Suche innerhalb des Archivs / Search the Archive All words Any words

[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

[infowar.de] TELEPOLIS: Infowar um Mazedonien



Infowar.de, http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
-------------------------------------------------------------
Dieser TELEPOLIS Artikel wurde Ihnen
von Ralf Bendrath <bendrath -!
- zedat -
 fu-berlin -
 de> gesandt.

----------------------------------------------------------------------
Das als "Infowar" zu bezeichnen ist zwar reichlich übertrieben, aber 
dennoch ist es ein recht guter Artikel für alle, die sich für die 
Informationspolitik im Mazedonien-Konflikt interessieren.
Grüße, Ralf

----------------------------------------------------------------------
 Infowar um Mazedonien
 
 Boris Kanzleiter   26.09.2001 
 
 Internet-Informationsquellen zum Mazedonien-Konflikt 
 
 
 
  Die Nato beendet ihren Mazedonien-Einsatz, aber eine Nachfolgemission 
unter deutscher Führung ist schon in Sicht und im Internet tobt der 
Infowar. Eine kurze Einführung in Kriegsberichterstattung und 
Informationsbeschaffungsmöglichkeiten zum Mazedonien-Konflikt  
 
 "Nie wird so viel gelogen, wie vor der Wahl während des Kriegs und 
nach der Jagd", meinte Otto von Bismarck einmal. Der Reichskanzler 
wußte, wovon er sprach, wer er doch Spezialist auf allen drei Gebieten. 
Kann die Lüge nach der Jagd meist als Angeberei Prestige süchtiger 
Männer abgebucht werden, ist die Lüge vor der Wahl oft eine notwendige 
Voraussetzung für den politischen Erfolg. Die Lüge im Krieg ist gar 
unverzichtbarerer Teil des selben. Nur durch die Konstruktion eines 
Feindbildes mit all seinen Verkürzungen, kann der Einsatz von 
Waffengewalt gerechtfertigt werden. Das gilt um so mehr im 
Medienzeitalter, in dem der Kampf um die Deutungshoheit von Konflikten 
für deren Ausgang oft wichtiger scheint als die militärischen 
Kräfteverhältnisse selbst. 
 
 Was kann also der interessierte Beobachter eines Kriegsgeschehens tun, 
dem am Verstehen gelegen ist und nicht an Propaganda? Ein erster 
Ratschlag könnte lauten: Hinterfrage jede Information und Analyse mit 
kritischem Blick. Ein zweiter: Informiere Dich aus möglichst vielen 
unterschiedlichen Quellen. Wenn am Ende dann oft auch Ratlosigkeit 
herrscht, so weiß man doch, dass die Wahrheit bestimmt nicht aus dem 
Munde einer Kriegspartei stammt, auch wenn diese tausendmal versichert 
diese kundzutun. Bestes Beispiel: Verteidigungsminister Rudolf 
Scharping und seine aufgewühlten Erzählungen vom "entsetzlichen Terror" 
der serbischen Soldateska im Kosovo, die er mit Naziverbrechen 
gleichsetzte. Heute weiß jeder, der es will, dass Scharping schamlos 
und wissentlich log oder übertrieb, um die Heimatfront während des 
immer länger dauernden Nato-Bombardements Jugoslawiens bei der Stange 
zu halten. (vgl. Telepolis: Der Kosovo, die UCK und Psychedelia à la 
Rudolf Scharping, Barbara Galaktionow und Reinhard Jellen 10.06.2001) 
 
