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http://www.fr-aktuell.de/fr/280/t280001.htm

Saddams Staubsauger

Mit dem teuren Kampfmittel Radio versucht die US-Regierung im Irak ihre
Propaganda zu verbreiten

Von Karl Grobe

Die Europäer mögen der US-Regierung auf dem mesopotamischen Kriegspfad
nicht folgen, doch George W. Bush ist wie sein Vater George Bush in
dieser Frage unbeirrbar: Saddam Hussein muss weg. Ein Kampfmittel ist
der Einsatz von Massenmedien. Sie können wahre Informationen verbreitet
und unwahre; sie können über das Diktaturregime aufklären oder zu seinem
Sturz aufrufen; sie müssen aber ihr Publikum erreichen. Die irakischen
Zeitungen, Rundfunk- und Fernsehsender werden sehr streng überwacht.
Gedrucktes aus dem Ausland erreicht die irakische Bevölkerung nicht.
Aber Rundfunksendungen halten nicht an Staatsgrenzen. Deshalb haben die
Regierungen Bush I, Clinton und Bush II sich in dieser Hinsicht einiges
einfallen lassen: Offen als Stimme der USA auftretende Stationen, Sender
in US-Besitz und so genannte Geheimsender.

Die "Stimme Amerikas", Voice of America (VoA), ist in englischer Sprache
praktisch den ganzen Tag über auf Mittel- und Kurzwellen in der Region
aktiv. In den Morgen- und Abenstunden werden bis zu sechs Frequenzen
gleichzeitig eingesetzt. Das arabische Programm, das sich auf die
wichtigsten Stunden am Morgen und Abend beschränkt und zugleich
konzentriert, übertragen sogar bis zu acht Sender auf Mittelwelle. Die
Störsender ("Saddams Staubsauger", wegen der Heul-Geräusche) übertönen
sie nicht immer. Gerade in großen Städten ist die offen deklarierte
Information aus den USA oft unhörbar.

Zur zweiten Gruppe gehört der Prager Sender Radio Free Europe / Radio
Liberty. Die Unterabteilung (Radio Freies Irak) benutzt einen einzigen
Kurzwellensender mit je nach Tagezeit wechselnden Frequenzen. Die früher
in München ansässige Anstalt ist eine Gründung des Geheimdienstes CIA,
wird seit vielen Jahren aber höchst offiziell aus öffentlichen
US-Mitteln bezahlt und genießt in Osteuropa hohes Ansehen. In der
arabischen Welt muss sie sich noch durchsetzen - erst einmal gegen die
erwähnten "Staubsauger". So viel zum offiziellen und schon deswegen eher
etwas langweiligen Teil der Geschichte.

Mit dem Auftritt der Rendon Group - einer Firma für "strategische
Kommunikation" - wird es interessant. John Rendon hat während des
Golfkriegs (1990) der Regierung des überfallenen "Kuwait Public
Relations"-Dienste geleistet. Erst später stellte sich heraus, dass der
Wahrheitsgehalt ihrer Propagandacoups oft recht nahe an der Nullgrenze
lag. Für Bush I aber und den Geheimdienst CIA, dem Bush I früher mal
vorgestanden hatte, blieb John Rendon der bestgeeignete Partner.

