Suche innerhalb des Archivs / Search the Archive All words Any words

[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

[infowar.de] krieg und recht



Infowar.de, http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
-------------------------------------------------------------

URL dieses
Artikels:
http://www.netzeitung.de/servlets/page?section=1109&item=178702


Die Bombenanwälte des Pentagon
15. Feb 14:23, ergänzt 14:43

Ein Heer von Juristen soll das Pentagon vor den Fallen des
internationalen Rechts in Afghanistan schützen. Nicht alle
US-Kommandeure verstehen, warum sie vor jedem Bombardement
ihren Anwalt fragen müssen: «Darf ich?»

Im Krieg, den die USA in Afghanistan führen, gibt es eine bislang von
der
Öffentlichkeit kaum wahrgenomme Macht: die Rechtsabteilung des Pentagon.

Jeden Bombenangriff, jeden Raketenbeschuss lasse das US-Militär vorab
von
Anwälten prüfen, berichtet die «Los Angeles Times», aus Angst vor dem
Internationalen Recht.

Bei der Jagd auf den gestürzten Taliban-Chef Mullah Omar hätten
Pentagon-Anwälte tatsächlich folgenreich interveniert, berichtet die
«Los
Angeles Times». Als US-Truppen einen verdächtigen Konvoi entdeckten,
warnte ein konsultierter Jurist, es sei unzulässig, ein Staatsoberhaupt
zu
ermorden. Bis der Kommandeur entschieden hatte, dennoch anzugreifen, war

der Konvoi fort. Ein anderes Mal, als wieder einmal ein unbekannter Jeep

eine Straße nahe Kandahar entlang rumpelte, warnte der Pentagon-Jurist:
Nicht angreifen, es könnten Zivilisten getötet werden. Mullah Omar ist
bis
heute flüchtig.

Rechtsberatung zum Abwurfwinkel

Der Krieg in Afghanistan ist nicht der erste, den das Pentagon mit Hilfe
von
Anwälten austrägt, aber der Einfluss der Juristen ist stetig gewachsen.
Sie
sollen verhindern, dass die USA sich bei ihren Militäreinsätzen im dicht

gewordenen Netz internationaler Gesetze, Abkommen und Verträge
verstricken. Nie zuvor hätten Juristen so viel Einfluss auf strategische

Entscheidungen genommen, wie im Afghanistan-Einsatz, sagen Insider. Von
einer «Armee der Anwälte» spricht gar der Rechtswissenschaftler und
frühere
Pentagon-Anwalt Alfred P. Rubin.

Die Juristen-Truppe hat für den Afghanistan-Krieg konkrete
Einsatzrichtlinien
festgesetzt. Sie hat Listen möglicher Einsatzziele geprüft, hat das
Verhältnis
zwischen der potenziellen Zahl ziviler Opfer und dem potenziellen
militärischen
Nutzen geschätzt und es bewertet, hat Munitionstypen beurteilt, in
Einzelfällen
sogar vorgeschlagen, Bomben aus rechtlichen Gründen besser in einem
anderen Winkel abzuwerfen. Laut «Los Angeles Times» hat das Pentagon
bereits Anwälte beauftragt, den Rechtsrahmen für neue Einsätze in Jemen,

Sudan, Malaysia und Saudi-Arabien abzustecken.

Atombomben und Widerhaken

Die Arbeit der Militärjuristen führt zu Ergebnissen, deren Logik sich
nicht auf
den ersten Blick erschließt: So fiel ein Bajonett mit Widerhaken aus den
60er
Jahren bei den Juristen durch, weil der Haken unnötig grausam sei.
Grundsätzliche Einwände gegen das US-Atomwaffenarsenal gibt es im
Washingtoner Verteidigungsministerium indes nicht.

Menschenrechtler verlangen, der Einfluss von Experten des
Internationalen
Rechts auf das US-Militär müsse weiter wachsen, damit sich die Truppen
im
Krieg tatsächlich immer an die internationalen Regeln halten. Bei
US-Befehlshabern erregt die neue Rolle von Juristen indes schon jetzt
Missfallen: «Es scheint, die Anwälte haben über Gebühr Einfluss
bekommen»,
zitiert die «LA Times» einen betroffenen Luftwaffen-Kommandeur, der
anonym bleiben wollte. «Nicht nur in einem Fall, sondern bei vielen
Entscheidungen.»

Daumen rauf, Daumen runter

Nancy Richards, als Juristin für die US-Luftwaffe im Irak-, Somalia- und

Ruanda-Einsatz aktiv, beschreibt den Reiz ihrer Arbeit als
Truppen-Anwältin:
«Man sitzt direkt mit dem Kommandeur zusammen. Irgendwann dreht er sich
zu Dir um und fragt: »Anwalt, was denkst Du, ist das legal?« Und am
nächsten Tag kann man sich das Ziel anschauen und denken, ich habe das
beurteilt und letzte Nacht haben sie es bombardiert. Das ist eine
einmalige
Chance.»

Die größte Belastung für einen Militärjuristen sei seine Angst, den
Krieg
unnötig zu behindern, sagt Richards. «So viel helfen wie möglich», das
sei das
Ziel aller, aber «die Anwälte müssen diejenigen sein, die sich nicht
fürchten,
den Kommandeuren zu sagen: Nein».

Für das Web ediert von Astrid Geisler


---------------------------------------------------------------
Liste verlassen: 
Mail an infowar -
 de-request -!
- infopeace -
 de mit "unsubscribe" im Text.