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[infowar.de] Pentagon schult Journalisten
Infowar.de, http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
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http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/co/11029/1.html
Verbergen und Täuschen
Florian Rötzer 02.11.2001
Strategische Aufklärung über die Listen der Gegner
Die USA sind militärisch, politisch und medial in ihrem Krieg gegen
den Terrorismus in Not geraten. Wirkliche Erfolge stellen sich nicht
ein, dafür aber wächst der Schaden, den das Image der Supermacht mit
jedem weiteren Tag der Bombenangriffe nimmt. Nun hat die US-Regierung
nicht nur eine Medienagentur damit beauftragt, für eine bessere
Selbstdarstellung des Pentagon und der USA zu sorgen, sondern das
Verteidigungsministerium versuchte letzte Woche den Journalisten auch
einmal in einer Pressekonferenz zu demonstrieren, mit welchen perfiden
nichtmilitärischen Mitteln der Gegner kämpft. Die eigenen Praktiken im
Umgang mit der Öffentlichkeit wurden, wie es sich für Kriegszeiten oder
Verteidigungsministerien gehört, allerdings nicht behandelt.
Der "Journalistenkurs" zum Thema der "Denial and
Deception"-Technologien oder "D&D", der in Ansätzen schon fast
philosophische Höhen erklomm, fand am 24. 10. in Washington statt.
Recht geheimnisvoll ging es bei diesem Hintergrundbriefing zu, denn es
waren keine Kameras und keine Rekorder erlaubt und der Vortragende trat
lediglich als "senior defense official" auf. Dafür weihte er die
anwesenden Journalisten in die zwar schon alten, aber im
Informationszeitalter immer wichtigeren Grundzüge der "D&D"-Techniken
ein.
Beispiele wurden nicht nur von den Taliban gegeben, sondern auch von
den Irakern und den Serben, die bereits die Effizienz der Luftangriffe
herabzusetzen suchten und den Schwerpunkt auf die Verluste unter den
zivilen Opfern legten. Kurz zuvor hatte die späte Erkenntnis des an
sich den Medien abholden Taliban-Regimes, doch im Zuge der von bin
Ladin mit seinen Videos eingeleiteten Propagandastrategie ähnliches zu
versuchen, zumindest einen gewissen Erfolg. Wie schon im Golfkrieg und
im Kosovokrieg ist es die erklärte Strategie des US-Militärs, mit
genauen Angriffen von Flugzeugen oder Raketen nur militärische Ziele
treffen zu wollen. Jeder verletzte oder getötete Zivilist und jedes
beschädigte zivile Gebäude weist als deswegen so bezeichneter
"Kollateralschaden" nicht nur auf die technischen Mängel hin, sondern
dient auch als Widerlegung der erklärten Intention, nur die Terroristen
und die bewaffneten Taliban zu bekämpfen. Dabei kommt es gelegentlich
schon einmal zu seltsamen Versuchen der Erklärung. So sagte Victoria
Clarke, eine Sprecherin des Pentagon, am 29.10., dass die Bombardierung
der Lager des Roten Kreuzes am Wochenende "rein zufällig" geschehen sei
und es sich um eine "andere Art von Fehler" gehandelt habe als bei der
Zerstörung eines Gebäudes der UN zu Beginn des Monats. Die Information
sei dieses Mal nämlich unvollständig gewesen. Man habe gewusst, dass es
sich um Lager handelt, aber nicht, dass sie dem Roten Kreuz gehören.
Der Auslöser für den Journalistenkurs war aber die Propaganda-Aktion
der Taliban. Mitte Oktober führten die Taliban Journalisten großer
westlichen Medien zu dem angeblich von US-Bomben zerstörten Dorf Karam
in der Nähe von Dschalabad, in dem es bis zu 200 Tote gegeben haben
soll. Die Zerstörungen waren nicht zu übersehen, Tote und Verletzte
wurden von den Journalisten auch gesehen, aber sie konnten natürlich
nicht wirklich erkennen, ob dafür tatsächlich eine amerikanische Bombe
verantwortlich war. Solche Szenarien, erfuhren die Journalisten nun,
können inszeniert sein, manchmal seien auch Bombeninschläge von den
Irakern oder Serben vorgetäuscht worden. In Afghanistan sei dies
besonders schwer festzustellen, weil das Land schon vor den
Bombenangriffen der USA aufgrund der 20 Jahre Krieg verwüstet gewesen
sei. Allerdings häufen sich die Bilder von toten und verletzten
Afghanen und vor allem von Kindern, die vornehmlich vom arabischen
Sender al-Jazeera, der mit seinem Redaktionsbüro in Kabul gewissermaßen
ein Nachrichtenmonopol aus dem Inneren des Landes besitzt, verbreitet
werden und so Eingang auch in andere Medien finden.
