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[infowar.de] Wargames: Die Rueckkehr ins Uebungsdorf
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Die Rückkehr ins Übungsdorf
Krystian Woznicki 13.11.2002
Kuwait City, Sarajevo und jetzt Bagdad: Die Großstadt als Problemfall
des zeitgenössischen Kriegsspiels
Sicherlich zielen zeitgenössische Kriegsspiele in erster Linie darauf
ab, die Transformation des Militärs in ein vernetztes High-Tech-Heer zu
proben (vgl. [1]Transformation War Game: Im globalen Sandkasten). Doch
immer mehr ist in den letzten Jahren ein ganz anderes Problemfeld ins
Visier aller militärischen War-Games-Designer geraten: das Schlachtfeld
selbst. Nicht mehr das offene Feld erscheint als das prototypische
Szenario, sondern enge, verwinkelte [2]urbane Räume. Nicht nur Einsätze
der jüngeren Vergangenheit an Orten wie Mogadischu, Panama City, Kuwait
City und Sarajevo sowie in den urbanen Zentren Afghanistans legen
diesen Paradigmenwechsel nahe. Auch die nächste militärische
Herausforderung hört auf einen Stadtnamen: Bagdad.
Neulich wurde bei einem Kriegsspiel der US-Armee einmal wieder die
Invasion Bagdads [3]durchgespielt. Der Schwerpunkt dieser Übung lag auf
der Überquerung des Euphrats. Da über diesen Fluss der Weg nach Bagdad
führt, wird dort Widerstand erwartet: Brücken könnten gesprengt werden
oder chemische Waffen des Gegners bereits dort zum Einsatz kommen und
das US-Militär entscheidend schwächen. Immer wieder wurde also die
Flussüberquerung geübt, bei Tag und Nacht, mit und ohne Brücken. "Wenn
wir das meistern", gab ein Militärvertreter zu Protokoll, "dann ist der
Rest ein Kinderspiel. Bagdad wird auseinander fallen, wenn wir mit 30,
40 Panzern in die Stadt vorpreschen." Eine Vorfreude, die mehr als
verfrüht scheint.
Die Invasion von Bagdad
Im [4]Fort Polk Joint Readiness Training Center wird seit geraumer
Zeit die Einnahme von Bagdad geprobt. Der simulierte Kampf in Louisiana
kostet mehr als 1 Million Dollar täglich. Er wird unter Verwendung
avanciertester Technologien auf einem Schlachtfeld ausgetragen, das aus
28 Gebäuden besteht, die auf einem Gebiet in der Größe von drei
Stadtblöcken stehen. Man tut alles, um den Kampf so real wie möglich zu
gestalten. Lasersensoren beepen, wenn ein Soldat getroffen ist,
medizinisches Personal sorgt umgehend für den Abtransport.
Als der befehlshabende General aus dem Verkehr gezogen wird, muss auch
er erkennen, dass der Krieg auf bebautem Gelände eine ganz besondere
Hölle ist. Soldaten haben ihr einen Namen gegeben: "Dreidimensionale
Kriegsführung". Schließlich kann man von allen Seiten getroffen werden.
Doch ist das lange nicht alles. In dieser Hölle kann die Kommunikation
unter den Soldaten nur unter den widrigsten Umständen verlaufen, Ziele
können meist nur schwerlich ausgemacht werden, bestenfalls bauen sie
sich in einer Entfernung von weniger als 50 Metern auf, aber das ist
natürlich zugleich auch das worst case scenario. In Bagdad werden diese
Parameter durch den Faktor "Unberechenbarkeit" ergänzt.. Es dürfte also
niemanden überraschen, dass sich die War-Games-Designer des Militärs an
eine alte Weisheit von Sun Tzu erinneren:
"Greife nur Städte an, wenn es dazu keine Alternative gibt ... Der
General, der seine Ungedulf nicht zügeln kann, wird seinen Truppen
befehlen, die Mauer in Schwärmen wie Ameisen zu erstürmen, was zur
Folge hat, dass ein Drittel getötet werden wird, ohne die Stadt
einzunehmen. Darin besteht die Schwierigkeit eines Angriffs auf
Städte."
Wiederherstellung der Asymmetrie
Unter Hochdruck wird die "dreidimensionale Kriegsführung" allenthalben
geprobt. Selbst al-Qaida trainiert den Krieg im bebautem Gelände, wie
neulich im Fernsehen ausgestrahlte Videokassetten [5]belegen. Auf
diesen Aufnahmen sind Kämpfer zu sehen, die in einem entlegenen Camp
eine westliche Stadt mit Hilfe von Leinwänden und Steinen nachgestellt
haben. Auch wenn solche Bilder an die alte
Teppichmesser-gegen-Kampfbomber-Asymmetrie erinnern, die Überlegenheit
westlicher Technologie wird im urbanen Raum dann aufgehoben, wenn aus
dem Luftkrieg ein Bodenkrieg wird.
Darauf spekuliert jedenfalls das irakische Militär. Das weiß jedoch
auch die US-Armee. Vor diesem Hintergrund hat sie ihre neuesten
Trainingsprogramme entwickelt, sowie ein neues Trainingszentrum ins
Leben gerufen, das die bestehenden Institutionen ergänzen soll.
Jahrelang waren die U.S. Marine Corps und die U.S. Army zuständig für
alle Projekte, die die Weiterentwicklung der urbanen Kriegsführung
betreffen. Gemeint sind damit Projekte wie [6]Urban Warrior,
[7]Metropolis und Programme wie [8]MOUT (Military Operations on Urban
Terrain). Neu ist jetzt das Center for Joint Urban Operations, ein
Projekt des U.S. Joint Forces Command (JFCOM).
Zu den Zielen dieses Zentrums gehört unter anderem die Entwicklung von
Instrumenten, die dem Militärstrategen wieder in eine allwissende
Position verhelfen, eine Position, in der er über alle notwendigen
Daten des Schlachtfeldes verfügt und dadurch präzise ebenso wie spontan
zu handeln im Stande ist. Wie ein JFCOM-Vertreter es formuliert:
"We know that the joint force commander can now stand above the
(battlefield) and he 'sees', and he has this tremendous amount of
information available to him. When you stand above the city, you don't
see that (same information), and we want to be able to give him that
same type of picture."
Dieses "Bild" soll das so genannte [9]C4ISR-System liefern, das im
Center for Joint Urban Operations auf die Anforderungen von engen,
verwinkelten Räumen umgerüstet wird. Es soll die Funktion eines
Satellitenbildes für das Kampfgebiet im offenen Feld auf die
Anforderungen der Großstadt übertragen. Der Ernstfall soll erstmals in
Bagdad getestet werden.
Links
[1] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/game/12367/1.html
[2] http://www.urbanoperations.com
[3] http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/articles/A17335-2002Sep28.html
[4] http://www.jrtc-polk.army.mil/
[5] http://www.nandotimes.com/nation/story/508230p-4038620c.html
[6] http://www.wargaming.quantico.usmc.mil/Programs/Urban.cfm
[7] http://www.nationaldefensemagazine.org/article.cfm?Id=762
[8] http://call.army.mil/homepage/mout.htm
[9] http://www.c3i.osd.mil/org/cio/i3/AWG_Digital_Library/
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