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[infowar.de] Andrew Rathmell bei Politik-Digital
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Hier noch ein weiteres Interview aus dem aktuellen Schwerpunkt. Rathmell
sieht das Ganze etwas ernster als Denning.
http://www.politik-digital.de/netzpolitik/cyberwar/waffenrennen.shtml
28.6.2001
"Ein Cyberwaffenrennen ist im Gang"
Interview mit Andrew Rathmell
Dr. Andrew Rathmell ist Geschäftsführer
des International Centre for Security
Analysis (ICSA) und Senior-Dozent am
Department of War Studies, King?s College
London. Er ist Experte für Nah-Ost-
Sicherheit, und Informationskrieg.
politik-digital erklärte er, welche Rolle
Computer Network Operations im
Cyber-Krieg haben und welche Schwierigkeiten es beim
Festlegen internationaler Gesetzesstandards zu Bekämpfung
von Cyber-Waffen gibt.
politik-digital: Hallo Mr. Rathmell, willkommen in unserem
Chat-Raum. Ich freue mich, dass Sie vor der Böll-Konferenz die Zeit
für ein Interview gefunden haben. Ich möchte mich mit Ihnen über
Cyber-Waffen und Abrüstungs-Möglichkeiten unterhalten. Ist denn
Cyber-Waffen-Kontrolle und Abrüstung wirklich notwendig?
Andrew Rathmell: Im Moment gibt es noch keinen Bedarf für
intensive Waffenkontrolle und Abrüstung in diesem Bereich, da die
Fähigkeiten des Militärs noch nicht weit fortgeschritten sind.
Trotzdem ist es jetzt wichtig, darüber nachzudenken, wie
Cyber-Waffen-Kontrolle in den kommenden Jahren aussehen
könnte.
politik-digital: Warum ist es so schwierig, multinationale
Standards zu entwickeln?
Andrew Rathmell: Wenn Sie von multinationalen technischen
Standards und sochen für Informations-Sicherheits-Management
sprechen, dann sind die Gründe die gleichen wie bei der
Entwicklung jedweder Standards. So gab es z.B. bei den
Versuchen, einen internationalen Standard für das Informations-
Sicherheits-Management (ISO 17799) zu entwickeln,
Schwierigkeiten durch die unterschiedlichen nationalen
Anforderungen und den natürlichen Wunsch der Staaten, ihre selbst
entwickelten Standards einzubringen. Außerdem müssen Sie
berücksichtigen, dass Standards die Einbeziehung der Industrie
erfordern - das wird häufig von den Regierungen vergessen.
politik-digital: Besteht die Gefahr, die Wirtschaft durch eine zu enge
CNO (Computer
Network Operations)-Infrastruktur zu sehr einzuschränken?
Andrew Rathmell: Wenn die CNOs durch Kontrollen mit einigen der Dual
use-Technologien [sowohl zivil als auch militärisch genutzt, Anm. d.
Verf.] (z.B. Network Mapping Tools) eingeschränkt wird, dann können
normale Business-Vorgänge behindert werden. Andererseits, wenn sich CNOs
stark vermehren und vielfältig genutzt werden, wird das Vertrauen in
Infrastrukturen generell sinken, und die Aufnahme von e-Business wird
sich für alle verlangsamen.
politik-digital: Was gibt es denn bis jetzt für internationale Ansätze,
um einen gemeinsamen gesetzlichen Standard zu finden?
Andrew Rathmell: Es gibt zunehmend Bemühungen, die gesetzlichen
Standards zum
Cyber-Crime (z.B. Tagung des Europarates), die Gesetzgebung zum
e-Commerce (z.B.
UNCITRAL) und Guidelines (OECD) zu harmonisieren. Der russische Vorstoß
bei der UN
Generalversammlung ist der einzige ernsthafte Versuch, auf
internationaler Ebene gesetzliche Beschränkungen zu IW (Information
Warfare - Informationskrieg) und CNO zu entwickeln.
politik-digital: Wie gefährlich sind denn Nationen wie China, Russland
oder die arabische Welt in diesem Szenario?
Andrew Rathmell: Die größte CNO-Bedrohung, d.h. der Staat mit den
größten Fähigkeiten auf dem Gebiet, sind die USA; die NATO entwickelt
ebenso Fähigkeiten. Dennoch sind Russland oder China vielleicht eher
willens, e-Business zu zerstören, und nutzen diese Möglichkeiten, da sie
weniger abhängig von der Informations-Infrastruktur sind als westliche
Nationen. Für den Moment stellen arabische Länder und der Iran weniger
eine Bedrohung dar, aber Terroristengruppen im Nahen Osten könnten
CNO-Fähigkeiten nutzen - sie haben dies bereits im Cyber-Krieg zwischen
Israel und den Palästinensern getan.
politik-digital: Stehen wir vor einer neuen Ära von Auf- und Abrüstung
mit zahlreichen diplomatischen Verwicklungen wie zu Zeiten des Kalten
Krieges?
Andrew Rathmell: Ja - aber nicht so schlimm wie in dem Rennen um
Nuklearwaffen! Ein
Cyberwaffenrennen ist im Gang, und es wird mehr und mehr Diplomatie
drumherum geben.
politik-digital: In Ihrem Text für die Konferenz haben Sie das Dilemma
zwischen Nationen beschrieben, die ihre strategische Position verbessern
und gleichzeitig Wege finden wollen, sich zu schützen. Sehen Sie einen
Ausweg aus dieser Situation?
Andrew Rathmell: In der Realität suchen die Nationen beide Vorteile, um
die Risiken zu minimieren. Die USA und die NATO-Staaten wollen durch
Kontrolle von Kriminellen die Wirtschaftserträge maximieren, solange sie
CNO als Druckmittel nutzen können. Diese Dilemma muss nun angegangen
werden. Es muss Einschränkungen in der staatlichen
Nutzung von CNO geben, wenn das Vertrauen in
Informations-Infrastrukturen und e-Business erhalten bleiben soll.
politik-digital: Was ist mit dem Schutz von Persönlichkeitsrechten wie
freie
Meinungsäußerung und freiem Zugang? Müssen wir sie zugunsten von
sicherer Infrastruktur aufgeben? Oder liegt die Lösung vielleicht auf
einer technischen Ebene?
Andrew Rathmell: Lösungen sind technisch, sozial und politisch. Wir
müssen einige
Freiheiten aufgeben - wir brauchen elektronische Identifizierungen (z.B.
elektronische Ausweise, ID cards), und es wird einige Eingriffe in die
Privatsphäre geben. Dies kann durch Regularien beschränkt werden, aber
ich denke, es ist unvermeidbar.
politik-digital: Eine letzte Frage: Welche Rolle kann die NGO
(Non-Governmental
Organisations)-Ebene in dieser Hinsicht spielen? Brauchen wir eine
Friedensbewegung?
Andrew Rathmell: Viele Verbraucher, Datenschützer und Friedensbewegungen
können die
komplizierten Themen aufgreifen und Druck auf Unternehmen und
Regierungen ausüben. Es ist wichtig, dass NGOs sich früh in dieser
Debatte engagieren.
politik-digital: Vielen Dank, Dr. Rathmell.
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