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[infowar.de] Dorothy Denning bei Politik-Digital



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Hallo,

aus Anlass unserer morgen beginnenden Konferenz zur Rüstungskontrolle im
Cyberspace hat Politik-Digital einen kleinen Schwerpunkt zu diesem Thema
gemacht. Hier ein Interview mit Dorothy Denning aus Washington, die am
Samstag vortragen und diskutieren wird. 
Mein liebstes Zitat:
"Ich denke, es gibt eher die Möglichkeit, kriminelles Verhalten zu
kontrollieren als das Verhalten von Nationen."

Grüsse, Ralf

Kalter Krieg mit Teenagern

Interview mit Dorothy Denning

28.6.2001
http://www.politik-digital.de/netzpolitik/cyberwar/denning.shtml
Dorothy E. Denning hat eine Professur für
Computer Science an der Georgetown
University und ist Leiterin des Georgetown
Institute for Information Assurance. Ihre
derzeitigen Arbeitsfelder umfassen die
Bereiche Cyber-Crime und Cyber-Waffen-
Kontrolle, Informationskrieg und -sicherheit
und Einfluss von Technologie auf die
Gesellschaft. Mit politik-digital sprach sie über über die
Gefahren der Cyber-Waffen. 

politik-digital: Hallo, Dorothy Denning. Wir werden uns heute über
die legalen und technischen Möglichkeiten unterhalten, mit denen
man das "Cyber-Rüsten" kontrollieren kann. Erst vor ein paar Tagen
ist in Deutschland eine Pressemitteilung veröffentlicht worden, die
davor warnte, dass die USA sehr aktiv im Entwickeln von
"Cyber-Waffen" sind und dass wir vielleicht auf ein neues
Wettrüsten zusteuern. Wie nah sind wir aus Ihrer Sicht einem
"Kalten Cyber-Krieg"? 

Dorothy Denning: Meinen Sie einen Kalten Krieg mit Teenagern?
Die haben mehr Cyber-Waffen als sonstwer. 

politik-digital: Nein, nicht unbedingt Teenager. Eher erwachsene
Militärs... 

Dorothy Denning: Na ja, es wird viel geredet. Ich weiß nicht genau,
welche Fähigkeiten bis jetzt entwickelt wurden. 

politik-digital: Denken Sie, dass die Gefahr von Konflikten auf
zwischenstaatlicher Ebene droht oder ist das eher informell? 

Dorothy Denning: Ich glaube nicht, dass zur Zeit ernsthaft die
Gefahr eines zerstörerischen Cyber-Krieges droht. 

politik-digital: Welche Waffen könnten denn in einem eventuellen
Cyber-Angriff eingesetzt werden? 

Dorothy Denning: Es fallen verschiedene Hacker-Tools darunter, z.B.
Computer-Viren,
Würmer, Trojanische Pferde, Sniffer und Spionage-Tools. Ebenso zählen
verschiedene
Methoden dazu, mit denen man diese Werkzeuge in eine bestimmte Umgebung
bringen kann.

politik-digital: Was meinen Sie mit "bestimmter Umgebung"? 

Dorothy Denning: Gegen ein bestimmtes Ziel gerichtet. 

politik-digital: Worin liegt ihre spezifische Gefahr? Worin
unterscheiden sie sich von traditionellen Waffen? 

Dorothy Denning: In der Regel verursachen sie keine körperlichen
Schäden, Verwundung und Tod eingeschlossen. 

politik-digital: Aber sie fügen auf indirektem Weg Schaden zu? 

Dorothy Denning: Sie können sehr hohe Kosten verursachen, z.B. wenn
jemand
Kreditkartennummern stielt oder sich mit betrügerischen
Bank-Transaktionen beschäftigt. Sehr oft ist der Schaden zerstörender
Natur, wie bei vielen Computer-Viren und Würmern. Aber auch diese
verursachen Kosten. Schätzungen haben für den ILOVEYOU-Virus Schäden in
Höhe von mehr als 10 Milliarden $ ergeben. 

politik-digital: Aber inwiefern stellen sie denn eine neue "Klasse" von
Waffen dar, die wir vorher nicht hatten? 

Dorothy Denning: Indem sie Bits und Bytes statt physikalischer Materie
beinhalten. 

politik-digital: Kann sich "gute" Software in schlechte verwandeln? 

Dorothy Denning: Gute Software kann benutzt werden für schlechte Taten.
Sie kann auch ersetzt werden durch trojanisierte Versionen, die benutzt
werden, um Schaden zuzufügen. 

politik-digital: Wo ziehen Sie die Grenze zwischen gefährlicher Software
und solcher, die für sich genommen harmlos ist und nur das Potenzial
hat? Wie kann man gefährliche Software verbieten, ohne die gute zu
beeinträchtigen? 

Dorothy Denning: Es ist sehr schwierig, eine Grenze zu ziehen. Viele
Software-Tools, die von Systemadministratoren dazu benutzt werden,
Sicherheitslücken in ihren Systemen aufzudecken (und zu beheben), werden
auch von Hackern verwendet, um Systeme zu finden, die für Angriffe offen
sind. Es ist auch schwierig, gefährliche Software daran zu hindern, die
gute zu schädigen. Viele Viren und Spionage-Tools verändern die Software
auf dem Computer, den sie angreifen. 

politik-digital: Gibt es denn eher auf technischem oder eher auf
gesetzlichem Wege
Chancen, eine Kontrolle der Cyber-Waffen einzurichten? 

