft so verstanden, dienen der Gewinnung einer 
Reputation unter Freunden, einem erweiterten Expertenkreis und damit 
quasi der Vorbereitung auf ein Ticket in die spätere Berufslaufbahn. 
Sie zu kriminalisieren oder gar als Terroristen hinzustellen, lässt 
sich nur mit dem berühmten Vergleich von mit Kanonen auf Spatzen 
schießen vergleichen. 
 
 Jugendliche Computerfreunde, irreführenderweise Script kiddies 
genannt, sind oft eher idealistische junge Menschen, die sich mit 
übermächtigen Institutionen des Staates und der Wirtschaft konfrontiert 
sehen. Misstrauisch gegen die Ausübung von Autorität, sehen sie es als 
legitim an, in ihren Augen kleinere Gesetzesverstöße zu begehen. Was 
früher als der militärisch-industrielle Komplex bezeichnet wurde, ist 
im Internet immer nur eine Ecke entfernt. Ohne sich ganz im Klaren zu 
sein, mit wem sie sich anlegen, testen sie die Grenzen des zivilen und 
militärischen Internet aus und fordern die Staatsmacht heraus. Diese 
ist in ihrer Gegenreaktion nicht zimperlich. Razzien gegen 15-Jährige 
mit nichtuniformierten, schwerbewaffneten Agenten sind vor allem in 
Nordamerika keine Seltenheit. Öffentliche Brandmarkung als Kriminelle 
und Terroristen und das Austeilen von Gefängnisstrafen sendet das 
Signal, die Reihen im Untergrund zu schließen. Die Tendenz ist ähnlich 
der im "Krieg gegen Drogen". Wer wegen Besitzes einiger Gramm Marihuana 
für ein Jahr oder länger ins Gefängnis geht, kommt höchstwahrscheinlich 
als verhärteter Krimineller in die Welt zurück. Kurz nach den 
DDoS-Angriffen auf Yahoo! usw. schrieb der amerikanische Cyberkritiker 
Douglas Rushkoff, dass ihn diese erfolgreichen Angriffe nicht nur mit 
geheimer Schadenfreude erfüllen, sondern dass er auch eine Vermutung 
über die Beweggründe für diese Angriffe hat. Es sei die zunehmende 
Kommerzialisierung des Netzes, die es nötig machen, dieses zu einem 
immer sichereren, besser überwachten Raum zu machen. Möglicherweise 
seien diese Angriffe also als Befreiungsschlag gegen die Konsequenzen 
der Kommerzialisierung des Netzes zu sehen, schrieb Rushkoff [15]. 
Jugendliche heute sehen sich mit einer vielfach reglementierten, von 
Konsum, Markennamen und Behörden regierten Welt konfrontiert. Rebellion 
gehört zur Jugend, ebenso wie ein erwachendes Interesse an Sex und ein 
gesteigertes Gerechtigkeitsgefühl. Ein häufig verwendetes Vorurteil 
gegen jugendliche Computerfreaks lautet, es wären vereinsamte Typen, 
ohne soziales Leben in der "normalen" Welt. Interviews auf Alldas.de 
ebenso wie das Buch "Underground" widersprechen diesem Klischee. 
Jugendliche Computerfreaks sind ganz normale Jugendliche, mit Interesse 
an Anerkennung in einer Gruppe, Selbstbestätigung und Kontakt mit dem 
anderen Geschlecht. Sie zu dämonisieren und zu kriminalisieren, kann 
bedeuten, einige der begabtesten und wissensbegierigsten Leute in 
dieser Gesellschaft, die einen wertvollen Beitrag zu liefern hätten, zu 
stigmatisierten Außenseitern zu machen, denen der Einstieg in ein 
normales Leben unnötig schwer gemacht wird. 
 
 Merkwürdigerweise haben über ein Jahr nach den DDoS-Attacken auf CNN, 
Yahoo! usw. die Medienberichte über Script kiddies in ihrer Frequenz 
deutlich nachgelassen. Auf einschlägigen Computer-Newssites finden sich 
noch Berichte zu den Verfahren gegen Aushängeschilder wie Mafiaboy oder 
Coolio, doch über die Gefängnisstrafen, zu denen sie letztlich 
verurteilt wurden oder nicht, findet sich trotz ausgiebiger Recherche 
rein gar nichts. Ein Grund kann sein, dass dem Dot-Com-Boom die Luft 
ausgegangen ist und daher der Schlagzeilenwert solcher Meldungen 
gesunken ist. Ein anderer Grund klingt schon etwas konspirativer. 
Praktisch alle hochindustrialisierten Länder haben inzwischen 
drakonische Gesetze gegen Cyberkriminalität, die kaum einen Unterschied 
machen zwischen kriminellen Aktivitäten (Identitätsdiebstahl, 
Kreditkartenbetrug) und typischen Script-kiddie-Aktivitäten. Auf 
internationaler Ebene, Europarat, EU, G8-Staaten, werden derzeit 
weitere internationale Abkommen geschnürt, die jegliches Schlupfloch 
gegen Cyberkriminalität stopfen, ganz im Sinne einer 
Null-Toleranz-Politik. Öffentlicher Widerstand in der liberalen Presse 
gegen diese Gesetzgebungen, die viele Bürgerrechte im Cyberspace zu 
beseitigen drohen, ist minimal bis gar nicht vorhanden. Wie kausal man 
diesen Zusammenhang - zwischen Gesetzgebung und Boom und Ende der 
Berichterstattung über Script kiddies - auch sehen mag, es scheint die 
"Script kiddies" haben ihre Schuldigkeit als Sündenböcke für die 
Bedrohung aus dem Internet vorerst getan. 
 
 
 
  
 
  Literaturangaben
 
  
 
 1) "Underground", Suelette Dreyfus with research by Julian Assange, 
Random House Australia, 1997,  www.underground-book.com/ [16] 
 
  
 
 2) "Hackers are also exchanging vulnerability information with one 
another, said Tom Noonan, president and CEO of Internet Security 
Systems Inc. in Atlanta. "There is a whole new currency on the Internet 
that's called the back door," he said, adding that attackers are 
trading information about back doors that provide access to different 
systems. Zitat aus  Computerworld [17] 
 
  
 
 Links 
 
 [0] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/5766/1.html
 [1] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/4415/1.html
 [2] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/raum/6618/1.html
 [3] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/5791/1.html
 [4] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/7288/1.html
 [5] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/info/7234/1.html
 [6] http://www.underground-book.com/
 [7] 
http://www.heise.de/newsticker/result.xhtml?url=/newsticker/data/ps-04.0
6.01-000/default.shtml&words=Kiddies
 [8] http://grc.com/dos/grcdos.htm
 [9] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/info/7563/1.html
 [10] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/info/7513/1.html
 [11] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/info/7864/1.html
 [12] http://www.alldas.de
 [13] http://defaced.alldas.de
 [14] http://security.alldas.de/interviews/
 [15] http://www.heise.de/tp/deutsch/kolumnen/rus/5776/1.html
 [16] http://www.underground-book.com/
 [17] 
http://www.computerworld.com/cwi/Printer_Friendly_Version/0,1212,NAV47_S
TO59280-,00.html
 
 Artikel-URL: http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/te/7888/1.html 
 
 
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