Verteidigungsminister Rumsfeld betonte, man gehe "sehr vorsichtig"
vor, um zivile Opfer zu vermeiden, nur würden dies die Taliban immer
schwerer machen, da sie "systematisch Moscheen, Schulen und
Krankenhäuser für Kommandoposten und Waffenlager verwenden." Auch
Artillerie oder Panzer würden in die Nähe von Wohngegenden oder Schulen
gestellt. Obgleich zunächst ein Vorwurf ob dieser Taktik herausgehört
werden konnte, räumte der anonyme Offizier auf Nachfrage ein, dass dies
ein ganz normales militärisches Vorgehen sei. Gerade für einen
militärisch unterlegenen Gegner sind solche Schachzüge eine plausible
Option, zumal die Angreifer nach der weitgehenden Ausschaltung der
Flugabwehr nur noch wenig oder gar nichts mehr bei Luftangriffen zu
befürchten haben. Tatsächlich wäre wohl kaum moralisch zu entscheiden,
welche Strategie verwerflicher wäre: die bewusste Gefährdung von
Zivilisten, indem militärische Ziele in der Nähe psotiert werden, oder
das ebenfalls bewusst eingegangene Risiko, Zivilisten durch
Bombardierung dieser Ziele zu töten. Der hohe Pentagon-Offizier verwies
beispielsweise auf ein Satellitenbild, auf dem sich ein Hubschrauber in
der Nähe einer Moschee sehen ließ, die sich in einem Wohngebiet befand,
das wiederum in der Nähe eines Flugplatzes lag. Das sei ganz klar eine
Technik, um einen Kollateralschaden herbeizuführen und ein
Medienereignis zu schaffen oder der US-Armee die Möglichkeit zu
verwehren (deny), das Militärflugzeug zu zerstören. Auf den ersten
Blick sehe alles eigentlich nach einem militärischen Gelände aus,
schließlich gebe es auch auf US-Stützpunkten Kirchen, Wohngebäude etc.,
aber das sei eben eine Täuschung. In diesem Fall, andere wurden
natürlich nicht erwähnt, konnte der Offizier die Erfolgsmeldung
verkünden: "Der Hubschrauber wurde zerstört und die Moschee nicht
beschädigt."
Aber zurück zu den "D&D"-Techniken, die Gegensätzliches bewirken
sollen. Suchen die "Denial"-Techniken "das Wirkliche zu verbergen", so
ist das Ziel der Täuschungstechniken, "das Vorgetäuschte zu zeigen".
Versteckt werden so von den Taliban Panzer in Höhlen, Truppen in
Wohngebieten oder Radiosender in Krankenhäusern. Es gibt aber auch das
Verbergen von Informationen, was darin bestehe, Informationen über die
militärische Stärke, den Zustand des Landes oder den Erfolg der
feindlichen Angriffe auf das Land und dessen Infrastruktur zu
kaschieren. Man könne aber auch "falsche Gebäude" errichten, um etwa
die Geheimdienste in die Irre zu führen, die Satellitenbilder
auswerten.
Obgleich sehr ähnlich, unterscheide sich aber Täuschung von den
"Denial"-Techniken. Klassische Täuschungstechniken seien aufblasbare,
aus der Ferne realistisch aussehende Flugzeuge oder Panzer, wie sie im
Zweiten Weltkrieg, aber auch von den Irakern und Serben eingesetzt
worden sind. Der hohe Offizier teilte freilich sicherheitshalber -
Denial- oder Deception-Technik? - nicht mit, dass die Alliierten im
Kosovokrieg vornehmlich solche serbischen Attrappen zerstört hatten,
während die serbische Armee mit ihren wirklichen Fahrzeugen weitgehend
ungeschoren davon kam. Aber diese "präzisen Definitionen" der
"D&D"-Techniken werden noch etwas komplexer. Wenn man sie nämlich als
"Prozess" betrachtet, dann seien nämlich "Propaganda und Desinformation
ein Produkt dieses Prozesses, in anderen Worten, ein Produkt, das die
Information verbreiten soll, die etwas verbirgt, oder die vorgetäuschte
Information, die fingiert wurde." Der Schnittpunkt aller dieser
Techniken oder Prozesse ist beispielsweise die Inszenierung eines
Ereignisses wie die Bombardierung von unschuldigen Zivilisten, um die
öffentliche Meinung gegen die Angreifer, also in diesem Fall die USA,
zu richten.
