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[infowar.de] SZ 25.2.02: Der Way of Lie: Müssen die USA lügen, um die Welt zu retten?



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http://www.sueddeutsche.de/aktuell/sz/artikel126594.php

Montag, 25.2.2002 
Und nichts als die Wahrheit 
Der Way of Lie: Müssen die USA lügen, um die Welt zu retten? 

Es hätte nie jemand erfahren dürfen. Doch ein paar Beamte des Pentagon haben jetzt der New York Times erzählt, zu den künftigen Aufgaben des neugegründeten ?Office of Strategic Influence? gehöre es auch, gezielte Falschmeldungen in der internationalen Presse zu plazieren. Prompt lief die Weltpresse Sturm und die American Society of Newspaper Editors schickte einen bösen Brief. ?Eines muss klar sein?, konterte Verteidigungsminister Donald Rumsfeld während seines Besuchs in Salt Lake City, ?Regierungsbeamte, das Verteidigungsministerium und alle die mit mir zusammenarbeiten sagen Amerikanern und den Menschen dieser Welt die Wahrheit.? Eine recht absurde Szene ­ der Chef des Amtes für Fehlinformationen verkündet, dass seine Behörde ausschließlich wahre Informationen verbreite. Doch nicht die Tatsache, dass amerikanische Regierungsstellen Lügen verbreiten könnten, war daran erstaunlich, sondern das ungeschickte Eingeständnis. Denn ist die Bereitschaft zu Lügen als Taktik der psycholog
ischen Kriegsführung erst einmal bekannt, funktioniert sie nicht mehr. 

Normalerweise beherrscht keine Militärmacht die psychologische Kriegsführung so perfekt wie die USA: beispielsweise das Umschmeicheln und Verängstigen, oder das In-die-Irre-Führen und Demoralisieren. All jene Taktiken also, die der Militärhistoriker Richard Johnson als ?Schläge gegen den menschlichen Geist und die Emotionen? beschreibt. Ein historischer Moment in diesem Zusammenhang war der D-Day, als die Landetruppen den Deutschen weismachten, sie würden im meilenweit entfernten Calais angreifen. Legendär sind auch jene DJs, die den panamaischen Diktator Noriega und ganze Bataillone der irakischen Armee mit ihren Lautsprechertürmen und Heavy-Metal-Platten zum Aufgeben zwangen. 

Abseits davon geht es auf dem Schlachtfeld der Psyche aber noch um etwas anderes: um die eigene, um die amerikanische Bevölkerung. Amerikaner sind nämlich nur sehr schwer dazu zu bewegen, mit ganzer patriotischer Leidenschaft militärische Aktionen in Übersee zu unterstützen. Vielleicht hat die US- Militärmaschinerie auch deshalb die psychologische Kriegsführung perfektioniert. Denn bis zum 11. September gab es noch nie eine direkte physische Bedrohung des Landes selbst. Sogar Pearl Harbor war letztendlich der Angriff auf eine Kolonie, die Tausende von Meilen vom Festland entfernt im Pazifik liegt. Rationale geopolitische Gründe alleine reichten da nicht aus, deswegen musste der so genannte Krieg ?um die Köpfe und Herzen? auch immer im eigenen Land geführt werden. 

Moral macht mobil 

Es war meist die Behauptung moralischer Überlegenheit, mit der die Massen emotional mobilisiert werden konnten. Die übermächtigen Feinde in den beiden Weltkriegen und während des Kalten Krieges machten es dem Weißen Haus relativ leicht. Es ging Amerika offiziell nie um Rohstoffquellen oder um die Sicherung strategischer Einflusssphären, sondern immer um die Verteidigung des ?Way of Life?. Der amerikanische Kongress wusste sehr wohl um die Gefahren dieser Strategie und erließ deswegen schon 1913 strenge Gesetze, die dem Weißen Haus und dem Pentagon untersagten, das Volk und seine Vertreter in der Legislative mit Propagandamitteln und modernen Public-Relations-Techniken auf Linie zu bringen. Doch dann kamen zwei Einschnitte, die es der amerikanischen Regierung schwer machten, das Volk und die Welt für die amerikanische Sache zu gewinnen. 

