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[infowar.de] Transformation War Game: Im globalen Sandkasten
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http://www.telepolis.de/deutsch/special/game/12367/1.html
Transformation War Game: Im globalen Sandkasten
Krystian Woznicki 21.04.2002
Das Sci-Fi-Szenario einer Gefechtssimulation erhebt den Anspruch, die
Lage der Weltpolitik zu kommentieren
Gefechtssimulationen sind nichts Neues ( [1]Willkommen im Virtual
Sniper Park). Seit dem 11. September machen sie jedoch immer mehr von
sich reden: Im Zuge des Anti-Terror-Alarms werden [2]Radarsysteme in
Küstenregionen und Truppenbeweglichkeit im Rahmen von
[3]innerstädtischen Ausnahmezuständen getestet. Auch das Transformation
War Game findet dieses Jahr wieder pünktlich zum Monatsende statt. Ab
heute wird eine Woche lang die Armee der Zukunft in globalen
Krisenszenarien aktiviert, die neue Maßstäbe setzen: Sie wollen
zeitgenössische Geopolitik vermitteln . Wenn alles gut geht, kann diese
neue Spiellogik bald im freien Markt verankert werden.
Das Transformation War Game findet seit drei Jahren in den [4]Carlisle
Barracks statt. Es versteht sich als Studien- und Analyseplattform und
ist aus den "Army After Next" War Games hervorgegangen. Seinen Namen
hat das Projekt von General Eric K. Shinseki, der Oktober 1999 seine
Vision für die US-Armee verkündete: Objective Force. Mit diesem
pathetischen Fachbegriff meinte er die Armee der Zukunft am Besten
beschreiben zu können, die im Zuge des globalen Strukturwandels erst
dann ihre neue Gestalt angenommen hat, wenn die technologischen
Durchbrüche auf allen Ebenen des Kampfsystems Wirklichkeit geworden
sind.
Die Objective Force soll nicht zuletzt die Geschwindigkeit von
Kampfprozessen neu definieren. Im letztjährigen Transformation War Game
ging es demnach unter anderem darum, die Fähigkeit der US-Armee zu
testen, eine kampffähige Brigade an jeden Schauplatz der Welt innerhalb
von 96 Stunden zu manövrieren, eine Division in 120 Stunden und fünf
Divisionen in 30 Tagen. Das Spielszenario projizierte die gegenwärtige
geopolitische Situation in das Jahr 2015. Zu diesem Zeitpunkt hatten
sich Iran und Irak längst zu der Independent Republic
zusammengeschlossen. Durch Syrien und der Türkei von ihrer
Wasserversorgung abgeschnitten, zettelte die Independent Republic einen
Krieg an, der die USA auf den Plan rief. Bill Rittenhouse, der
Spielleiter, kommentierte die damaligen Direktiven wie folgt:
"Das Szenario ist nicht plausibel, weil ist es nicht wahrscheinlich
ist, dass der arabische Irak sich mit dem persischen Iran
zusammenschließt. Aber es ist für den Zweck unseres Spiels nützlich.
[...] Es geht schließlich um Lernprozesse. Es geht darum, unsere
Stärken, und, vielleicht noch wichtiger, unserer Schwächen zu
verstehen. Solche Informationen können wir Entwicklern von
Kampfsystemen zur Verfügung stellen, die damit wiederum operative und
organisatorische Aspekte der Objective Force gestalten."
Während die letztjährigen Transformation War Games das Wesen des
Spiels (vgl. [5]Game Theory) auf sein pädagogisches Potential hin
auszuschöpfen versuchten, stehen bei der Version von diesem Jahr neue
Ansprüche auf dem Spielprogramm. Das ins Jahr 2020 projizierte Szenario
sieht eine weltweite Krisensituation vor, die sich an verschiedenen
Orten auf der Erde über den Zeitraum von einem Jahr zuspitzt. So soll
es Angriffe auf das US-amerikanische Territorium geben. Einige davon
werden in Form von Cyber-Attacken gegen Finanzinstitutionen
stattfinden, andere wiederum gegen die Infrastruktur.
Teile der Objective Force werden mobilisiert, um sich einem Aggressor
entgegen zu stellen, der in der kaspischen Region von Albanien aus
Aserbeidschan angreift. Doch das ist noch die kleinste Herausforderung:
Im kleineren Rahmen wird es zu Kontingenzen in Indonesien kommen, die
Chinas Aufmerksamkeit auf sich ziehen. China wiederum setzt unabhängig
davon ein vereinigtes Korea unter militärischen Druck. Kolumbien nähert
sich unterdessen einer Krise, die sich auf Venezuela auszubreiten
droht. US-amerikanische Soldaten sind zwar nicht mehr in Bosnien
stationiert, aber die Truppen erhalten nach wie vor den Frieden im
Kosovo. Die US-Armee muss auch mit der NATO zusammenarbeiten, um die
Krise in Albanien in den Griff zu bekommen. Mit Blick auf die
bevorstehenden Transformation War Games sagt Rittenhouse heute:
"Man muss die Vorstellungskraft wirklich nicht überstrapazieren:
All das kann in der nahen Zukunft passieren und reflektiert im Großen
und Ganzen die Lage der Weltpolitik von heute. [...] Wir versuchen zu
verstehen, was die Bewältigung solcher Krisen in einer Zeit bedeutet,
in der wir Truppen auf der ganzen Welt erhalten. [...] Obwohl diese
Krisenszenarien heute eine Relevanz haben, ist es auch sehr wichtig,
dass sie als ein globaler Sandkasten dienen. Mit diesem War Game wollen
wir alle militärischen Quellen und Bestände de USA bündeln und zeigen,
wie man sie global einsetzt."
Neben zahlreichen Veteranen des US-Militärs wird Greg Jaffe vom Wall
Street Journal als Repräsentant der Presse anwesend sein. Er wird dafür
sorgen, dass sich diese Vorgänge in den Carlisle Barracks Gehör in den
Mainstreammedien verschaffen. Frei nach dem Motto "Was für die Armee
gut ist, wird auch in der zivilen Öffentlichkeit Anklang finden" ist
ein Export dieser neuen Spielmoral auf den freien Markt nicht abwegig.
Der Schwerpunkt kommerzieller Spiele würde sich damit jedenfalls
verlagern: Wurde bislang Reaktionsschnelligkeit und strategische
Übersicht trainiert ( [6]Wer sich früh übt ...), könnten Spiele künftig
Lernprozesse in Bereichen wie Zeitgeschichte und Geopolitik
beschleunigen.
Links
[1] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/9458/1.html
[2] http://www.cnn.com/2002/US/04/12/gen.mock.attack/index.html
[3] http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/articles/A28274-2002Mar27.html
[4] http://carlisle-www.army.mil/
[5] http://www.techreview.com/articles/wo_jenkins032902.asp
[6] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/game/12366/1.html
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