 Bleiben wir bei Scharping und beginnen wir unsere kurze Rundreise 
durch die Cyberwelt der Mazedonien-Kriegsberichterstattung. Die 
Bundeswehr wird in den kommenden Monaten eine zentrale Rolle in 
Mazedonien spielen, denn zum ersten Mal werden die Deutschen einen 
Nato-Einsatz leiten. Unter Führung der  Bundeswehr [0] soll nach dem 
offiziellen Ende der Nato-Waffeneinsammelaktion Essential Harvest die 
Nachfolgemission Amber Fox anlaufen. Diese soll in Zukunft das Land 
stabilisieren, da die Gefahr eines Bürgerkrieges keineswegs gebannt 
ist. Denn die UCK hat in den vergangenen zwar über 3.000 Waffen 
abgegeben, aber niemand geht davon aus, dass sie sich tatsächlich 
entwaffnet hätte. Unter der slawisch-mazedonischen Bevölkerung wächst 
gleichzeitig der Widerstand gegen die Gesetzesreformen, welche der 
albanischen Minderheit Autonomierechte einräumt und das Staatsgebilde 
zu teilen droht. 
 
 Unter  www.bundeswehr.de [1] findet sich die Page des 
Verteidigungsministeriums. Im Feld "Mazedonien. Essential Harvest" 
finden sich neben kleinen Fotos mit Erfolgsmeldungen von der Front 
("Mazedonische Rebellen unmittelbar vor der Waffenabgabe") ein Text, in 
dem mit Selbstlob nicht gespart wird. Während sich die mazedonische 
Regierung über die einseitige Parteinahme der Nato auf seiten der UCK 
beschwert, schreibt die Bundeswehr: "Das Unternehmen trägt damit zur 
Stabilisierung der Balkanregion bei." Dennoch finden sich auch 
interessante Texte, zum Beispiel eine deutsche Übersetzung des 
"Friedensvertrags" zwischen der albansichen und mazedonischen Seite vom 
13. August. Hier kann man im Original nachlesen, mit welchen Maßnahmen 
die "Autonomie" der albanischen Bevölkerung gestärkt werden soll. 
 
 Das Portraitfoto des Präsidenten Boris Trajkovski eröffnet die 
 Website der mazedonischen Regierung [2]. Unter der Rubrik "R. 
Mazedonia" wird das Jahrhunderte lange Streben des mazedonischen Volkes 
gegen Okkupatoren und äußere Feinde nach einem unabhängigen 
Nationalstaat beschrieben. Die Unabhängigkeitserklärung vom 25. Januar 
1991, als sich das zwei Millionen Einwohner Land aus der jugoslawischen 
Föderation verabschiedete, erscheint so als der erfüllende Endpunkt 
einer tausend jährigen Notwendigkeit. Dass die Mehrheit der Mazedonier 
sich noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts eher als Bulgaren oder Serben 
betrachteten, wenn sie überhaupt über ein "Nationalbewusstsein" 
verfügten, spielt bei dieser Darstellung keine Rolle. Außer den 
Presseerklärungen Trajkovskis finden sich kaum Informationen zum 
aktuellen Konflikt. 
 
 Die gibt es aus offizieller mazedonischer Perspektive dafür bei der 
staatlichen Nachrichtenagentur  MIA [3] Die meisten Artikel sind im 
Verlautbarungston gehaltene Informationen über Erklärungen von 
Politikern. Mit Pressestimmen angereicherte Nachrichten bietet die 
Agentur  MAKFAX [4]. Ähnlich arbeitet die Agentur  OK.MK [5]. Surft man 
über diese drei Pages, kann man sich über den aktuellen Stand des 
Konfliktes informieren, wie er von den Nachrichtenagenturen in alle 
Welt transportiert wird. Die Nachrichtenagentur B92 aus Belgrad bietet 
für die allgemein am Balkangeschehen Interessierten einen schönen 
Service. Jeden Abend verschickt sie die wichtigsten Meldungen des 
Tages. Subscribe unter  www.b92.net [6]. 
 
