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[infowar.de] Bericht von der "Cyberterror"-Veranstaltung am Donnerstag in Berlin



Infowar.de, http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
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Freundlicherweise vom Autor zur Verfügung gestellt.
Ich war auch dort, und es war wirklich bemerkenswert, wie sehr sich die
Podiumsmitglieder einig waren, dass von Terroristen keine Gefahr im Netz
droht.
RB

Neues Deutschland, 25.2.2002

"Cyberterror" - reale Gefahr oder Fata Morgana?

Ein Gespenst geht um im WWW, dem World Wide Web: Der Cyberterror. Es
wird für möglich gehalten, dass Terroristen einen Angriff auf die
kritischen Infrastrukturen des Internet vornehmen. Seit dem 11.
September 2001, aber auch schon vorher, wurde und wird unter Fachleuten
darüber gestritten, wie real solch eine potentielle Gefahr in der
virtuellen Welt ist.

"Wir haben keine Anhaltspunkte, dass der Terrorismus die virtuelle
Dimension erobert", erklärte  Heiner Wegesin am Donnerstag in Berlin. Er
ist Leiter des Verfassungsschutzes in Brandenburg und war vorher unter
anderem im Bundesamt für Verfassungsschutz und als
Geheimschutzbeauftragter im Bundeskanzleramt tätig. Mit ihm diskutierten
weitere Fachleute auf einer gemeinsamen Podiumsdiskussion des Berliner
"Projekts Zukunft", des SFB InfoRadio und der Brandenburger
"Informationsstrategie 2006". 

DaimlerChrysler-Mann Josef Lang, Leiter eines IHK-Arbeitskreises für
Unternehmenssicherheit, kritisierte den "zu plakativen" Begriff.
Cyberterrorismus "existiert so nicht", meinte Andy Müller-Maguhn vom
Chaos Com-puter Club. Für Verfassungsschützer Wegesin gibt es derzeit
"keine reale Bedrohungslage" durch Terroristen im Internet. Für
Gesellschaft und Wirtschaft "elementare Versorgungsnetze" im Energie-
oder Medizinbereich oder in der Flugsicherheit funktionierten unabhängig
vom WWW, stellte er klar.

Wegesin setzte den Begriff des "Cyberextremismus" dagegen und verwies in
dem Zusammenhang auf die Aktivitäten der Neonazis im Internet. Diese
nutzen diese Kommunikationsplattform aktiv für ihre Zwecke und Ziele. Im
Terrorismus spiele das Internet aber nur eine "absolute Randrolle",
erklärte der Verfassungsschützer.

Müller-Maguhn benannte als Problem, dass sich Wirtschaft und
Gesellschaft mit dem Internet zunehmend abhängig machten "von etwas, was
dafür nicht gedacht war". Daraus entstünden neue Gefahren, die nicht nur
den Datenaustausch, sondern auch die Verfügbarkeit der Strukturen
beträfen. Dem stimmten neben dem Verfas-sungsschützer und dem
IHK-Vertreter Timo Kob von der HiSolutions AG, Produzent von
Sicherheitsdienstleistungen von Computernetzen, und Alexander Dix,
Datenschutzbeauftragter des Landes Brandenburg, zu.
Daim-ler-Chrysler-Mann Lang bestätigte, dass das Internet verstärkt für
Geschäftsprozesse von großen Unternehmen und kleinen Einzelhändlern
genutzt werde. Das Internet sei eine "zutiefst unsichere Struktur",
erklärte Datenschützer Dix, was aber aus Kostengründen oft übersehen
werde. Nach Untersuchungen geben nur 27 Prozent der deutschen
Unternehmen Geld für den systematischen Schutz ihrer Rechner und Netze
vor Viren und Hackern aus.

Schutzmaßnahmen wie die sogenannten Firewalls oder
Verschlüsselungssoftware seien nur die technische Seite, waren sich die
Diskussionsteilnehmer einig. Es sei auch keine Frage des Geldes
widersprachen sie Telekom-Chef Ron Sommer. Der hatte tags zuvor auf
einem SPD-Kongreß behauptet, entscheidend sei: "Wie viel wollen Sie
bezahlen für mehr Sicherheit und Lebensqualität?" "Wie soll Sicherheit
funktionieren, wenn Menschen vor Maschinen sitzen, deren Funktionsweise
sie kaum übersehen und beherrschen", fragte Müller-Maguhn und ver-wies
auf das Problem der Ausbildung. Auch Verfassungsschützer Wegesin machte
darauf aufmerksam, dass der "Faktor Mensch" am Ende entscheidend sei.
Das gelte ebenso für die zunehmende Überwachung der Computernetze. Deren
Ausbau sei nicht notwendig, denn die damit beschäftigten Behörden
"ersticken an Informationen". Der technologisch hochgerüstete
Abhörapparat der USA habe zum Beispiel die Anschläge des 11. September
2001 nicht verhindern können.

Netzspezialist Müller-Maguhn machte in einer kurzen Bemerkung darauf
aufmerksam, dass zur Zeit Staaten wie die USA und Israel potentielle
Cyberterroristen hochkarätig ausbilden. Sie werden für einen erwarteten
"cyber war", den virtuellen Krieg der Zukunft, vorbereitet. Mehr als 50
US-Militärabteilungen planen, forschen und trainieren für den Angriff
auf Computersysteme anderer Staaten und Organisationen. Darauf hatte im
Juni 2001 nach einer Analyse zugänglicher Quellen der Wissenschaftler
Ralf Bendrath von der Forschungsgruppe Informationsgesellschaft und
Sicherheitspolitik (FoG:IS) hingewiesen. "Die größte Bedrohung für die
Sicherheit der weltweiten Datennetze geht damit nicht von sogenannten
Schurkenstaaten oder Terroristen, sondern von den USA selber aus", so
Bendrath, der eine Cyber-Rüstungskontrolle forderte.

Thilo Gräser

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