Rendon, sagt die Fama, hat den Namen al-Mu'tamar al-Watan al-Arabi
erfunden. Er bedeutet "Irakischer Nationalkongress" (INK) und steht für
eine Koalition verschiedenster Exilgruppen. Die brachte der in den USA
ausgebildete Banker Ahmad Chalabi zusammen, und als das gelungen war,
ließ er Anfang 1992 zwei so genannte Geheimsender die Arbeit aufnehmen,
Radio Hurriyah (Freiheit) und Iraqi Broadcasting Corporation (IBC). Es
waren die Ätherwellen der vereinten Opposition; dass sie über einen
Sender der VoA in Kuwait ausgestrahlt wurden, musste ja nicht jeder
wissen. Auch nicht, dass in den ersten zwei Jahren rund 24 Millionen
US-Dollar für den Propagandafeldzug zur Verfügung standen. Damit kauften
die INK-Leute (oder auch Rendon) später unter anderem Sendezeit in
Jordanien, Ägypten und bei den autonomen Kurden in Nord-Irak ein. Der
INK in Nord-Irak wurde, wie Time später herausfand, von sechs CIA-Leuten
fachkundig beraten. Die sorgten auch dafür, dass die kurdisch-autonomen
Sender dort zum nötigen Geld kamen. Das soll so bis 1997 gelaufen sein,
berichtet die Fachpublikation Clandestine Radio.

Mittlerweile waren auch die britischen Kollegen vom geheimen Dienst
aktiv geworden. Sie kümmerten sich um al-Wifaq al-Watani al-Iraqi, den
"National Accord" exilierter Politiker aus der Baath-Partei und den
General Adnan Nuri, der an einer militärischen Palastrevolte in Bagdad
arbeitete. Der "Accord" stellte 1996 ein Radioprogramm namens
al-Mustaqbal (Zukunft) in Dienst. Zufällig benutzte er nicht nur den
letzten Endes CIA-finanzierten Mittelwellensender des INK, sondern bekam
aus derselben Quelle wie der INK auch an die sechs Millionen Dollar. Zum
militärischen Staatsstreich rief unterdessen ein anderer
"Accord"-Sender, die "Stimme der tapferen Soldaten". Die technische
Infrastruktur scheint für beide dieselbe gewesen zu sein.

Diese Anlagen in Erbil (Nord-Irak) wurden im September 1996 von der
irakischen Armee zerstört; um deren Einsatz hatte angeblich Massud
Barzani gebeten, der weder mit der stärksten kurdischen Partei noch mit
INK noch mit dem "Accord" d'accord war. Die Auseinanderstzung zwischen
Barzanis Partei KDP und Talabanis PUK ist ein besonders trauriges
Kapitel kurdischer Geschichte.

Die "Zukunft" und die "Tapferen Soldaten" konnten schon im Dezember 1997
wieder senden, nun von Kuwait aus. Und aus dem Flugzeug. Aus den USA
wurde eine Maschine namens Command Solo in die Region geschafft und
berieselte von oben her Irak mit den beiden Programme des "Accord". Was
INK-Chef Chalabi zur Weißglut brachte. CIA-Programme, die zum
Militärputsch aufriefen, seien nun wirklich das Allerletzte, teilte er
Anfang März 1998 dem US-Senat mit. Das machte Eindruck.

Besonders auf die Heritage Foundation, eine äußerst konservative
Washingtoner Denkfabrik, die soeben zum psychologischen Krieg gegen
Saddam Hussein aufgerufen hatte. Die republikanische Mehrheit im
US-Kongress ließ sich durch Chalabi von der Wirksamkeit des Ätherkriegs
überzeugen. Der Senat bewilligte daraufhin am 23. März 1998 fünf
Millionen Dollar zur Gründung von Radio Freies Irak, und zwar parallel
zu einem auf Iran gerichteten "öffentlichen Geheimsender". In Prag, dem
Sitz der Dachorganisation RFE/RL, regte sich daraufhin lauter Protest:
Die neuen Sender würden zu terroristischen Anschlägen geradezu einladen;
das sei etwas ganz anderes als die seriöse Sendeanstalt am oberen Ende
des Wenzelsplatzes, die ja in Zeiten des Kalten Krieges ein
unverzichtbares Informationsmittel gewesen sei.