 Eine ausgesprochen Nato-kritische slawisch-mazedonische Perspektive 
eröffnet dagegen  RealityMacedonia [7]. Hier werden Berichte über 
Gräueltaten "albanischer Terroristen" an der slawisch-mazedonischen 
Bevölkerung publiziert. Wenn ein propagandistischer Ton auch manchmal 
unverkennbar ist, finden sich doch viele Fakten und Darstellungen von 
Ereignissen, über die sich die westlich orientierten Agenturen eher 
ausschweigen. So sind auf der Page Fotos von Protesten slawischer 
Mazedonier zu betrachten, welche gegen die von ihnen vermutete 
Kooperation der Nato mit der UCK protestieren. In einem Artikel mit 
ausführlicher Link-Sammlung wird über die Zusammenarbeit der UCK mit 
islamistischen Mujahedin und der Gruppe des weltweit meist gesuchten 
Mannes, Osama bin Laden, berichtet. Außerdem wird über die Albanische 
National Armee (ANA bzw. AKSh) berichtet, eine neue albanische 
Guerilla, die sich von der UCK abgespalten hat, ein ausdrücklich 
großalbanisches Projekt verfolgt und wohl noch für manches Aufsehen 
sorgen wird. 
 
 Analysen sind genauso interessensgebunden wie Informationen. 
Interessant ist es jedoch allemal, wie die Ereignisse aus 
unterschiedlichen Perspektiven eingeschätzt werden. Zu den spannendsten 
Analysen der Balkankonflikte zählen die Reports der International 
Crisis Group (ICG), einer Beratungsinstitution, in deren Vorstand so 
illustre Persönlichkeiten wie der ex-Chef der Nato in Europa, General 
Wesley Clark, sitzen. Die unregelmäßig erscheinenden Analysen, die 
stets mit Handlungsanweisungen für Militärs und Politiker der 
Nato-Staaten versehen sind, können unter  www.crisisweb.org [8] 
abgerufen werden. 
 
 Eher an das Spektrum der Nichtregierungsorganisationen und 
Journalisten richten sich die Berichte des Institute for War and Peace 
Reporting (IWPR) aus London, die unter  www.iwpr.net [9] stehen. 
Mehrmals die Woche verschickt das IWPR seine Berichte und Analysen, in 
denen die Ereignisse auf dem Balkan aus einer kritisch pro-westlichen 
Perspektive begleitet werden, auch per E-Mail. 
 
 Wer dagegen nach Einschätzungen sucht, in denen die Politik der Nato 
aus pazifistischer Perspektive einer schonungslosen Kritik unterworfen 
wird, sollte die Analysen der  Transnational Foundation für Peace and 
Future Research [10] (TFF) lesen. Die TFF-Einschätzungen haben den 
Vorzug, dass sie sich nicht nach der Logik des "Der Feind meines 
Feindes ist mein Freund"-Schema richten. Diesen Eindruck vermitteln 
dagegen die Texte auf der Webpage des  International Action Centers 
[11] (IAC) aus New York. Medienwirksame Gallionsfigur des IAC ist der 
ehemalige Generalstaatsanwalt der USA, Ramsey Clark, der heute 
Giftpfeile gegen die Außenpolitik der einzig übrig gebliebenen 
Weltmacht schießt. Auch wenn viele IAC-Berichte zu den Konflikten in 
Jugoslawien hohen Informationswert besitzen und oft den Finger in die 
richtige Wunde legen, stört doch die Verengung der Perspektive auf den 
"Hauptfeind". Berichte über die Exzesse der nationalistischen Politik 
eines Slobodan Milosevic, oder mazedonischer Nationalisten sucht man 
hier vergeblich. 
 