Besonders die Serben seien gut darin gewesen, Desinformationen auch
über das Internet zu veröffentlichen. Die Gefahr besteht zumindest
bislang bei den Taliban weniger, die die Verwendung des Internet noch
kurz vor dem Angriff wie vieles andere verboten hatten. Gleichwohl
warnte der Offizier davor, dass man dieses "neue Phänomen",
"unmittelbar Informationen, gleich ob sie wahr oder falsch sind,
weitergeben" zu können, immer mehr in den Krisen des 21. Jahrhunderts
bemerken werde. Dem kann der Offizier, auch wenn das Pentagon ebenfalls
das Internet benutzt, um Informationen und auch Mitschriften von
Pressekonferenzen wie diese schnell zu veröffentlichen, offenbar nichts
abgewinnen: "Und darin", so schließt er, "gibt es natürlich eine sehr
gefährliche Dimension." Insgesamt bedienen sich nur die Gegner der
perfiden Taktiken der Täuschung und Desinformation, schließlich sei
"Desinformation ein hässliches und schwieriges Wort, weil niemand gerne
betrogen wird. Und ich weiß, dass Sie (die Journalisten) besonders
ungern betrogen werden wollen. Auch wir wollen nicht betrogen werden,
wenn wir Informationen betrachten. Aber das ist eine Waffe im Arsenal
unseres Gegners." Natürlich ertragen die Journalisten eine solche
Haltung nur schwer, da sie ja auch nur zu gut wissen, dass das Pentagon
lediglich die Informationen und Bilder preisgibt, die ihm im
Propagandakrieg Zuhause und im Ausland zweckdienlich erscheinen.
Gefragt, welche "D&D"-Techniken das US-Militär einsetze, antwortete der
hohe Offizier, dass er nicht das US-Militär studiere. Nach dieser
Lektion in Sachen Aufklärung wird der Eindruck stärker, dass die USA
den Propagandakrieg auch im eigenen Land verlieren werden, wenn die
Öffentlichkeit weiterhin auf so naive Weise ganz im Stile der
"D&D"-Technik unterrichtet wird.
Verteidigungsminister Rumsfeld versuchte am 1. November die
aufkommende Kritik an dem militärischen Vorgehen auch in den USA zu
begegnen, indem er auf frühere Kriege hinwies, die sich länger als der
jetzige "neue Krieg" hingezogen haben. Den habe man schnell begonnen
und sei jetzt in einer Phase, in der noch immer die Trümmer des WTC
qualmen. Bislang hätten die "alliierten Streitkräfte" nach drei Wochen
und drei Tagen 2.000 Einsätze geflogen, mehr als 300 Stunden
Rundfunksendungen ausgetsrahlt und "erstaunliche" 1.030.000
Lebensmittelpäckchen für die hungernde Bevölkerung abgeworfen. Man habe
Fortschritte in den angeblich gesteckten Zielen gemacht, die
beispielsweise darin bestanden haben, den Taliban zu zeigen, dass die
Beherbung von Terroristen ihren Preis habe, dass die Terroristen sich
frei bewegen können, dass man Beziehungen zu den Oppositionsgruppen
knüpft oder dass Lebensmittelpakete abgeworfen werden.
Der Krieg insgesamt sei auch nicht, so wiederholte Rumsfeld, mit einem
Sieg über die Taliban und al-Qaida beendet. Nicht nur nationale
Einheit, sondern entschlossener Wille sei nötig - und vielleicht auch
ein nicht zu genaues Wahrnehmen des tatsächlich Geleisteten und
Bewirkten, was der Verteidigungsminister allerdings medienkritisch
verpackte: "In the end, war is not about statistics, deadlines, short
attention spans, or 24-hour news cycles. It is about will - the
projection of will, the clear, unambiguous determination of the
President and the American people to see this through to certain
victory."
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