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[infowar.de] zum Stand der IT-Industrie Nordkoreas



Infowar.de, http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
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Eigentlich etwas off topic, aber wegen der Gerüchte und Warnungen der
US-Geheimdienste vor "Cyberattacken" aus Nordkorea (das Land bildet ja
bekanntlich mit Irak und Iran die "Achse des Bösen"...) vielleicht
interessant. 
RB


SPIEGEL ONLINE - 23. April 2002, 16:36
URL: http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,193276,00.html 

Pekinger Ausstellung
 
Die Software des Schurkenstaates

Von Andreas Lorenz, Peking 

In Nordkorea gibt es keine Handys, kaum Computer und noch weniger
Internet-Zugänge. Trotzdem floriert im isoliertesten Land der Erde die
IT-Industrie. Das zumindest versuchen die Nordkoreaner bei ihrer ersten
Software-Schau jenseits der Landesgrenzen glauben zu machen. 

Peking - Der Finger muss drei Mal auf eine kleine Glasfläche gepresst
werden - und innerhalb weniger Sekunden weiß der Computer, ob die Person
durch die Tür darf. Bis zu 1500 Fingerabdrücke kann das Programm
identifizieren, 600 US-Dollar kostet es, berichtet Li Young Shu. Sein
Unternehmen gehört zu den Softwareherstellern, die in den letzten Tagen
im "Großen Ballraum" des Pekinger Welthandelszentrums ihre Produkte
vorstellten. 

Das Besondere: Li ist Nordkoreaner, am Revers seines Jacketts steckt das
Abzeichen des "Großen Führers" Kim Il-Sung. An der Wand hängen eine
große nordkoreanische Fahne und die Porträts vom Kim und seinem Sohn Kim
Jong-Il. Vor der Tür zeigt ein Video eine Massengymnastik-Schau zu Ehren
der beiden. 

Zum ersten Mal in ihrer Geschichte haben Staatsunternehmen und
Forschungsinstitute aus dem abgeschotteten Reich den Schritt für eine
Softwareschau nach außen gewagt. Das Land, das laut US-Präsident George
W. Bush zur "Achse des Bösen" gehört, will sich mit Hightech in einem
völlig neuen Licht präsentieren. 

"Unter der Führung des Großen Führers General Kim Jong-Il", heißt es auf
einem Informationsblatt, habe die "Demokratische Volksrepublik Korea in
den letzten Jahren besonders auf dem Gebiet der Hightech-Entwicklung
[...] außerordentliche Fortschritte gemacht". 

Das klingt nicht verwunderlich, denn immerhin können die Nordkoreaner
Raketen ins All schießen. Dass in einem Land, dessen Wirtschaft am Boden
liegt, dessen Bevölkerung sich nur mit ausländischer Hilfe ernähren
kann, in dem kein Normalbürger einen Computer besitzen darf,
Internet-Zugang ein Fremdwort ist und Handys verboten sind, eine
IT-Industrie existiert, erstaunt dennoch. 

Die nach Peking gereisten Nordkoreaner vom "Pjöngjang
Informatikzentrum", vom "Mathematischen Institut der Akademie der
Wissenschaften" oder von der "Großen Studienhalle des Volkes" zeigen
sich selbstbewusst. Sie scheinen davon überzeugt, dass es nach ihrer
Pekinger Ausstellung für ausländische Handelskammern, Hersteller und
Händler nur noch einen einzigen Weg zum Erfolg gibt: den über "direkte
und authentische Geschäftsbeziehungen mit der Volksrepublik Korea" (so
die Ausstellungsbroschüre). 

Stolz präsentieren zahlreiche Herren in dunklen Anzügen Erstaunliches,
Praktisches und Surreales. Alle Programme basieren auf den
Betriebssystemen von Microsoft und Apple. 

Eine Enzyklopädie auf CD-ROM bietet zum Beispiel Informationen über den
vor fast acht Jahren gestorbenen Kim Il-Sung, der auch als Toter noch
Präsident des Landes ist. "Der Lamil-See" vermittelt revolutionäre Musik
aus dem Lande der Kims: 7500 Lieder, die Fotos der Musiker inklusive
(Speicherplatz: über 200 MB). Sogar das "Tempo der Instrumente" lässt
sich ändern, preisen die Hersteller. 

Ein Programm stellt zahlreiche Hunderassen und Zuchtmethoden vor -
obwohl sich in Nordkorea kaum jemand Pudel oder Dobermann leisten kann.
Eine Software erkennt in koreanisch, japanisch oder englisch gesprochene
Zahlen. "Man braucht bloß die Zahlen sagen und schon wählt das
Mobiltelefon automatisch", erläutern Vertreter der Akademie der
Wissenschaften. Wie sie das in einem Land ohne Handy ausprobiert hätten,
fragt ein Besucher, und die Nordkoreaner lachen herzlich. 

Das Programm "Mokran" identifiziert koreanische Buchstaben und
chinesische Zeichen (Genauigkeit laut Hersteller: 99 Prozent). Mit
"Paeksung" können Fußballtrainer Spielzüge analysieren. Der Verkäufer
ruft eine Szene der Begegnung Dänemark-Nordkorea von 1998 auf den
Bildschirm und sagt: "Wir nehmen Bestellungen entgegen." Den Preis
seiner Ware nennt er allerdings nicht. 

Zudem zeigen die Nordkoreaner Lern-, Spiel-, Sprach- und
Designprogramme. Die Kim-Cheak-Universität für Technologie hat zudem ein
Faxprogramm entwickelt.
Mit einer Software lässt es sich per Auto durch das dreidimensionales
Pjöngjang fahren, die Parole "Lang lebe der Große Führer Kim Il-Sung"
schwebt vorbei. 

Offenbar haben die Nordkoreaner vor allem den südkoreanischen Markt im
Auge. Inzwischen existieren Gemeinschaftsunternehmen mit Partnern in
China und Singapur, berichtet ein Funktionär. Das
Fingerabdruck-Erkennungsprogramm "Pefis" der "Yap Rok Gang Technology
Development Corp" vertreibt ein in Peking ansässiges Büro. In Nordkorea
selbst, gibt Herr Li zu, werde es noch nicht genutzt. 

Zur gleichen Zeit wie die Nordkoreaner haben die Europäische
Gemeinschaft und Pekings Ministerium für Informationsindustrie im
Welthandelszentrum eine Ausstellung über die modernen
"Informationsgesellschaft" organisiert. Dort zeigt zum Beispiel der
schwedische Multi Ericsson, wie man über Handy seinen Standort bestimmen
kann. Unklar ist, ob die Nordkoreaner die paar Schritte in ein anderes
Zeitalter gewagt haben.

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