 In eine ähnliche Richtung tendiert das kurios anmutende Projekt 
 www.amselfeld.com [12]. Unter dem emblematischen Namen der heiligen 
Erde Serbiens, dem im Kosovo liegenden Amselfeld, auf dem 1389 die 
Serben gegen die Osmanen unterlagen, werden hier Informationen und 
Analysen verbreitet, die sich gegen die Nato-Politik auf dem Balkan 
richten. Dabei kommen krude Allianzen zustande. So verfügt der 
enttarnte DDR-Spion Rainer Rupp, alias "Topas", über eine eigene 
Rubrik, unter der er seine "Publikationen zur internationalen Politik" 
abheftet. Rupp war zwischen 1977 und 1989 Mitarbeiter der Nato-Zentrale 
in Brüssel und konnte dort für die DDR hochbrisante Geheimisse 
recherchieren. Ende 1993 wurde er enttarnt und saß bis Juli 2000 eine 
Haftstrafe ab. Neben Rupps mitunter hoch interessanten Analysen, stehen 
auf  www.amselfeld.com [13] Texte, die den heroischen Kampf der 
serbisch-orthodoxen Kirchen gegen den islamistischen Expansionismus 
ehren. So kann man da in einer Rede des Bischof Nikolaj Velimirovic zur 
"spirituellen Bedeutung des Kosovo lesen": 
 
 
 
            
    "Und die echten Serben - was im Amselfelder Sinne bedeutet: echte 
Christen - sollen dem Herrgott danken, daß Er ihnen Kosovo gegeben hat, 
Stolz und Trost und die unversiegbare Quelle der erhabensten 
Begeisterung, Reinigungsbad des Gewissens aller Geschlechter bis zum 
Ende der Zeit."      
          
  
 
 
 
 Wer schon jetzt wissen will, wo in Zukunft die Kommandoerklärungen zu 
den Anschlägen publiziert werden, die das Peace-Keeping in Mazedonien 
zu hintertreiben versuchen werden, kann zu 
 www.shqiperiabashkuar.cjb.net [14] surfen. Hier trifft man auf die 
Page des Nationalkomitee für die Befreiung und Verteidigung der 
Albanischen Territorien, dem auch die bereits erwähnte Albanische 
National Armee (ANA bzw. AKSh) untergeordnet scheint. Deren Führer, 
Valon Flamuri, bezeichnet das Abkommen von Ohrid als inakzeptabel und 
erklärte seine Unterzeichner Arben Xhaferi, Ymer Ymeri und Ali Ahmeti 
von den mazedonischen albanischen Parteien und der UCK zu "Verrätern". 
In einer Anordnung vom 8. August wird die Schaffung "enger sozialer 
Beziehungen und ein Zusammenlegen der Waffen mit allen 
UCK-Kommandanten, die diesen Verrat nicht hinnehmen und zu einer 
Fortsetzung des Kampfes bereit sind", gefordert. In dieser Anweisung 
werden die Kommandanten auch aufgefordert, slawisch-mazedonische 
Militär- und Polizeiverbände anzugreifen. Leider sind alle Texte auf 
albanisch, aber es steht zu vermuten, dass auch bald eine Übersetzung 
zu haben sein wird. Schließlich muss der Kampf der für die Befreiung 
und Verteidigung der Albanischen Territorien auch an der Front des 
Infowar gewonnen werden, das wissen auch albanische Nationalisten. 
 
 
 
  
 
 Links 
 
 [0] http://www.bundeswehr.de
 [1] http://www.bundeswehr.de
 [2] http://www.president.gov.mk/index_eng.htm
 [3] http://www.mia.com.mk/webang.asp
 [4] http://www.makedonija.com/makfax/index.html
 [5] http://www.ok.mk
 [6] http://www.b92.net
 [7] http://www.realitymacedonia.org.mk/web/firstpage.asp
 [8] http://www.crisisweb.org
 [9] http://www.iwpr.net
 [10] http://www.transnational.org
 [11] http://www.iacenter.org
 [12] http://www.amselfeld.com
 [13] http://www.amselfeld.com
 [14] http://www.shqiperiabashkuar.cjb.net
 
 Artikel-URL: http://www.telepolis.de/deutsch/special/info/9644/1.html 
 
 
----------------------------------------------------------------------
  Copyright © 1996-2001 All Rights Reserved. Alle Rechte vorbehalten
 Verlag Heinz Heise, Hannover    

---------------------------------------------------------------
Liste verlassen: 
Mail an infowar -
 de-request -!
- infopeace -
 de mit "unsubscribe" im Text.