Dorothy Denning: Ich denke, es gibt eher die Möglichkeit, kriminelles
Verhalten zu
kontrollieren als das Verhalten von Nationen. Darum geht es im
wesentlichen in dem
Cyber-Crime-Vertrag des Europarates. 

politik-digital: Warum ist es so schwierig, Gesetze für das Verhalten
von Staaten zu
machen? 

Dorothy Denning: Es gibt bereits allgemeine Gesetze, die auf Staaten
anwendbar sind. Nicht klar ist, dass zusätzliche Gesetze von den Staaten
gebraucht oder gewünscht werden. Wichtige Themen wären auch die
Umsetzung und die Frage, wo die Grenzen zu ziehen sind. 

politik-digital: Aber brauchen wir nicht zusätzlich zu staatlichen
Gesetzen internationale Standards? 

Dorothy Denning: Das ist eine gute Frage. Es würde schon helfen, wenn
die Staaten eine generelle Übereinkunft über die Bedingungen schließen
würden, unter denen ein Cyber-Angriff einen Akt der Agression oder
Bedrohung gegen den Frieden nach der UN-Charta darstellt. 

politik-digital: Gibt es Chancen, dass wir zu einer solchen Übereinkunft
kommen? 

Dorothy Denning: Ich weiß nicht. Die Staaten müssten zunächst einmal ein
Interesse daran zeigen, an den Tisch zu kommen und darüber zu
diskutieren. 

politik-digital: Ist der Cyber-Crime-Vertrag des Europarates eine solche
Gelegenheit? 

Dorothy Denning: Nein, denn dieser befasst sich nur mit kriminellen
Aktionen. 

politik-digital: Welche Faktoren machen es denn so schwierig, vor
Cyber-Angriffen zu
schützen oder sie zu verhindern? 

Dorothy Denning: Systeme und Menschen weisen Verwundbarkeiten auf, die
ausgenutzt
werden können. Es ist das gleiche in der physikalischen Welt. Menschen
können ausgeraubt oder ermordet werden. Diebe können in Häuser
einbrechen. Es ist unmöglich, alle Verbrechen zu verhindern. 

politik-digital: Aber wenn man eine Waffe hat, ist diese auch sichtbar,
und man kann (nicht in allen Ländern, aber in einigen) Leute davon
abhalten, sie zu kaufen. Man kann sie auch zerstören, und dann ist sie
weg. Aber Cyber-Bewaffnung ist anders, oder? 

Dorothy Denning: Ganz anders. Man kann u.a. die Cyber-Waffe hunderte und
tausende Male kopieren und sie mit geringem Aufwand an Menschen in der
ganzen Welt verteilen. Außerdem geht es auch um die Meinungsfreiheit,
denn Software ist eine Form der Meinungsäußerung. 

politik-digital: Welchen Stellenwert nimmt der Bereich Cyber-Waffen in
der Forschung ein? Können Forscher daraus lernen? 

Dorothy Denning: Indem wir die Cyber-Waffen studieren, lernen wir
bessere
Cyber-Verteidigungssysteme zu entwickeln. Es ist unmöglich, eine starke
Verteidigung
aufzubauen, ohne die Angriffsmethoden und die eigenen Verwundbarkeiten
zu kennen. 

politik-digital: Kümmern sich Staaten mehr um die geeignete
Cyber-Bewaffnung und die
technischen Möglichkeiten der Verteigung als um internationale
Gesetzesstandards? 

Dorothy Denning: Ja, ich glaube, den Staaten ist der Schutz ihrer
kritischen Infrastrukturen und der Wirtschaft vor Hackern und
potenziellen Cyber-Terroristen wichtiger. 

politik-digital: Aber in gewisser Weise ist doch die Bedrohung von
Cyber-Attacken, z.B. auf kritische Infrastruktur da. Was können wir als
Bürger oder Forscher tun, um diese Gefahr in die Köpfe der Politiker zu
bringen? 

Dorothy Denning: Zumindest in den USA wird die Aufmerksamkeit des
Kongresses und der
Öffentlichkeit von den verschiedenen Vertretungen der Exekutive, das
Verteigungs-, Justiz- und Wirtschaftsministerium eingeschlossen, auf
dieses Thema gelenkt. Auch die Presse spielt eine wesentliche Rolle mit
ihren Berichten. 

politik-digital: Aber gleichzeitig sollen doch die USA die neue
Cyber-Supermacht sein, die auch international eine Rolle spielen sollte
im Werben um Transparenz und den gesetzlichen Status. Und sie werden
kritisiert, weil sie diese Rolle nicht einnehmen. 

Dorothy Denning: Ich denke, den USA ist es wichtiger, international für
gute Cyber-Verteidigung gegen kriminelle und terroristische Bedrohung zu
werben. Sie haben sich an den Verhandlungen zum DoE-Vertrag [soll wohl
CoE=Council of Europe heissen, Ralf] beteiligt und auch mit den G8
gearbeitet, um die Harmonisierung der internationalen
Cyber-Crime-Gesetze und die internationale Kooperation bei Ermittlungen
und Verurteilungen voranzutreiben. 

politik-digital: Wie schützen Sie selbst ihre "kritische Infrastruktur"?
Halten Sie Teenager von Ihren Büroräumen fern?;-) 

Dorothy Denning: Ich überlasse das den Sicherheitsleuten auf unserem
Campus. Bis jetzt haben sie ganz gute Arbeit geleistet. 

politik-digital: Ich danke Ihnen, dass Sie sich die Zeit genommen haben.


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