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Kunst im Zeitalter intelligenter Waffen
Peter Nowak 30.12.2001
Gespräch mit dem Filmemacher Harun Farocki über intelligente Waffen
Wie kaum ein anderer Künstler in Deutschland beschäftigt sich der
Filmemacher [1]Harun Farocki mit den Veränderungen von Macht und
Herrschaft durch die technische Revolution. Sein letzter Kurzfilm
"Auge/Maschine" ( [2]Kamerawaffen), der im Oktober auf 3sat Premiere
hatte, beschäftigt sich mit der seit dem zweiten Golfkrieg forcierten
Entwicklung intelligenter Waffen und den Veränderungen für die
Kriegspropaganda. Die Arbeit ist bis 13. Januar 2002 begleitend zur
Wehrmachtsausstellung in den [3]Kunst-Werken in der Auguststrasse in
Berlin-Mitte zu sehen.
Sie haben kürzlich Ihre neueste Arbeit "Auge/Maschine" in den
Kunstwerken vorgestellt. Warum ging es dabei?
Harun Farocki: Es geht um "intelligente" Waffen und ebensolche
Maschinen. 1991, beim Golfkrieg, da wurden ja zum ersten Mal die Bilder
von den sogenannten "smart bombs" von den US-Amerikanern publiziert.
Das waren Luftaufnahmen in schwarz/weiß, im Zentrum ein Fadenkreuz. Man
sah ein Projektil auf das Ziel zufliegen, dann kam die Detonation,
damit riss der Film ab. Es gab auch Bilder aus dem Kopf der Projektile.
Da flog die Kamera auf das Ziel zu und das Bild riss ab, weil sie
zerstört wurde. Obwohl diese Bilder inflationär viel gezeigt wurden,
auch später, in den Kampagnen in Jugoslawien, unterliegen die
Fernlenkwaffen noch immer der Geheimhaltung. Es ist kaum möglich,
Bilder zu bekommen, mit denen die Funktion dargestellt wird. Deshalb
wichen wir auf zivile Produkte aus, wir suchten und fanden Bilder von
Robotern, die Kamera-Augen haben und ein Bildverarbeitungsprogramm.
Damit finden sie ein Werkstück und können es ergreifen, so, wie eine
Waffe ihr Ziel finden soll. Diese Substitution ist nicht willkürlich,
es gibt natürlich einen Zusammenhang von Güterproduktion und
Kriegsführung, technisch wie geistig.
Welche Auswirkungen haben die seit dem Golfkrieg veränderten "Bilder
vom Krieg" auf die Kriegspropaganda?
Harun Farocki: Die Bilder, die wir im Golfkrieg zum ersten Mal
sahen, operative Bilder, die eigentlich nicht für die Öffentlichkeit
bestimmt waren, waren ja sehr anders als alles, was wir an Propaganda
kennen. Es gab keine Farbe, keine Musik, es gab kaum den üblichen
Soldatenkitsch, auf diesen Luftbildern waren überhaupt keine Menschen
zu sehen. Dennoch sind auch diese operativen Bilder Propaganda. Der
Anschein soll erweckt werden, die Projektile träfen stets und träfen
das festgesetzte Ziel. Die Projektile treffen immer besser, aber
keineswegs immer und im Irak wurden sehr viele Menschen getötet. Auch
Saddam Hussein war es recht, dass die wahrscheinlich mehreren
hunderttausend Toten gar nicht erschienen. Und außerdem sind diese
"smart bombs" eine Reklame für den nächsten Rationalisierungsschub, für
die Flexibilisierung der zivilen Produktion. Die Bilder zeigen
nachdrücklich die Überlegenheit der - früher hätte man gesagt: der
Industriestaaten. Diese Bezeichnung trifft nicht ganz, denn es geht um
Industrie plus Informatik.
Die Arbeit läuft im gleichen Gebäude wie die Wehrmachtsausstellung.
Sehen Sie einen Zusammenhang?
Harun Farocki: Die Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht
erinnert daran, dass es eine persönliche Verantwortung gibt. Wir werden
von "Entwicklungen" bestimmt, allgemeine Anschauungen prägen sich aus,
aber wir müssen uns immer wieder daran erinnern, dass wir eine
persönliche Verantwortung für das tragen, was wir tun oder nicht tun.
Ihre Arbeit war vor den aktuellen Krieg in Afghanistan abgeschlossen.
Die Diskussion bei der Eröffnung drehte sich darum. Beeinflusst die
Aktualität die Sichtweise auf Ihre Arbeit?
Harun Farocki: Die USA führen den Krieg in Afghanistan wie einen
Kolonialkrieg. Es gibt Flächenbombardements, kaum Berichterstattung und
eine nur sehr allgemeine Legitimierung. Für universelle Werte kann man
so kaum kämpfen, die Frage ist, ob das mit den neuen Waffen, von denen
meine Arbeit handelt, eher möglich ist.
Würden Sie Ihre Arbeit über die Wirkungsweise des Krieges
gleichzeitig auch als Arbeit gegen den Krieg bezeichnen?
Harun Farocki: Von Barbara Ehrenreich, die ein großartiges Buch
über den Krieg geschrieben hat, "Blutrituale", habe ich gelernt, dass
man den Krieg auf allen Ebenen bekämpfen muss. Auch im Dialog mit den
Militärs, mit der technischen Intelligenz, die Waffen entwickelt. Wohin
entwickelt sich der Krieg? Das ist die Frage, zu deren Stellung ich
beitragen will.
Links
[1] http://www.farocki-film.de/
[2] http://www.taz.de/pt/2001/10/19/a0143.nf/text
[3] http://www.kw-berlin.de/
Artikel-URL: http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/kino/11394/1.html
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