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[infowar.de] Die Vision vom unblutigen Krieg: Waffen zur Aufstandsbekämpfung durchs US-Militär



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http://www.BerlinOnline.de/aktuelles/berliner_zeitung/wissenschaft/.html/140442.html

Berliner Zeitung, 6.5.2002

Die Vision vom unblutigen Krieg

Forscher in aller Welt arbeiten an nichttödlichen Waffen. Sie sollen bei
Unruhen und Aufständen eingesetzt werden

Stephan Kaufmann und Sabine Schier 

Soldaten in aller Welt treffen immer häufiger auf einen neuen Gegner:
die Zivilbevölkerung. "Die größte Gefahr für unsere Streitkräfte geht
inzwischen von zivilen Unruhen aus", schrieb das amerikanische Center
for Army Lessons Learned (CALL) bereits in einem Newsletter vom Juni
2000. "Beispiele sind die Demonstrationen in Bosnien oder die
organisierten Proteste gegen die Welthandelsorganisation WTO in Seattle
1999." Der Einsatz scharfer Munition sei dabei häufig kontraproduktiv.
Denn tödliche Schüsse schaffen Märtyrer, heizen den Aufruhr an,
verursachen ökonomische Verluste und schädigen das Image einer
Schutztruppe, wenn sie im Fernsehen übertragen werden - die Militärs
nennen das den CNN-Effekt. Weltweit forschen daher Wissenschaftler und
Unternehmen an einer neuen Generation von Waffen: nicht-letale Waffen
(NLW), die den Gegner unschädlich machen, ohne ihn zu töten.
Verschiedene Konzepte sind bislang entwickelt: Schallkanonen schlagen
Demonstranten K.o., Mikrowellen heizen ihre Haut auf, "Taser"
verschießen Elektroschocks, mit Netzen werden sie gefangen oder mit
Schaumkanonen festgeklebt. 

"Globalisierung der Repression"

Politiker schwärmen bereits vom "unblutigen Krieg".
Menschenrechtsorganisationen sind weniger begeistert. So spricht die
britische Omega-Foundation - wie die US-Militärs auch - von
"Technologien der politischen Kontrolle" und warnt vor einer
"Globalisierung der Repression". 

Allein das US-Verteidigungsministerium fördert rund tausend solcher
Vorhaben - die meisten sind geheim. Einige Waffen sind bereits
einsatzbereit. Die US-Army schwört zum Beispiel auf die "Sponge-Grenade"
- ein Projektil, das im Flug viele kleine Schaumstoff-Geschosse
ausstößt, die die Haut nicht durchdringen. Sie strecken den Gegner noch
in einer Entfernung von 30 Metern nieder, wenn er an Brust oder Bauch
getroffen wird. Soldaten, die die Sponge-Grenade an Puppen getestet
haben, merken allerdings an, dass ein Kopftreffer leicht tödlich wirken
kann. Im Einsatz ist auch die "fliegende Faust", eine Wuchtmunition
großen Kalibers, die die getroffene Person noch aus 50 Meter Entfernung
von den Beinen holen kann. 

Auch Reiz- und Betäubungsgase gelten als nicht-letale Option. Das
US-Militär testet den Einsatz von Ketaminen - Betäubungsmittel, die in
der Anästhesie verwendet werden. Bei Ketaminen sind die Risiken jedoch
enorm: Atemlähmung bis zum Atemstillstand, Hirnödeme und das Ersticken
an Erbrochenem sind keine Seltenheit. Wenig erfolgreich war bislang die
Suche nach übel riechenden Substanzen, die Menschen vor Ekel in die
Flucht treiben. Ein Problem der Forscher hierbei ist vor allem, dass in
unterschiedlichen Kulturen nicht alle Gerüche als unangenehm
wahrgenommen werden. Die "ultimative Stinkbombe" wird es also nicht
geben. Für amerikanische Nasen besonders unangenehm, so fand das
Edgewood Chemical Center in Maryland heraus, ist kurioserweise der
"Standardgeruch der Toiletten in Einrichtungen der US-Regierung".