Bill Clintons Außenministerin Madeleine Albright schaltete sich ein, am
30. Oktober 1998 gingen die neuen Stationen auf Sendung. Jetzt aber
hatte der INK keine Geldquelle mehr. Clinton hatte kalte Füße bekommen,
ob er ein Gesetz über die Bereitstellung von 97 Millionen Dollar für
Waffen und Propaganda à conto INK wirklich unterzeichnen sollte, tat es
doch - und dann bremste das Außenministerium die Sache aus. Doch
inzwischen sind sie alle wieder da und senden vor sich hin.

Der INK-Sender Hurriyah (Freiheit) soll ab Anfang 2001 wieder
regelemäßig gehört worden sein. Er legte sich auch ein über Satellit
verbreitetes Fernsehprogramm zu, wofür das US-Außenministerium rund fünf
Millionen Dollar springen ließ. Stolz und zuversichtlich teilte
Nationalkongress-Chef Ahmad Chalabi der Öffentlichkeit mit, täglich 24
Stunden sei jetzt ein Nachrichten- und Unterhaltungsprogramm per
Staellit zu sehen, wies es das in der irakischen Fernsehgeschichte noch
nie gegeben habe. Leider scheint es aber Chalabis Mannen im INK an einer
ordentlichen Kassenführung gemangelt zu haben. Die Washingtoner
Verwaltung war damit nicht einverstanden, sperrte den Zuschuss - und so
wurde der Sender am 1. Mai diesen Jahres ausgeschaltet.

Damit ist noch längst nicht beendet, was einmal in anderen
Zusammenhängen die "Wortschlacht im Äther" genannt wurde. Die
Geheimsender "Zukunft" und "Tapfere Soldaten" sind (über Kuwait) immer
noch aktiv; sie geben beide dasselbe Londoner Postfach 3124 in SW19 1RL
als Kontaktadresse an - es ist, wie immer, das des "Accord".

Seit gut zehn Jahren hört man über Mittel- und Kurzwelle eine "Stimme
des irakischen Volkes", und zwar aus Saudi-Arabien. Irakische Exilkreise
sind überzeugt, dass der saudische Geheimdienst dahinter steckt. Man
versteht dann besser, warum dies eine strikt islamische Stimme ist.
Verwechslungen sind eigentlich ausgeschlossen - aber auch der wohl in
Nord-Irak stehende Sender der Kommunistischen Partei Iraks meldet sich
als "Stimme des irakischen Volkes", und zwar mit Unterbrechungen seit
1982, als er noch ebenso in Bulgarien zuhause war wie die "Stimme des
irakischen Kurdistan". Die Kontaktadresse ist eine britische.

In London ist ferner die "Stimme der Islamischen Revolution in Irak" zu
erreichen, der Kurzwellensender der schiitischen Opposition (SCIRI) und
der vor dem Golfkrieg besonders scharf verfolgten illegalen Dawa-Partei.
Die Sendeanlagen stehen aber nicht auf der Insel, sondern in Iran. Ein
anderer SCIRI-Sender ist die "Stimme des aufständischen Irak".
Washingtoner Förderung hat sich die SCIRI nicht einmal im Golfkrieg
erfreut; die Regierung Bush I mochte dem Gedanken an ein schiitisches
Regime in Bagdad gar nicht nahetreten, ihr war das in Teheran schon zu
viel.

Was bewirkt diese Vielfalt an Geheimsendern? Nicht viel, scheint es. Dem
Bagdader Regime fällt es leicht, sie als fremdgesteuert
abzuqualifizieren und vorsichtshalber auch Störsender auf sie
anzusetzen. Zur Sicherheit haben die vier Inlands-Geheimdienste überall
Ohren. Wenn denen Verbotenes zu Gehör kommt, wird das Rundfunkgerät
konfisziert und der Rundfunkteilnehmer gleich mit.

Siehe auch Heute aktuell im FR-Spezial Der Terror und die Folgen



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Copyright © Frankfurter Rundschau 2002
Dokument erstellt am 03.07.2002 um 21:12:01 Uhr
Erscheinungsdatum 04.07.2002



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