[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]
[infowar.de] US-Regierung bei Überwachung abgebremst
Infowar.de, http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
-------------------------------------------------------------
http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/te/9646/1.html
Regierung abgebremst
Florian Rötzer 25.09.2001
Der Rechtsausschuss des US-Kongresses hat den Beschluss über das
Anti-Terror-Maßnahmen-Paket wegen verfassungsrechtlicher Bedenken erst
einmal vertagt
Auch zwei Wochen nach den Anschlägen wurden trotz intensiver Suche
bislang offenbar noch keine weiteren Komplizen der Attentäter in den
USA gefunden. Die Hoffnung des FBI scheint sich mittlerweile auf
Deutschland als Ausgangsort der Attentäter zu richten. Auch nachdem
Hunderte von Menschen vorübergehend festgenommen und Hunderte noch zur
Vernehmung gesucht werden, konnte man noch niemand mit den vermutlich
19 Attentätern direkt in Verbindung bringen. Überdies waren 17 der
mutmaßlichen Attentäter weder den Geheimdiensten noch der Polizei
bekannt. Das weist darauf hin, dass auch schärfere
Überwachungsmaßnahmen in Zukunft keine großen Erfolge haben könnten.
Nach dem Anschlag hatte es die US-Regierung eilig, gleich ein ganzes
Paket von Maßnahmen zur Bekämpfung von Terroristen im Rahmen des von
Justizminister Ashcroft vorgelegten Anti-Terrorism Act of 2001zu
beschließen ( Der digitale Reichstag [0]). Der Senat hatte sich bereits
schon zuvor willig gezeigt, im Eilverfahren ein Gesetz zur leichteren
Überwachung von Telefongesprächen und Internetnutzung zu verabschieden
( Mehr Überwachung [1]). Der Rechtsausschuss [2] des Kongresses sollte
heute ebenso schnell den Anti-Terrorism Act billigen. Doch viele der
Ausschussmitglieder sind mittlerweile offenbar doch beunruhigt über das
Tempo, in dem Einschnitte in die Bürgerechte zugunsten der Sicherheit
gemacht werden sollen. Eine der vorgesehenen Maßnahmen könnten, so John
Conyers, der Sprecher der Demokraten, gegen die Verfassung verstoßen.
Gestern wurde die Entscheidung über das Gesetz daher erst einmal auf
die nächste Woche vertagt.
Ashcroft mahnte hingegen weiter zur Eile: "Das amerikanische Volk hat
nicht den Luxus einer unbegrenzten Zeit zum Aufbau des notwendigen
Schutzes vor künftigen Terrorakten. Die Gefahr, die am 11. September
die USA und die zivilisierte Welt verdunkelt hat, findet in den an
diesem Tag begangenen Gräueltaten nicht ihr Ende. Es ist notwendig,
dass wir die Strafverfolgung mit den erforderlichen Mitteln zur
Identifizierung, Entlarvung, Störung und Bestrafung von
Terrororganisationen versehen, bevor sie wieder zuschlagen." Dabei
sollen zwar die "Rechte und die Privatsphäre aller Amerikaner" bewahrt
werden, aber es seien Veränderungen bei veralteten Gesetzen notwendig,
um technisch mit den Terroristen mithalten zu können.
Vorgesehen ist die Erweiterung der Lauschmöglichkeiten, so dass sie
auch ohne Gerichtsbeschluss nur mit einem Durchsuchungsbefehl
ausgeführt werden können. Die Provider sollen genötigt werden können,
nur mit einem Bescheid mehr Daten über Verdächtige den
Strafverfolgungsbehörden mitzuteilen. Auch Informationen, die von
fremden Geheimdiensten über US-Bürger gesammelt wurden, sollen von den
Behören verwendet werden dürfen, der Austausch von Informationen
zwischen Geheimdiensten und Polizei erleichtert werden. Opfer von
Crackerangriffen sollen auch ausnahmsweise unter dem Schutz des
Gesetzes die Angreifer überwachen dürfen, Cracker selbst unter
bestimmten Umständen als Terroristen verfolgt und bestraft werden.
Ausländer sollen besser überprüft und leichter abgeschoben werden
können, wenn sie in irgendeiner Form Terrororganisationen unterstützen.
Terroranschläge sollen nicht mehr verjähren, die Strafen für
Verschwörungen heraufgesetzt werden. Der Besitz möglicher biologischer
Waffen soll unter Strafe stehen, wenn die Pathogene nicht ausdrücklich
für einen medizinischen oder friedlichen Zweck gebraucht werden.
Unterstützung oder Beherbergung von Verdächtigen steht unter Strafe.
Vorgesehen ist auch, die Abnahme von genetischen Fingerabdrücken auf
einen größeren Kreis von Straftätern zu erweitern.
Es waren aber nicht nur Demokraten, die zu mehr Überlegung rieten und
vor überstürzten gesetzgeberischen Aktivismus warnten. Heftige Kritik
kam auch vom republikanischen Abgeordneten Bob Barr [3], der zu
bedenken gab, dass das Justizministerium die Terroranschläge
anscheinend ausnutzen wolle, um schnell eine ganze Liste von neuen
Befugnissen für die Sicherheitsorgane durchzudrücken, die bislang
abgelehnt worden seien. Barr warnte davor, die von der Verfassung
geschützten Freiheiten vorschnell zu unterhöhlen. Viele der
vorgesehenen Maßnahmen hätten auch nichts mit der Bekämpfung des
Terrorismus zu tun. Im Besonderen kritisierte er, dass mit den
Erleichterungen der Überwachung von Emails und Internetbenutzung die
Verwendung des umstrittenen FBI-Lauschsystems Carnivore nachträglich
legitimiert werden soll.
Auch wenn davor gewarnt wurde, dass mit der Zurücknahme von
Bürgerechten zur Verfolgung von Straftätern letztlich die Terroristen
einen Sieg über die offene Gesellschaft davon tragen können, wird das
Gesetzespaket vermutlich leicht verändert den Ausschuss passieren.
Unter der Devise In Defense of Freedom [4] hat sich eine Gruppe von
Bürgerrechtsorganisationen und Wissenschaftlern zusammen geschlossen,
um überstürzte Beschlüsse zur Bekämpfung des Terrorismus zu verhindern.
"Ich glaube nicht, dass wir das Gesetz stoppen können", sagt etwa Jerry
Berman vom Center for Democracy and Technology ( CDT [5]). "Sie wollen
etwas machen. Wir können sie aber vielleicht davon überzeugen, dass
einige Dinge mehr Überlegung erfordern."
Links
[0] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/9627/1.html
[1] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/9559/1.html
[2] http://www.house.gov/judiciary
[3] http://hillsource.house.gov/barr/
[4] http://www.indefenseoffreedom.org/
[5] http://www.cdt.org/
---------------------------------------------------------------
Liste verlassen:
Mail an infowar -
de-request -!
- infopeace -
de mit "unsubscribe" im Text.