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[infowar.de] Berlusconi will TV in Afghanistan aufbauen



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Frankfurter Rundschau 20.12.2001 

Telekabul 

Berlusconi will die Afghanen mit seinem TV beglücken 

Von Roman Arens 

"Ich bin glücklich", sagte Hamid Karzai, "dass ich jetzt diese Hilfe von
Berlusconi habe." Drücken wir dem afghanischen Übergangspremier ganz
fest die Daumen, dass das Glücksgefühl lange anhält. Natürlich braucht
das kriegsgeschüttelte Land Radio und Fernsehen, damit "sich Demokratie
und Freiheit so schnell wie möglich ausbreiten können". O-Ton
Berlusconi. Aber muss es gerade der italienische (Medien-)Herrscher
sein, der diese Errungenschaften nach Kabul bringt? Vorsicht, Karzai,
genau die Verpackung anschauen; könnte es doch sein, dass der bekannte
Demokratie-Experte B. ein Danaergeschenk darin eingewickelt hat.

Nützlich für Afghanistan ist ohne Zweifel Gino Strada, der pazifistische
Kriegschirurg, der mit seiner Organisation "Emergency" Krankenhäuser
betreibt, den aber Berlusconi für den "Doktor mit den konfusen Ideen"
hält. Nützlich können auch die italienischen Friedenssoldaten sein, die
bald in Kabul eintreffen sollen.

Aber wie nützlich wird das Fernsehen all' italiana sein? Vor allem, wen
von seinen Showmastern oder Personenkult treibenden Moderatoren wird der
Cavaliere mitschicken, um die Afghanen zu beglücken? Hoffentlich
erwartet sie nach der grausamen absoluten Funkstille nicht bald die
seichteste Berieselung und Reizüberflutung. 

Dagegen ist jedenfalls in Italien kein Kraut gewachsen. Franca Ciampi,
die Gattin des Staatspräsidenten, rief kürzlich die Jugend ihres Landes
auf, mehr Bücher zu lesen; denn das Fernsehen führe zur Verdummung. Kaum
Widerspruch, kaum Aufregung. Die resolute Frau hatte ausgesprochen, was
wohl breite Mehrheitsmeinung ist. Folgenlos.

Berlusconi macht gern freundschaftserhaltende Geschenke. Jüngst
erhielten seine fleißigsten Parlamentarier teure Armbanduhren, seinen
weiblichen Senatsabgeordneten verehrte er Armbänder mit ihren
Namenszügen in kleinen Brillanten. Für Karzai wurde bei seinem
Rom-Besuch Weihnachten um eine Woche vorverlegt. Er fährt mit der Zusage
nach Hause, dass Italien das Training der afghanischen Athleten
finanzieren wird, damit sie für die Spiele 2004 olympiareif sind. Dann
die generöse Offerte: "Ich biete euch ein neues Fernsehen für ein neues
Afghanistan."

Der Satz provozierte unter Politikern sofort reflexhafte Reaktionen wie:
"Berlusconi will in Afghanistan einen vierten Kanal eröffnen." Nicht
ganz abwegig, denn der Appetit des Medien-Magnaten, der drei Kanäle
privat besitzt und drei, die der staatlichen RAI, von Amts wegen
kontrolliert, scheint noch nicht gestillt. Es werden ihm Gelüste auf den
noch verbliebenen landesweiten Kanal "la 7", einst Telemontecarlo,
nachgesagt.

"Telekabul", das war gestern in Rom sonnenklar und unbestritten, müsste
der neue Sender heißen. Ein Treppenwitz der Geschichte: "Telekabul war",
bevor Berlusconi Italien umkrempelte, der weit verbreitete Spottname für
das unter kommunistischem Einfluss stehende dritte Programm der RAI,
während im ersten und im zweiten die Christdemokraten oder die
Sozialisten jeweils das Sagen hatten.

"Kabulisti" war einst das Schimpfwort für jene Minderheit unter den
italienischen Kommunisten, die den Einmarsch der Sowjetunion in
Afghanistan befürwortet hatten. Seltsam, dass der Spitzname "Telekabul"
bis heute lebendig geblieben ist. Ob ein solcher Sender bald abstrahlen
könnte oder doch nicht?

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