Der erste Einschnitt war Vietnam. Der Schock, einen ungerechten Krieg geführt zu haben, saß tief. Auch zehn Jahre später noch. Das stellte die Regierung Ronald Reagans vor ein massives Problem. Die Kommunisten hatten sich in Nicaragua eingenistet. El Salvador war in Gefahr. Michael Kelly, Staatssekretär bei der Air Force, sagte damals: ?Unsere wichtigste Mission ist heute, das amerikanische Volk davon zu überzeugen, dass uns die Kommunisten an den Kragen wollen. Wenn wir diesen ideellen Krieg gewinnen, dann gewinnen wir auch überall sonst.? 1983 konstruierte Ronald Reagan zusammen mit dem CIA und den Führungskräften der besten Werbe- und PR-Agenturen einen Kommunikationsapparat, mit dessen Hilfe die alten Anhänger der Somoza-Diktatur bei den Contras zu Freiheitskämpfern stilisiert werden konnten. Vorbild war dabei nicht die klassische Propaganda, sondern Techniken aus der Wirtschaft ­ zum Beispiel ?Branding? oder das Implantieren einer Corporate Identity. Es ging also schon längst
 darum, das Produkt Amerika und seinen Krieg zu verkaufen. 

Sie sind überall: die Barbaren 

Der zweite Einschnitt kam mit dem Mauerfall. Mit dem Zusammenbruch des kommunistischen Blocks war auch das Hauptargument in der Kampagne für Amerika verschwunden. Der französische Politikwissenschaftler Jean-Christophe Rufin war der Erste, der damals vorhersagte, dass sich Amerika nun auf die Suche nach einem neuen Feind machen würde. Er verglich den Mauerfall mit dem Sieg des römischen Reiches über Karthago. Die Römer fanden ihren Feind damals in den Barbaren. Die USA und der Westen suchen ihre neuen Gegner seit dem Ende des Kalten Krieges in der Dritten Welt. Im Drogenkrieg von Lateinamerika, im Nahen Osten, in der arabischen Welt. 

Im Golfkrieg lief die Maschinerie der psychologischen Kriegsführung auf Hochtouren. Auf der einen Seite hatte man einen mächtigen Feind. Auf der anderen Seite war dieser weit weg. Seinen berüchtigten Höhepunkt fand der Kampf um die Herzen der Welt in dem Auftritt einer jungen Kuwaiterin, die sich als Krankenschwester im Hospital von Kuwait City ausgegeben hatte. Unter Tränen beschrieb sie vor dem Kongress, wie irakische Soldaten Säuglinge aus den Brutkästen gerissen und getötet hätten. Was niemand wusste: Die 15-Jährige war die Tochter des Botschafters von Kuwait in Washington. Ein Konsortium von 20 Lobby- und PR-Agenturen unter der Leitung der weltgrößten PR-Firma Hill & Knowlton hatte den Auftritt inszeniert. Eine der Firmen, die damals zum Konsortium gehörte, war die Rendon Group, die jetzt das ?Office of Strategic Influence? betreut. 

Mit dem islamistischen Terror hat der Westen wieder einen Feind, gegen den man nach Argumenten nicht mehr suchen muss. Islamistische Terroristen suchen keinen Dialog. Ihr Fernziel ist die absolute Zerstörung aller säkularen Gesellschaftsformen. Die Taliban lieferten das Anschauungsmodell dazu. Und die Anschläge vom 11. September weckten eine Angst, die der Westen seit der KubaKrise nicht mehr gekannt hatte. 

Afghanistan war für die amerikanische Regierung seit 1945 der größte Sieg im Kampf um die Köpfe und Herzen der Welt. Auch dieser Frieden muss nun gesichert werden. George W. Bush hat deswegen letzte Woche verkündet, dass er die erfolgreichen Propagandamaßnahmen nach dem 11. September institutionalisieren werde. Und dazu braucht man eben ein Amt, das ein positives Image der USA etablieren und antiamerikanische Strömungen bekämpfen soll. Wobei das ?Office? aber nur ein kleiner Teil der psychologischen Großoffensive sein soll. In diesem Zusammenhang hat man übrigens auch einen hübschen neuen Euphemismus für das hässliche Wort Propaganda gefunden. Man nennt das übergeordnete Ganze nämlich so: ?Office of Global Diplomacy?.


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