Geforscht wird auch an einem verbesserten Einsatz von Elektroschocks.
Die Polizei in Los Angeles jagt Straftäter bereits mit dem "Taser". Der
Taser verschießt kleine Metallpfeile an Leitungsdrähten. Dem Getroffenen
wird ein Stromschlag von 40 000 bis 50 000 Volt versetzt. Der
Elektroschock führt über eine Überstimulierung der großen Skelettmuskeln
zu Krämpfen und damit zu Bewegungsunfähigkeit. "Der Taser ist zu 85
Prozent effektiv", berichtet Charles Heal, der für das Los Angeles
Police Department Waffen auf ihre Einsatzfähigkeit prüft. Allerdings
habe es mehrere Todesopfer nach Einsätzen mit Tasern gegeben. Der Taser
eignet sich jedoch nicht als Waffe gegen Menschenmengen. Denn er hat nur
eine Reichweite von etwa fünf Metern. Daher arbeiten US-Wissenschaftler
an einem neuen Projekt: Der "Laser-Taser" sendet einen ultravioletten
Laserstrahl, der die Luftmoleküle ionisiert. So entsteht ein
"elektrischer Korridor" , in dem Strom über größere Distanzen geleitet
werden kann. Ein Gerät sei schon entwickelt, "es ist aber so groß wie
ein Kühlschrank", sagt Heal. Den Laser-Taser soll es später einmal auch
als Gattling-Maschinengewehr geben, damit er gegen Menschenmengen
einsatzfähig ist.

Im März 2001 präsentierte das Pentagon seine neueste Errungenschaft, an
der mehr als zehn Jahre geforscht wurde: die Mikrowellen-Kanone VMADS,
genannt "People Zapper"
("Menschen-Knaller"). Mittels eines elektromagnetischen Impulses wird
dem Opfer über eine Distanz von bis zu sechshundert Metern ein
brennender Schmerz zugefügt. Der People Zapper feuert einen
Energiestrahl, der sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegt und 0,3
Millimeter in die Hautoberfläche eindringt. Er erhitzt die dort
vorhandenen Wassermoleküle in weniger als einer Sekunde über die
Schmerzgrenze von 45 Grad Celsius. Die Entwickler versichern, der Strahl
führe nicht zu Verbrennungen, da er nicht weit genug in die Haut
eindringe und da das Energieniveau zu niedrig sei. Der People Zapper sei
speziell dazu geeignet, Demonstrationen aufzulösen und Gebiete zu
"säubern", sagt Colonel George Fenton, Leiter des NLW-Projekts der
US-Streitkräfte. Die Air Force Times nennt ihn "den vielleicht größten
Durchbruch in der Waffentechnologie seit der Atombombe".

Die nächste Generation

Forschungen an so genannten Schock-Waffen sind dagegen erst im
Anfangsstadium. Die Mission-Research Corporation in Santa Barbara,
Kalifornien, setzt derzeit auf die
Laser-Waffe PEP - das Puls-Energie-Projektil. Der gepulste Laserstrahl
erhitzt die Flüssigkeit in der Haut. Dadurch erhöht sich der Druck im
Gewebe. Bei hoher
Strahlungsintensität entsteht sogar eine Schockwelle, die tief in das
Gewebe eindringt und innere Organe wie Leber oder Darm verletzen kann,
berichtet Viktor Makukhin vom "Zentrum für Ingenieurwissenschaften und
soziale Aktivität" in Moskau. Die Schockwelle löst Makukhin zufolge
elektrische und fotochemische Prozesse innerhalb der Zelle aus,
verursache auf diese Weise Schmerz und treibe die Empfindlichkeit für
chemische Kampfstoffe in die Höhe. Würgegefühle und Lähmung seien
weitere mögliche Effekte. 

Das Vortex-Schock-Gewehr arbeitet mit Luftdruck und sendet periodische
Schockwellen aus. "Bei einer Geschwindigkeit von 100 Meter pro Sekunde
kann man jemandem
immerhin schon über 40 Meter die Brille von der Nase blasen", berichtet
das Fraunhofer Institut ICT in Pfinztal. Zudem könnten über den
Luftdruck chemische Substanzen über längere Distanzen transportiert
werden. "Eine viel versprechende Technik", urteilen die Forscher in
Pfinztal. 

Bis auf die Gummi-Geschosse sind all diese nicht-letalen Wirkmittel noch
nicht einsetzbar. Doch der Bedarf steigt, und zudem wittern die
Unternehmen ein lukratives Geschäft: "Es gibt weltweit eine riesige
Nachfrage", sagt der Waffenprüfer und Polizist Charles Heal aus Los
Angeles. "Wer die erste effektive NLW präsentiert, der wird reicher als
in seinen kühnsten Träumen."

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